New York - ganz unten
Lee Stringer - Grand Central Winter

"Jeder muß seine Portion schlechter Nachrichten verdauen", doch bei Lee Stringer kommen sie in ziemlich kurzem Abstand - und das geballt. Zunächst wird er vom Tod seines Geschäftspartners überrascht, der ihm eine Menge rechtlichen Wirrwarr hinterließ und dann erkrankt sein Bruder schwer und stirbt.

Stringer fällt in abgrundtiefe Verzweiflung und findet Trost bei Crack. Schnell hat er seine wenigen Habseligkeiten, Fernseher, Radio, Uhr in Geld für Stoff umgesetzt und als eines Tages der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, um die längst fällige Miete zu kassieren, wird Stringer auf die Straße gesetzt. "Was mich angeht, habe ich das Leben auf der Straße nie als unerträglich empfunden. Die ersten paar Tage waren hart, bis ich verstanden hatte, wie das mit den Suppenküchen funktioniert."

Dass er sich aus dem Sumpf von Crack und Obdachlosigkeit retten kann, hat er letzlich einem simplen Bleistift zu verdanken - einem Utensil, das er, für seine Crackpfeife ständig bei sich trägt. Und eines Tages kommt Stringer auf die Idee, den Bleistift entsprechend seiner ursprünglichen Funktion zu benutzen. Er schreibt sich in seiner Höhle tief unter der New Yorker Grand Central Station, seine erste Geschichte über einen Freund von der Seele, der HIV-positiv ist.

Lee Stringer schafft es, dass seine kleine Erzählung schon im nächsten Monat in der New Yorker Obdachlosen Zeitung "Street News" abgedruckt wird. Ein paar Monate später schreibt er dort eine regelmäßige Kolumne, wird Redakteur und übernachtet fortan im Büro von "Street News". "Danach bestand für mich der Tag nur noch aus vier Dingen: Geld auftreiben, Stoff kaufen, sich vollpfeifen und schreiben. Und irgendwann habe ich die ersten drei dann seinlassen."

Stringer schreibt cool, ohne Larmoyanz und mit Humor über ein New York, wie es sich dem Touristen niemals zeigt.



Lee Stringer - Grand Central Winter
aus dem Amerikanischen Übersetzt von: Kate Reiner
Originaltitel: © 1998, "Grand Central Winter"
1999, Freiburg, Herder Verlag, 219 S., 38 DM

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999-10-04

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger