![]()
|
Der Gott der kleinen Dinge Besprechung im Literarischen Quartett, ZDF, 14.8.1997 Arundhati Roy - Der Gott der kleinen Dinge
Die Art wie Arundhati Roy ihre Story erzählt, macht zugleich
ihren unwiderstehlichen Reiz aus. Gleich Wellen, die immer wieder
Anlauf nehmen, um eine Bergspitze zu erklimmen, läßt
die Autorin ihre Erzählung in langsamen Bewegungen vorwärtsrollen
und aus dem anfänglichen leichten umspülen entwickelt
sich ein Sturm auf hoher See. Immer wieder holt sie aus, bricht
ab und dringt langsam ins Zentrum der Geschichte vor, bei der
die politischen Unruhen des Jahres 1960 eine Rolle spielen, aber
auch das starre Kastenwesen der indischen Gesellschaft. Geschickt
schichtet sie die Erzählebenen übereinander, so daß
der Leser langsam vom Strudel des Romas ergriffen wird. Er spürt
den Wahnsinn, der in einem kurzen, kaum spürbaren Augenblick
durch die winzige Ritze in der Geschichte eindringt, und alle
zukünftigen Ereignisse beeinflußt. Schuld daran ist
"der Gott der kleinen Dinge, der Gott des Verlustes, der
keine Spuren im Sand hinterläßt." Und die großen
Geschichten? "Das sind die, die man
gehört hat und wieder hören will. Sie überraschen
nicht mit unvorhergesehenem. So wie man, obwohl man weiß,
daß man eines Tages sterben wird, lebt, als wüßte
man es nicht."
Meisterhaft komponiert Arundhati Roy eine kleine Geschichte aus
vielen unscheinbaren Zufälligkeiten so geschickt, daß
am Schluß eine große Geschichte entsteht, die mit
Gewinn und Genuß wieder gelesen wird.
|
|
||||||||||||||
![]() ![]() ![]() © 12.8.1997 ![]() by Manuela Haselberger www.bookinist.de |