Die Wikinger
Claus-Peter Lieckfeld - Das Buch Haithabu
"Solange man jung ist, vermag man sich nicht vorzustellen, daß einem eine Suppe aus Nebeltrichterlingen und gestoßenem Adlerfarn lieber ist als am Feuer geröstetes Ferkel, sowie es auch einem, der sich noch seiner Zähne gewiß ist, an Vorstellung gebricht, wie man denn mit blanken Kiefern pfeifen kann.(Man kann es so wenig wie fetttriefende harte Schweinehaut beißen, um die Wahrheit zu sagen.)

Mein letzter Zahn verließ mich gestern, am zweiten Tag nach Sonnenwend im Jahre 919 des Herrn. Er ging von mir mit einem kaum spürbaren Schmerz, mit einem resignierenden Laut, so, als zöge man einen Pfahl aus moorigem Grund.
"

So beginnt C.P. Lieckfelds Roman aus der Wikingerzeit, der die Aufzeichnungen eines christlichen Mönchs aus Ramsolana in der Nähe der Hammaburg an der Elbe (Hamburg) wiedergibt.

In der Ich-Erzählung läßt er den sympathischen Alten Rückschau halten über sein Zeitalter und seine drei Reisen in das heidnische Land zwischen Hamburg und Bremen, eine Reise an die Schlei ins mächtige Haithabu und eine Seefahrt nach Bornholm.

Das Buch hat keinen besonderen geschichtlichen oder geographischen Tiefgang, liest sich zügig und unterhaltsam, insbesondere durch die Kommunikation, die der Autor mit seinem Leser aufbaut. Durch seine mehrschichtige Erzähltechnik läßt er den Mönch, der besonders häufig dem Reiz der holden Weiblichkeit erliegt, sich immer wieder an den werten Leser in einer fernen Zeit wenden.

In der ersten Ebene erleben wir einen siebzigjährigen Mann, der in kleinen Einsprengseln zu Beginn der insgesamt 81 Kapitel über sein jeweiliges Tagesproblem berichtet. Seine Hauptbeschäftigung ist die Geschichte des jugendlichen Helden Herward zu Pergament zu bringen, an dessen Seite er die zweite und dritte Reise unternahm.

Immer wieder läßt er sich von diesem Vorhaben abbringen und irrt ab in früher Erlebtes: "Ich befürchte, es muß Dich verwirren, ferner Leser, daß ich auch von den Wechselfällen des eigenen Lebens berichte. Ich hätte all das weglassen sollen ... Das Rote Haus ... Das Verhör der Heil´gen Leich´ ... meinen unbotmäßigen Versuch, am Markt zu Wik am Holze dem Henker in den Arm zu fallen ... Andererseits: Du würdest es spüren, wenn es mir an der nötigen Konzentration gebricht. Spürst Du es aber, wirst Du den Grund zu wissen begehren. Ich denke man muß mit seinem Leser sprechen wie mit einem Beichtbruder. Und so werde ich auch fürderhin ein wenig von dem einstreuen, was mir widerfuhr. Wenn es Dich langweilt, so hebe Deine Augen darüber hinweg, wie über einen kleinen Stein, der den Fortgang auf breiter Straße nicht stört. So folge mir denn endlich zurück zu jenem Morgen im April, an Ufer der Seeve, ..."

Lange Zeit verweilt er in Haithabu, diesem heidnischen Handelszentrum der Wikinger am Haddebyer Noor im späteren Schleswig Holstein, um dort die schon früher vom heiligen Ansgar begonnen christliche Mission voranzubringen.

Unterhaltsam beschreibt er seinen Umgang mit dem "Jarl" Rangar, dem örtlichen Statthalter des dänischen Königs in Haithabu, der selbstverständlich der alten nordischen Religion anhängt und sich mit christlichen Argumenten auch nicht überzeugen läßt: "Euer Gott sagt viele Sachen, die weise klingen. Aber dennoch glaube ich nicht, daß Götter durch Bücher sprechen, wenn ihnen der Donner, das Meer und der Sturm zu Gebote stehen. Was ist ein Papierrascheln gegen Sturmgebraus?"

Doch gewährt er dem christlichen Mönch die Ehre oft stundenlang mit entblößtem Hinterteil gemeinsam auf dem Lokus zu sitzen und gelehrten Disput zu pflegen. Auch erlaubt er ihm an den großen Festen der Stadt teilzuhaben wie beispielsweise am Julfest "Was mich, einen Gottesmann, mit Schauder und Abscheu erfüllen sollte, aber mir doch - heute, wo ich dies nach so vielen Jahren schreibe - insgeheim das alte Fleisch erschaudern läßt: Die Weiber zeigen dem tobenden Mannsvolk, wenn erst genügend Bier geflossen ist, fast ohne Aufforderung viel von dem, was sonst den Blicken rechtmäßiger Ehemänner vorbehalten ist. Eine wahrhaft himmelschreiende Sauerei! Sah ich doch einmal, als ich mich nach einem vom Tisch gefallenen Hühnerbein bückte, die stille, unscheinbare Tochter eines Töpfers auf allen vieren, wie sie unter dem Tisch damit beschäftigt war, einem verheirateten ... Aber der Anblick ist es nicht wert, notiert zu werden."

Und manch andere vergnügliche Besonderheit der damaligen Zeit rankt sich unaufdringlich durch Lieckfelds Roman.


Claus-Peter Lieckfeld - Das Buch Haithabu
1997, München, Knaus Verlag, 445 S.,


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Wer nun eingestimmt auf die Zeit noch weitere deftige Erlebnisse aus der Wikingerzeit erleben will, dem sei ein Klassiker über die Abenteuer des Röde Orm empfohlen.

Wunderschöne Landschaftsbeschreibungen und raubautzige Wikinger-Charaktere durchziehen den Roman von Frans G. Bengtsson.

Das Buch ist die Odyssee des Wikingers Röde Orm, der geraubt und versklavt, aus dem Norden in den maurischen Süden verschlagen wird. Er wird vom Untertan des Königs Harald Blauzahn zum Leibgardisten des Muslim Almansur.

Bengtssons Roman ist in seiner Sprache und Beschreibung des Alltags und der Feste der Wikinger sogar noch um einiges urtümlicher als Lieckfeld: "...aber einige machten das Zeichen des Hammers über der Kanne und murmelten Thors Namen, bevor sie tranken. Als man auf König Haralds Glück trank, geriet dem König Sven das Bier in die falsche Kehle, so daß Styrbjörn fragte, ob dieser Schluck ihm zu stark sei.

Nun wurde das Jul-Schweinefleisch hereingetragen, und Heerfahrer und Häuptlinge verstummten, als sie es kommen sahen, und sie atmeten tief auf und strahlten vor Freude; viele lösten den Gurt, um von vornherein bereit zu sein ... Achtundvierzig mit Eicheln wohlgemästete Schweine .... Die Küchenleute kamen zu zweien, mit großen, dampfenden Kesseln zwischen sich, in langer Reihe daher; andere trugen Tröge mit Blutwurst. Küchenknechte mit langen Gabelspießen ....
"

Angeblich soll der Roman als Vorlage für den Hollywood-Schmachtfetzen "Die Wikinger" mit Kirk Douglas (1958) gedient haben, aber wesentlich lebhafter kann man sich die damalige Zeit ausmalen, die Abende und das Kriegshandwerk in den Fjorden der Ostsee vor beinahe tausend Jahren, wenn man sich den originalen Röde Orm einverleibt.

Frans G. Bengtsson - Röde Orm
Deutsch von Elsa Carlberg
1997 (1941) München, dtv-Verlag, S. 595, 19.50 DM / 9.97 EUR

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 13.9.1997