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Er war der erste Mann seit einem Monat, der erste seit der Katastrophe. Ich fühlte mich allein, gnadenlos allein, animalisch und gefräßig wie ein Piranha. Ich war gierig nach Wärme, Zärtlichkeit und Liebe. Was ist daran so, komisch? Wir alle brauchen von Zeit zu Zeit jemanden, der uns umarmt. Ich hatte mir nicht viel erhofft, das sicher nicht, aber auf eine derartige Enttäuschung war ich nicht gefaßt.

Erstens: Er war winzig. Was ich unter winzig verstehe? Ich weiß nicht... Zwölf Zentimeter? Eine winzige Angelegenheit jedenfalls. Die Gegenwart seines Gemächts war so lächerlich, daß ich drauf und dran war, ihm vorzuschlagen, mich von hinten zu nehmen, weil es nicht weh tun konnte. Wie sollte mir so etwas weh tun? Aber das kann man einem Typen schlecht sagen, den man gerade in einer Bar kennengelernt hat. Was soll's, also haben wir es traditionell gemacht, ineinander verschraubt und geifernd wie zwei Aale. Unsere Beckenknochen schlugen hart aufeinander, über mir hörte ich ihn keuchen, den tapferen Bergsteiger, der vergeblich darauf beharrte, einen Gipfel zu erreichen; aber das Mikroglied mühte sich zäh und ausdauernd in meinem Schritt ab, entwischte meinen Lippen, und jeder neue Anlauf war nur ein weiterer aussichtsloser Versuch, einen Schlund auszufüllen, dessen Tiefe sein Geschlecht an Ausmaß und Verlangen weit übertrat.


Drei spanische Schwestern
Lucía Etexebarría
Von Liebe, Neugier, Porzac und Zweifeln

Die junge spanische Autorin Lucía Etxebarría, geboren 1966, wurde bereits 1998 mit dem angesehenen "Premio Nadal" ausgezeichnet.

In ihrem ersten Roman, "Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifeln" erzählt sie mit einem sehr erfrischenden, frechen, mitunter auch frivolen Ton, aus dem Leben dreier Schwestern in Madrid. Es sind zugleich drei moderne, sehr unterschiedliche Lebensentwürfe von Frauen, die jedoch eine Gemeinsamkeit eint: Jede hat eine ganze Menge Erfahrung mit Tabletten und Drogen, denn jede der drei ist äußerst unzufrieden mit ihrer aktuellen Situation.

Die älteste, Ana, Mutter und Hausfrau, die sich gerade noch dazu aufraffen kann, ihr Leben vor dem Fernseher zu fristen, kommt zu dem Schluß: " Das Leben im allgemeinen ist wie die Schlange in einem Supermarkt: langsam, unbequem und voll mit unerträglichen Leuten." Einkaufen war sie deshalb schon lange nicht mehr, das einzige, bei dem sie genau Bescheid weiß, sind die verschiedenen Aufputschmittel. "Für gute Laune nehme ich weiße und grüne Kapseln, dann gibt es noch rote Kapseln gegen die Schmerzen und weiße Tabletten gegen Beklemmungen."

Die mittlere Schwester, Rosa, gerade dreißig geworden, ist in ihrem Job ganz oben. Sie war immer schon Jahrgangsbeste, hat gebüffelt und lebt jetzt "mit einer Festplatte als Hirn und einem Modem als Herzen" auch nicht glücklich. Es muß im Leben außer ihrem Alfa Romeo noch etwas anderes geben, doch was?

Die meisten Kapitel, deren Überschriften alphabetisch untergliedert sind, von A wie die Atypische, über O wie Obsession bis zu Z wie Zenit, erzählt die jüngste, Cristina. Sie ist Anfang zwanzig, arbeitet hinter der Theke einer Bar und führt, seit ihr Lover sie verlassen hat, ein noch ruheloseres Leben als je zuvor. Sie weiß nicht nur über die verschiedenen Stile von Techno alles, sondern "ich bekenne mich zu allen Rauschgiften und bin immer unterwegs."

"Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifeln" ist ein Buch, das mit den Klischees der Powerfrauen à la Hera Lind in der Frauenliteratur gründlich aufräumt. Lucía Etxebarría beschönigt nichts, aber sie wälzt sich auch nicht in Selbstmitleid. Ana, Rosa und Cristina sind drei Frauen, deren Leben nicht nur in Spanien zu finden sind - und an diesem Punkt beginnt das Buch interessant zu werden.




Lucía Etexebarría
Von Liebe, Neugier, Porzac und Zweifeln
aus dem Spanischen von Ralph Amman
Originaltitel: © 1997, "Amor, Curiosidad, Porzac y Dudas"
1999, Frankfurt, Frankfurter Verlagsanstalt, 314 S.

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999/04/22

Quelle: http://www.bookinist.de
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