Er war der erste Mann seit einem Monat, der erste seit der Katastrophe. Ich fühlte mich allein, gnadenlos allein, animalisch und gefräßig wie ein Piranha. Ich war gierig nach Wärme, Zärtlichkeit und Liebe. Was ist daran so, komisch? Wir alle brauchen von Zeit zu Zeit jemanden, der uns umarmt. Ich hatte mir nicht viel erhofft, das sicher nicht, aber auf eine derartige Enttäuschung war ich nicht gefaßt.
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Drei spanische Schwestern Lucía Etexebarría Von Liebe, Neugier, Porzac und Zweifeln
Die junge spanische Autorin Lucía Etxebarría, geboren 1966, wurde bereits 1998 mit dem angesehenen "Premio Nadal" ausgezeichnet. In ihrem ersten Roman, "Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifeln" erzählt sie mit einem sehr erfrischenden,
frechen, mitunter auch frivolen Ton, aus dem Leben dreier Schwestern in Madrid. Es sind zugleich drei moderne, sehr
unterschiedliche Lebensentwürfe von Frauen, die jedoch eine Gemeinsamkeit eint: Jede hat eine ganze Menge
Erfahrung mit Tabletten und Drogen, denn jede der drei ist äußerst unzufrieden mit ihrer aktuellen Situation. Die älteste, Ana, Mutter und Hausfrau, die sich gerade noch dazu aufraffen kann, ihr Leben vor dem Fernseher
zu fristen, kommt zu dem Schluß: " Das Leben im allgemeinen ist wie die Schlange in einem Supermarkt: langsam,
unbequem und voll mit unerträglichen Leuten."
Einkaufen war sie deshalb schon lange nicht mehr, das einzige, bei dem sie genau Bescheid weiß, sind die
verschiedenen Aufputschmittel. "Für gute Laune nehme ich weiße und
grüne Kapseln, dann gibt es noch rote Kapseln gegen die Schmerzen und weiße Tabletten gegen
Beklemmungen." Die mittlere Schwester, Rosa, gerade dreißig geworden, ist in ihrem Job ganz oben. Sie war immer schon
Jahrgangsbeste, hat gebüffelt und lebt jetzt "mit einer Festplatte als Hirn und einem
Modem als Herzen" auch nicht glücklich. Es muß im Leben außer ihrem
Alfa Romeo noch etwas anderes geben, doch was? Die meisten Kapitel, deren Überschriften alphabetisch untergliedert sind, von A wie die Atypische,
über O wie Obsession bis zu Z wie Zenit, erzählt die jüngste, Cristina. Sie ist Anfang zwanzig,
arbeitet hinter der Theke einer Bar und führt, seit ihr Lover sie verlassen hat, ein noch ruheloseres Leben
als je zuvor. Sie weiß nicht nur über die verschiedenen Stile von Techno alles, sondern
"ich bekenne mich zu allen Rauschgiften und bin immer unterwegs." "Von Liebe, Neugier, Prozac und Zweifeln" ist ein Buch, das mit den Klischees der Powerfrauen
à la Hera Lind in der Frauenliteratur gründlich aufräumt. Lucía Etxebarría
beschönigt nichts, aber sie wälzt sich auch nicht in Selbstmitleid. Ana, Rosa und Cristina sind drei
Frauen, deren Leben nicht nur in Spanien zu finden sind - und an diesem Punkt beginnt das Buch interessant zu werden. |
© by Manuela Haselberger rezensiert am 1999/04/22 Quelle: http://www.bookinist.de layout © Thomas Haselberger
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