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Die Tänzerin und der Dichter Carola Stern - Isadora Duncan und Sergej Jessenin
ie Autorin Carola Stern ist mittlerweile Spezialistin auf dem Gebiet des biographischen Romans. 1990 veröffentlicht sie den Roman über das Leben
Dorothea Schlegels "Ich möcht mir Flügel wünschen". Die beiden begegnen sich zum ersten Mal im Jahre 1921 in Moskau. Die Amerikanerin Isadora
Duncan, die Begründerin des modernen Solotanzes nach klassischer Musik hat den Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens schon überschritten, auch
wenn sie dies nicht wahrhaben will.
Als sie mit 44 Jahren in Moskau auf den russischen Dichter Sergej Jessenin trifft, der sich selbst als Sänger der
Revolution sieht, ist sie von seiner Jugendlichkeit und dem Charme seiner 26 Jahre hingerissen. Jessenin ist ein politischer Dichter. Schon zu dieser Zeit wird
er als Genie verehrt, als zweiter Puschkin gefeiert und mit Rimbaud verglichen. Er befindet sich auf dem Zenit seines Schaffens. Die Tänzerin und der
Dichter werden ein Paar. Die Verständigung ist aufgrund der sprachlichen Barrieren schwierig. Isadoras russischer Wortschatz beschränkt sich auf zwölf
Worte - aber diese spricht sie fließend. Sie, ein absolut unpolitischer Mensch, kann die Entwicklung in Rußland nicht verstehen. Die Duncan nimmt Jessenin
mit in ihre luxuriöse Welt, zeigt ihm Berlin und reist mit ihm nach Amerika.
Und das Liebesdrama nimmt seinen Lauf. Zunächst läßt sich der Dichter gerne
bemuttern und aushalten, doch immer häufiger bricht er aus seinem goldenen Käfig aus und beginnt zu trinken. Der Dichter Jessenin, ein Dorfpoet, liebt die
Natur über alles und ist bei Isadora zutiefst unglücklich. Er verfällt immer mehr dem Alkohol.
Mit der exaltierten Isadora Duncan und dem einsamen Sergej
Jessenin hat das Schicksal zwei Künstler verbunden, die beide dem Neuen, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts formt, zugehören wollen. Doch die
Erneuerung der Welt, die sie anstreben, soll mit dem Geist der Alten verwoben sein. Für die Tänzerin ist dies der Geist der Antike und der Lyriker präferiert
das einfache, bäuerliche Leben. So bilden sie ein Paar, das zusammen nicht glücklich werden kann. Sie trennen sich, aber ohne einander gelingt ihnen dieses
Unterfangen auch nicht. Im Dezember 1925 nimmt sich Sergej Jessenin im Alter von dreißig Jahren in einem Hotel in Leningrad das Leben.
© manuela haselberger
Taschenbuch - 172 Seiten (1998) Rowohlt, 7.90 €
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© 22.9.1996 by Manuela Haselberger Quelle: http://www.bookinist.de |