hiara Zocchi ist eine ganz junge italienische
Autorin, geboren 1977 in Varese, die mit ihrem Buch "Olga"
ihr Debüt gibt. Olga ist ein zehnjähriges, aufgewecktes
Mädchen, das sich darum bemüht, in ihren trostlosen Familien-
alltag, eine für sie durchschaubare Ordnung zu bringen.
"Bei mir zu Hause herrscht ohrenbetäubende Stille."
So beginnt Olga ihre Erzählung und berichtet
von ihrem gewalttätigen, tyrannischen Vater, den sie so
verabscheut, daß sie nur abfällig als "er" über ihn
sprechen kann.
Wenn er daheim ist, schreien sich die Eltern meistens
nur an. Glücklicherweise kommt er ins Gefängnis und
so hat die Mutter nur noch den Sohn, der ihr Kummer bereitet.
Er ist seit langem drogenabhängig und läßt sich nur blicken, wenn
er Geld braucht. Als Olga ihn im Krankenhaus besucht, ist er
blaß und schafft es nicht einmal mehr das zwischen ihnen verabredete Zeichen für
"alles ok" zu geben.
Olga hat eine ganze Reihe harter Schicksalsschläge hinzunehmen,
doch mit kindlicher Naivität definiert sie ihre Welt, die
ungemütlich und voller zugiger Löcher ist, neu. Am
liebsten würde sie für ihren Bruder ein Pulver erfinden, das Träume schenkt,
ohne einem das Blut aufzufressen. Sie kennt sich aus mit Aids,
darüber wurde im Fernsehen berichtet, und bei der Beerdigung
ihres Bruders kommt ihr der Friedhof vor "wie eine Wiese,
auf der statt Blumen Kreuze wachsen."
Die Autorin schreibt gekonnt in einem assoziativen Stil, der dem
kindlichen Denken der Protagonisten entspricht und ent-
wickelt so in ihrem Buch einen ganz eigenen Charme.
Besonders gut gelungen ist der Schluß des Buches,
als Olga sich ganz still und leise davonstiehlt.
© manuela haselberger