Internas aus dem Literaturbetrieb
Jens Walther - Abstieg vom Zauberberg
Rechtzeitig zu Beginn der Buchmesse hat
der Eichborn Verlag seine "Geheimsache: Jens Walther"
an die Leser gebracht. Nicht einmal in der Vorschau wurde verraten,
was sich hinter diesem Projekt verbirgt. Unter einem Pseudonym
hat hier ein Autor oder eine Autorin mit allem abgerechnet, was
zur Welt der deutschsprachigen Literatur gehört.
Angefangen mit der ungerechten, meistens gemauschelten Preisvergabe
bei Literaturwettbewerben, den von den verantwortlichen Verlegern
bestellten Rezensionen in großen Zeitschriften und der unerträglichen
Selbstbeweihräucherung der Kritiker in Sendungen wie zum
Beispiel dem "Literarischen Quartett". Allerdings heißt
die Show im Buch dann "Triade" und Reich -Ranicki firmiert
unter Claude Muller-Marceau. Doch es ist nicht besonders schwierig
die Personen und Verlage zu entschlüsseln.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die junge Autorin Anna (vgl.
Ulla Berkéwic), die den ersten Preis in einem Nachwuchs-Wettbewerb
gewinnt - Klagenfurt pur. Ein sehr gut aussehender Verlegersohn,
der sich vor allem für moderne Literatur interessiert, nimmt
sie unter Vertrag im ehrwürdigen Verlag seines Vaters und
der Einfachheit halber gleich mit ins Bett. "HKJ. Hier kommt
Johannes. Hier tanzt die Zukunft. Yamamoto am Leib. Den Machthunger
im Kopf und die Kondome in der Hosentasche."
Anna lernt schnell und merkt, daß wenn sie ihre Bücher
langfristig veröffentlichen will, der erfolgreichere Weg
über den alten Rieger führt. Er ist alleiniger Chef
des Hauses und ein Liebhaber gehobener, anspruchsvoller Prosa.
Das erinnert sehr an die Konstellation im Hause Suhrkamp und den
Vater-Sohn-Konflikt bei Unseld, auch wenn der Verlag in München
in der Georgenstraße residiert und unter dieser Adresse
der Piper Verlag zu finden ist. Geläufig ist auch, daß
Unseld jeden Tag schwimmt. Im Roman läßt der Autor
den Verleger Rieger täglich seine Jogging-Runden absolvieren.
Die Parallelen, die der Autor zieht, haben immer nur einen sehr
geringen Abstand voneinander.
Vieles im Buch ist schon bekannt oder wurde so vermutet, aber
diese gekonnt geschriebene Abrechnung mit dem deutschen Kulturbetrieb
liest sich so amüsant und süffig, man gönnt sich
einfach ein Vergnügen, alles noch einmal in komprimierter
Form schwarz- auf -weiß nachzulesen.