Hirntod durch Cobra
Richard Preston - Cobra

Wie eine Bombe schlug sein erster Roman ("Hot Zone") über den Ebola-Virus ein, die die Welt so erschütterte, daß Hollywood sogar einen packenden Thriller daraus verfilmte.

Auch das neue Buch von Richard Preston, Cobra, wird wohl ebenfalls ein Hit-verdächtiger Seller und eine rasante Scriptvorlage für ein Drehbuch.

Der Inhalt ist schnell wiedergegeben: New York, zwei mysteriöse Todesfälle, und eine wachsame Seuchenpolizei (CDC), die sofort eine junge Ärztin ansetzt, um die Todesursache zu ermitteln. Preston schildert dabei besonders eindrucksvoll die Arbeit in der Pathologie, die insbesondere bei den hier zu untersuchenden Leichen in den Augen des Lesers sich als sehr widerwärtig darstellt, weil es sich um eine Hirnviren-Erkrankung handelt, die das Mittelhirn in eine gallertige Masse verwandelt hat.

Parallel zu den Vorgängen in New York berichtet Preston über die Arbeit eines UN-Inspektorenteams im Irak, das eine unangekündigte Überprüfung in einer irakischen Chemiefabrik vornimmt und dabei auf eine Produktionsstätte für biologische Waffen trifft.

Preston malt viel schwarz-weiß in seinem Roman: Die bösen Irakis, deren Bioforschung nur durch die noch viel gefährlicheren Russen funktioniert auf der einen Seite, und die "good Guys from America", die auf die Erforschung und Produktion derart niederträchtiger Massenvernichtungsmittel wie virulenter biologischer Bomben seit dem Verdikt des glorreichen Präsidenten Richard Nixon im Jahr 1969 verzichten, weil ... "die Versuche, die von 1964 bis 1969 durchgehend stattfanden, waren erfolgreich, und zwar weit über die Erwartungen selbst der beteiligten Wissenschaftler hinaus. Die Ergebnisse waren eindeutig: Biologische Waffen sind strategische Waffen, mit deren Hilfe eine Armee, eine Stadt oder ein Land zerstört werden kann."

Sieht man von dieser Hollywood-Klischee-Schwäche ab, so ist Prestons Thriller ein informativer Roman über die Möglichkeiten und Gefahren biologischer Waffen. Offenbar gut recherchiert sind seine Verarbeitung der russischen bzw. früher sowjetischen Aktivitäten auf diesem Feld, besonders ein Unfall bei den Anthrax-Versuchen (Milzbranderreger) in Swerdlowsk lassen den Leser erahnen, welche Gefahr Bioforschung darstellt. "Ein typisches Virusteilchen ist tausendmal kleiner als eine Zelle. Wenn ein Virusteilchen einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter hätte, wäre ein Menschenhaar ungefähr hundert Meter dick".

Relativ leicht kann man sich vorstellen wie machtlos hier der Mensch dieser Bedrohung gegenübersteht, wenn bereits ein einziges dieser Virusteilchen genügt, das sich über die fußballfeldgroße Feuchtmembran der Lunge oder der Nasenschleimhäute in den Blutkreislauf einschleust, und sich auf seinem Weg die Nervenbahnen entlang milliardenfach in wenigen Stunden innerhalb seines Wirtskörpers vermehren kann.

Die zweite Hälfte des Romans ist normaler Showdown: Die junge Ärztin und die Vaterfigur des UNO-Seuchen-Kontrolleurs jagen zusammen mit einem umfangreichen, geheimen Spezialistenteam vom FBI (Reachdeep) einen Virus-Terroristen, der für die Todesfälle in der Stadt verantwortlich ist. Wie weiland im "Dritten Mann" geht die Verfolgung durch die U-Bahn-Tunnel und Versorgungsschächte in der New Yorker Unterwelt.

Ein professionell gemachter Thriller, den man schnell abgelesen hat und man sich dem Thema zumindest so weit nähert, daß man mitreden kann. Auf den Film zu warten und in der Zwischenzeit etwas anderes zu lesen ist vermutlich klüger. Und wer zwischen den Zeilen liest, der kauft sich unterdessen Aktien von schweizer Chemiemultis, weil sie die Drahtzieher der ganzen kapital- und futureträchtigen "schwarzen Biologie" sind, obwohl die amerikanischen Wissenschafter angeblich Lichtjahre Forschungsvorsprung haben.

Von den deutschen IG-Farben-Nachfolgern redet Gottseidank niemand.


Richard Preston - Cobra / Ein Tatsachen-Thriller
aus dem Amerikanischen von Michael Schmidt
Originaltitel: 1997, The Cobra Event

1998, München, Droemer - Knaur, 432 Seiten
2000, München, Droemer - Knaur, 432 Seiten, / 8,64 EUR (TB)

geb. Buch vergriffen Taschenbuchausgabe Lieferbedingungen


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1998-08-04

Quelle: http://www.bookinist.de
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