Über 600 Seiten künden von den ca. 56 Schlachten Karls des Großen (742-814) in seinen ca. 44 Regierungsjahren.
Im wahrsten Sinn des Wortes ein bewegter Roman, da es Karl in keiner bestimmten Residenzstadt besonders lange hielt.
Er errichtete als Erbe Pippins des Kurzen das erste teutsche Reich römisch-katholischer Nation; Mielke bezeichnet
ihn als ersten Europäer.
Im Klappentext zum Buch heißt es, daß Mielke quellengetreu und spannend erzählen wolle;
ersteres ist ihm unbestreitbar gelungen, da er Seite für Seite chronologisch abhakt, ohne jedwede Rückblende,
ein sich vorwärtswindender Lindwurm an Lebenserzählung. Sicher ist ihm dabei geglückt den historischen
Karl einzufangen, jedoch gewinnen seine Figuren kein Leben, sie sind etwas hohl, ihr Charakter wirkt von außen
betrachtet - keine Reflexionen, Gedanken und Absichten der Handelnden werden offenbar. Aber auch keine
Hintergründe, keine politische Interpretation der Vorgänge, der einsamen Kriegsentschlüße Karls
oder seines Reichtages - nichts dergleichen, der Erzähler- und Abenteuerstil überwiegt.
Sicher beabsichtigte Mielke eine 'wohlwollende, distanzierte' Betrachtung dieses bedeutenden Menschen; doch man
kann als Schriftsteller auch zuviel des Guten tun: z.B. als Karl den Entschluß fällt 4.500 gefangene Sachsen
einfach köpfen zu lassen, was geht da in so einem Menschen vor, warum trifft er eine so harte Anordnung,
welche Motive leiten ihn - all das bleibt mehr und mehr im dunkeln.
Auch die harten Fakten könnten mehr beleuchtet werden und nicht nur im zweizeiligen Nebensatz Erwähnung
finden, also beispielsweise wofür Karl alles verantwortlich zeichnete: Sonntagsruhe, geregelte und normierte
Priesterausbildung, Schulbildung, deutsch als einheitlicher Reichssprache, die Predigt in der Kirche in deutscher Sprache,
eine reichsweite Währung, deren Wertverhältnis er genau definierte bis hin zu den neuen Monatsnamen,
die er erfunden und eingeführt hat.
Wen nun die Verbindungen zu den anderen Weltreichen (Kalifat in Bagdad, Kaiserreich von Byzanz, Awaren-Reich,
Bayern, Langobarden ...) interessiert, erfährt so gut wie nichts hintergründiges.
Auch die Beziehung zu Rom und seinem Bischoff, dem Papst, sind nur sehr geschichtsbuchartig angedeutet; kein
Vorwurf (oder auch Lob !?), daß über Pippin die gegenseitige Schutzschirmherrschaft zwischen den
Merowinger-Hausmeiern (Karl Martell und sein Sohn Pippin) und dem Papst die Jahrtausende geltende Macht des
Papstes begründete: Der Papst krönte sie zu Königen, später Karl zum Kaiser, und die
Könige bzw. Karl gewährten dafür dem Vatikanstaat waffenstarrenden Schutz - ein abgefeimtes Spiel,
das weltliche und kirchliche Macht damals initierten.
Auch Karls bauliche Leistungen (die Pfalzen von Worms, Aachen oder Diedenhofen) kommen nicht klar zur Geltung;
zu wenig architekturgeschichtlich Verwertbares, was Mielke dem Leser da anbietet.
Allein sein Versagen als Vater gegenüber seinen vielen Söhnen und Töchtern, seine Feigheit Pippin
den Buckligen, seinen Erstgeborenen aus seiner ersten Friedelehe, oder sein aller erstes Kind mit seiner ca. 12jährigen
Schwester anzuerkennen, das ist Mielke allerdings sehr gut gelungen: Der Wiederstreit zwischen Karls bestreben
familiär sein zu wollen und gleichzeitig immer auch der Herrscher des Frankenreiches zu sein, der eine
Nachfolgeregelung zu bestimmen hat.
Insgesamt bekommt Karl der Große von mir nach der Lektüre dieses Romans nicht den Nimbus, den ihm
unsere Schulbücher angedichtet haben. Karl ist in meinen Augen der konsequente Vernichter der germanischen
Druidenkultur, der germanischen Naturreligion, um seinen diffusen Traum vom Gottesreich auf Erden zu verwirklichen.
Dabei geht ihm angeblich nie der Seifensieder auf, was er da langfristig anrichtet - schade.
Zu guter letzt fehlt im Buch leider etwas die Ergründung der ökonomischen Seite: Welche Berater hatte Karl
in diesen Dingen, wer flüsterte ihm etwas ein, wodurch wurde Geld verdient, wurden Handelswege geschützt ?
Außer einem dürftigen Handelsabkommen mit England (S.595) wird im Roman selbst darüber wenig dokumentiert.
Rätselhaft bleibt mir die Aussage Pippins des Buckligen bei seiner Verurteilung wegen seiner Verschwörung
gegen Karl: Pippin sagt " Die Teilung Roms und die Lehre Mohameds sind die wahren Gründe dafür,
daß du, mein Vater, überhaupt König der Franken sein kannst! Ein anderes Rom, ein anderes Byzanz
hätten nie zugelassen, daß sich Hausmeier der Merowinger zu Königen auschwingen ..."
Das Gesamturteil zu diesem Buch darf aber bei all diesen Kritikpunkten nicht verschwiegen werden - man wird von Mielke
während der gesamten Lektüre sehr gut unterhalten und sein Buch gehört bestimmt zu den anspruchsvolleren Werken im
Genre der historischen Romane.