Wenig Alchimie
Kai Meyer - Die Alchimistin


1897, eine Kutsche rumpelt müde über die Dünen in Richtung eines trutzigen Schlosses, das auf 5 kleinen, vorgelagerten Inseln mitten in der Ostsee erbaut worden ist.

Christopher, 17 Jahre alt, wurde von der Familie des Schloßherrn Nestor Institoris adopiert und reist nun mit seiner "Mutter" zu seinem neuen Zuhause.

Die Familienmitglieder verhalten sich zum Teil sehr eigenartig: Seine neuen Geschwister Aura und Daniel ignorieren ihn, während die kleine Sylvette ihn sofort ins Herz schließt. Der "Vater" Nestor sieht anfangs durch ihn hindurch, zeigt sich aber verbindlich, als Christopher in dessen geheimes Laboratorium eindringt und beschäftigt ihn als Gehilfen.

Zur gleichen Zeit braut sich in Wien, in den Gewölben und Kellern der Hofburg, Nestors Schicksal zusammen: Der Großkriminelle Lysander beauftragt Gillian, einen Hermaphroditen, den Alchimisten Nestor und möglicherweise seine Tochter zu töten.

Gillian führt diese Tat auch umgehend aus, unterläßt es jedoch Aura, die Tochter des Opfers ebenso zu töten.

Runde um Runde zieht es den Leser nun tiefer in die Beziehungen der vorgestellten Figuren an den beiden Schauplätzen. Der Autor hält sich bedeckt, tötet kalt, schnell und ohne dem Leser Zeit für größere Regungen zu lassen.

Spannend und trotzdem völlig rätselhaft, was den Personen in ihren unterirdischen Tunneln und Gängen, Geheimtreppen und Gruften wiederfährt, so endet das erste Buch in einem frustierenden Showdown nach 300 Seiten.




1904, Aura macht sich nach Wien auf, um ihre verschwundene Schwester Sylvette zu suchen und den Stiefbruder Christopher zu befreien, den Lysander ins Gefängnis hatte bringen lassen.

Zwischenzeitlich weiß sie, daß ihr Vater auf der Suche nach dem Stein der Weisen bzw. nach der Unsterblichkeit gewesen und offenbar dem Geheimnis schon recht nahe gekommen war. Durch die paranormalen Begabungen ihrer 5jährigen Nichte und ihres 7jährigen Sohnes erfährt sie, daß Nestor und Lysander vor Jahrhunderten bereits die Schüler des Tempelritters Morgantus gewesen waren und die Unsterblichkeit offenbar durch fortwährendes Abschlachten immer neuer, junger Mädchen bislang erreicht hatten. Insbesondere die inzestuöse Tötung der eigenen Kindeskinder hatte die Riege dieser Templer annähernd 700 Jahre am Leben gehalten.

Aura, offensichtlich durch ihre eigenen, leider nirgendwo ausführlich beschriebenen alchimistischen Studien selbst mit dem Elixier der Unsterblichkeit behandelt, macht sich auf die Suche der Mädchenschänder und wird fündig: Zuerst in Swanetien in einem achteckigen Templerkloster in den Bergen des Kaukasus und dann bei sich zu Hause an der Ostsee, wo bereits Gillian, der Mörder ihres Vaters, Vater ihres eigenen Sohnes und selber Sohn des Morgantus für den zweiten Showdown des Buches gesorgt hat.

Kai Meyer oder Karl May, beides Synonyme für spannende Unterhaltung, die beim Zugfahren zwischen Frühstück und Arbeit als leichte Kost ohne große Botschaft konsumiert werden können, auch wenn Meyers Verlag den Anspruch erhebt, daß er im philosophischen Fach in der Geschichte des Templerordens recherchiert habe.

Ein Tip zum Schluß: Nicht einmal die Taschenbuchausgabe würde lohnen.

Kai Meyer - Die Alchimistin
1998, München, Heyne Verlag, 495 S.,
1999, München, Heyne Verlag, 492 S., ,
2000, München, Heyne Verlag, 492 S., 19.00 DM,

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© by Thomas Haselberger
rezensiert am 1998-02-22
Quelle: http://www.bookinist.de