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Fast perfekte Mütter
Kathy Lette - Kinderwahn
Milena Moser - Das Leben der Matrosen
Annemarie Schoenle - Frauen lügen besser
Schon in ihrem ersten Band "Mein
Bett gehört mir" hat die Australierin Kathy Lette bewiesen,
daß ihre Protagonistin Maddy die Probleme einer frisch verliebten
Frau ganz gut im Griff hat, und sich durch so Kleinigkeiten wie
Alex, dem hinreißenden Engländer, der ihr das Blaue
vom Himmel verspricht, wenn sie erst mit ihm zusammen von Australien
nach England reist, nicht nachhaltig aus dem Konzept bringen läßt.
Leider hat er während ihrer stürmischen Romanze total
vergessen, ihr von seiner Frau und den beiden niedlichen Kindern
zu erzählen. Als er von Maddy erfährt, daß sie
von ihm ein Kind erwartet, besinnt er sich schleunigst wieder
auf seine Rolle als verantwortungsvoller Familienvater.
Jetzt können sich die Fans von Maddy und ihrem Baby ("sie
liebte es mehr als ihr eigenes Leben, wenn es nur mit Gebrauchsanweisung
geliefert worden wäre") auf eine Fortsetzung ihrer Geschichte
freuen.
Maddy schlägt sich in "Kinderwahn" mehr oder weniger
erfolgreich mit Stillproblem herum. "Angstschweiß tränkte
ihre Achselhöhlen und perlte von ihrem Gesicht. Sie schien
verdammt noch mal ihr eigenes Wetter zu erzeugen. Panik
packte ihr Gedärm. ... Während des Dammschnittes hatte
der Chirurg das schlimmstmögliche Wort ausgestoßen:
Hoppla."
Im Kaufhaus reiht sie sich, um Dörrpflaumen zu erstehen in
eine Schlange ein, die so groß ist wie ein Boa constructor.
"Maddy stellt sich ans Schwanzende und zog den Bund ihrer
Umstandsunterhose hoch. Das sah vielleicht scharf aus: Schlüpfer,
in denen man eine religiöse Erweckungsversammlung abhalten
konnte."
Der Alltag mit einem Säugling reibt auch eine so selbstbewußte
und in sich ruhende Frau wie Maddy auf. Sie landet durch einen
ungewollten Ladendiebstahl im wenig komfortablen Frauengefängnis,
und am liebsten wäre es ihr, wenn sie endlich einen Patientenausweis
erhielte, mit der Aufschrift: "Vorsicht: Hirntote Säugerin."
"Kinderwahn" läßt sich auch separat, ohne
den ersten Band, in vollen Zügen genießen. Es ist einfach
zu komisch, mit welchen Slapstick-Einlagen Maddy sich mit ihrem
kleinen Jungen durch die Fallstricke der Mutterschaft kämpft.
"Das schlimmste von allem, war die hirnzermürbende Ödheit.
Maddy langweilte sich dermaßen, daß sie den Pflanzen
bei der Photosynthese zusah."
Kathy Lette schreibt einen ihr eigenen witzigen Stil, der im deutschen
Sprachraum höchstens von der Schweizerin Milena Moser erreicht
wird.
Auch von Milena Moser gibt es Neues zu lesen: "Das Leben
der Matrosen", mit dem Untertitel: ein Zeitungsroman.
Und dies ist ihr Buch gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen
erschienen zuerst im Zürcher "Tagesanzeiger" dreimal
wöchentlich Fortsetzungen des Romans, zum anderen spielt
die Handlung in einer großen Schweizer Zeitung.
Paula Perroquet fängt dort als junge Journalistin an. Ihre
Erlebnisse während der nächsten zehn Monate erzählt
Milena Moser in einem furiosen Tempo, wobei sie auch vor den aberwitzigsten
Situationen nicht zurückscheut. Der Leser kommt nicht umhin
verblüfft zu staunen, wie sie es, bei ihren oft sehr gewagten
Konstruktionen, schafft, ihre Hauptpersonen immer wieder aus dem
Chaos herauszumanövrieren.
Da wird die Mutter von Paula als Briefbomben-Attentäterin
verhaftet, ihr vierzehn Jahre alter Sohn versetzt sie in Angst
und Schrecken, als der Bauch seiner Freundin immer mehr anschwillt.
Sollte Paula Großmutter werden, bevor sie selbst ihr zweites
Kind zur Welt bringen kann? Doch vorher hat sie eine Menge ungelöster
Mordfälle in der Redaktion aufzuklären. Und wo steckt
die Chefin der Zeitung? Wurde sie tatsächlich entführt?
Mit Neid denkt Paula an andere Schwangere: "Zwischendurch
legten sie sich hin und die Beine hoch und kommunizierten mit
dem Ungeborenen. Brachten ihm das kleine Einmaleins und die Grundsätze
der westlichen Philosophie bei. Für etwas anderes als schwanger
zu sein, hatten diese traumhaften Geschöpfe keine Zeit. Paula
hingegen hatte keine Zeit schwanger zu sein."
Ein in rasantem Tempo geschriebener Roman, der, auch wenn Milena
ihre Personen teilweise bis zu acht Mal mit den gleichen Sätzen
vorstellt (jeder Leser glaubt sofort, daß ihre neue Liebe
Dr. Tobler genauso aussieht wie Dr. Carter aus der Fernseh-Serie
"Emergency Room") und das zu gewissen Ermüdungserscheinungen
führt, durch seinen abstrusen Witz überzeugt.
Eine völlig andere Art der Mutterschaft gehen die drei Hauptakteurinnen
bei Annemarie Schoenle "Frauen lügen besser" ein.
Henriette, die streitbare Journalistin, die mit ihren 60 Jahren
von ihrem Chef gerne schon auf Altenteil verbannt wird und ihre
Nichte Anne, Lektorin eines Verlags und dort zuständig für
gut verkäufliche Belletristik - am liebsten Frauenromane,
geschrieben von einer knackigen Autorin in einer schrillen Sprache.
Die dritte im Bunde ist Sigi, eine junge, gutaussehende Verkäuferin
an der Saftbar im Kaufhaus Wertheim. Die drei nutzen die Gunst
der Stunde und schreiben zusammen den Megaseller "Traumfrau
trifft Superman". Henriette verfaßt die Schnulze, Anne
vermarktet sie im Verlag und Sigi ist die optimale Besetzung für
die Rolle der erfolgreichen, vor allem hübschen Schriftstellerin.
Annemarie Schoenle, deren letztes Buch "Eine ungehorsame
Frau" vor wenigen Wochen im Fernsehen mit Veronika Ferres
in der Hauptrolle ausgestrahlt wurde, legt ein weit langsameres
Tempo in ihrem Roman vor. Sie amüsiert sich über die
neuen Frauenromane in der Art von Hera Linds "Superfrau"
und zieht sie mit Wonne durch den Kakao. Auch neue esoterische
Trends wie der Mondkalender sind vor ihrer Spottlust nicht sicher,
doch es gelingt ihr nicht, einen so witzigen Stil wie Milena Moser
oder Kathy Lette zu schreiben. Ihre Dialoge geraten zäher,
langatmiger, allerdings sind sie realitätsnaher, als die
ihrer Kolleginnen.
"Kinderwahn", "Das Leben der Matrosen" und
"Frauen lügen besser" sind drei Romane, die in
erster Linie vermutlich von Frauen gelesen werden und für
sie geschrieben wurden, doch ganz unterschiedliche Lesebedürfnisse
befriedigen. Die Wahl liegt bei Ihnen.
Kathy Lette: Kinderwahn
Deutsch von Thomas Bodmer
1998, Reinbek, Rowohlt Verlag, 314 S.
1999, Reinbek, Rowohlt Verlag, 313 S., / 8.64 EUR
Milena Moser: Das Leben der Matrosen
1998, Reinbek, Rowohlt Verlag, 318 S.,
Annemarie Schoenle: Frauen lügen besser
1998, München, Droemer Verlag, 299 S.
2000, München, Droemer Verlag, 343 S., 14.88 DM / 7.61 EUR (Taschenbuch)
Buch 1 (K. Lette) bestellen . . .
Buch 2 (M.Moser) bestellen . . .
Buch 3 (A. Schoenle) bestellen . . .
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