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Eine Bombe der Existenz
Nadine Gordimer - Die Hauswaffe
"Die Hauswaffe" heißt
der neue Roman von Nadine Gordimer und gemeint ist damit die Waffe,
die in den meisten Wohnungen und Häusern in Johannesburg
vorhanden ist, um bei möglichen Überfällen wirksamen
Schutz zu bieten.
Diese Pistole ergreift der 27- jährige Duncan, als er das
Haus seines Freundes Carl betritt. Er wechselt einige Sätze
mit ihm, entsichert die Waffe und drückt ab. War es wirklich
so?
Die Eltern Duncans, ein wohlsituiertes Ehepaar in Johannesburg,
die Mutter Ärztin, der Vater im Vorstand einer Versicherungsgesellschaft,
stehen fassungslos vor einem Rätsel. Was hat ihren Sohn dazu
gebracht, diese Tat zu begehen oder sitzt er schuldlos im Gefängnis?
In langen Sequenzen beginnen die beiden damit, das Leben Duncans
zu analysieren. Er arbeitete als Architekt in einem Büro,
hat hin und wieder Freundinnen zu Hause vorgestellt, seine Kindheit
verbrachte er größtenteils im Internat. Verzweifelt
versuchen sie den Bruch in seinem Leben festzumachen.
Verteidigt wird Duncan von einem erfolgreichen, angesehenen Anwalt,
allerdings ist er schwarz. Die liberale Haltung von Claudia, der
Ärztin beginnt zu bröckeln. Kann ihm wirklich das Leben
ihres Sohnes, das Wohl ihrer Familie anvertraut werden? Der Prozeß
von Duncan fällt zudem in eine Zeit, in der in Südafrika
über die Beibehaltung oder die Abschaffung der Todesstrafe
entschieden wird.
Nadine Gordimer hat ihren Roman vielschichtig komponiert. Zum
einen handelt es sich um eine psychologische Studie, die sich
zu einem Eifersuchtsdrama auswächst. Duncan selbst, die Hauptperson
des Romans kommt nur sehr selten zu Wort. Er bekennt sich seinem
Anwalt gegenüber als rückhaltlos schuldig und ganz allmählich
wird klar, daß er das Opfer seiner übermächtigen
Eifersucht wurde, denn er hat am Abend vor seiner Tat seine derzeitige
Freundin auf der Couch mit seinem besten Freund beobachtet. Auf
behutsame Weise geht die Autorin auf das Mädchen ein. Sie
scheint der Dreh- und Angelpunkt von Duncans Verhalten zu sein.
Zum anderen beleuchtet Nadine Gordimer eine Familiengeschichte,
in der die Eltern in der Beziehung zu ihrem erwachsenen Kind notgedrungen
beginnen, die einfachen, oberflächlichen Schichten abzutragen.
Claudia, die sich mit ihrem Beruf geradezu dem Erhalt und der
Rettung von Leben verpflichtet hat, kann die Tat ihres Sohnes
nicht fassen. Ihr Ehemann Harald, ein tiefgläubiger Katholik
macht sich schwere Vorwürfe und versucht festzustellen zu
welchem Zeitpunkt sein Sohn ihm entglitten ist.
Auf einer dritten Ebene gibt die Autorin Einblicke in eine veränderte
gesellschaftliche Wirklichkeit Südafrikas, die zwar auf politischer
Ebene Einschnitte erfahren hat, doch die alten Rassenschranken
sind noch nicht aus den Köpfen verbannt. Auch die intellektuelle
Schicht, die um die Vorurteile weiß, hat, wenn sie selbst
davon betroffen ist, unvermindert damit zu kämpfen.
Nadine Gordimer, die 1990 den Literaturnobelpreis erhalten hat,
zeigt in ihrem neuen Buch überzeugend: "Eine private
Katastrophe bedeutet, daß man aus dem Alltag der übrigen
Welt aussteigt. - Es gibt allerdings keinen wirksamen "Schutz
vor den Bomben der Existenz."
Nadine Gordimer - Die Hauswaffe
aus dem Englischen von Susanne Höbel
1998, Berlin, Berlin Verlag, 366 S., , 12.78 EUR
2000, München, btb - Goldmann Verlag, 366 S., 10.22 EUR (Taschenbuch)
1998, München, Hör Verlag, 21.98 EUR (Audiocass)
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