"Im Anfang war das Wort!" und Gott sprach "Es
werde Licht". So stellt sich uns der christliche Schöpfungsmythos
dar. Wir haben eine mehr oder weniger genaue Vorstellung vom künftigen
Untergang der Welt, vom jüngsten Gericht, den Himmels- und
Höllenwelten.
Doch auch andere Kulturen, zu anderen Zeiten und auf anderen Kontinenten
haben mannigfach Sagen, Mythen und Götterwelten hervorgebracht
und große und kleine Zeugnisse ihrer Vorstellungen hinterlassen.
Schon die Urstämme hatten das Bedürfnis in ihren Höhlenmalereien
(z.B. in Lasceaux (Dordogne/Frankreich) oder die indianischen
in Wyoming/USA) ihren Geschichten von Jagd, Geburt und Tod, Schamanismus
und Götterwelt Ausdruck zu verleihen.
Länger als alle heute existierenden Religionen zusammen muß
beispielsweise die Anbetung von Erdmuttergottheiten unter den
Menschen verbreitet gewesen sein.
Sergius Golowin hat nun einen mit 800 Abbildungen randvollen,
prachtvollen Bild-Leseband im Format 24 x 32 cm bei Herder veröffentlicht
und den Versuch gestartet eine umfassenden Übersicht über
alle Menschheitsmythen, Sagen und Götterwelten zu entwickeln.
Quer über alle Kontinente beginnt er in der Wiege der Menschheit
bei den afrikanischen Mythen, reist er über das Mittelmeer,
die nordischen Welten, den Nahen Osten, Vorderasien, Südasien,
Indonesien, Australien und Ozeanien, insbesondere die Osterinseln
und beendet seine in Text, Grafik und opulenten Bildern aufgearbeitete
Weltreise auf dem amerikanischen Doppelkontinent.
Thematisch eröffnet er seinen Reigen mit den Mythen über
die Entstehung des Kosmos, das göttliche Ei beispielsweise
oder die hinduistische Vorstellung. Er berichtet über die
Ägypter, über Echnatons Reform zum monotheistischen
Aton sowie über alle anderen Sonnenkulte in anderen Epochen.
Überaus informativ ist sein mehrseitig grafisch bebilderter
Stammbaum der griechischen Götterwelt - endlich einmal eine
gelungene Darstellung der verzwickten Beziehungen in der griechischen
Mythologie.
Die Weltesche Yggdrasil findet ebenso ihren Platz wie der ägyptische
Lebensbaum, Götterboten wie Hermes und Kulturbringer wie
Prometheus oder Maui, der Sohn der Erdmutter in der Südsee,
werden vorgestellt - in Wort und Bild.
Allein welche Vielfalt die menschliche Psyche an Tiergottheiten
geschaffen hat, ist verblüffend.
Doch auch alle Tragikhelden versammelt das kiloschwere, dreihundertseitige
Werk:
Sigurd (Siegfried), Orpheus, Ge Sar, Gilgamesch, Iphigenie, Ischtar,
Helena oder Odysseus - mit allen hat sich Golowin beschäftigt,
selbst die Monroe und der Pinnball-Wizzard "Tommy" werden
erwähnt.
Vom kosmischen Rad und der Seelenwanderung, alles, was sich Mann
und Frau seit ihrem ersten Bewußtsein imaginiert haben und
überliefert wurde, findet in diesem Buch seinen Niederschlag.
Ein hervorragendes Werk, dem vor allem der Wurf gelungen ist sich
sowohl an Spezialisten wie Einsteiger zu wenden; wer sich sputet,
kann sich diesen Band bis Ende 1998 noch zum Einführungspreis
von 98,-- DM sichern - ein herrliches Buch für die heiligen
Tage am Ende des Jahres.
Überraschenderweise wurde dieses Buch nach der Einführung des Euro erheblich billiger. ;-)
Sergius Golowin, Mircea Eliade, Joseph Campell
Die grossen Mythen der Menscheit
1998, Freiburg, Herder, 304 S., / 25,51 €
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