obin Dunbars Fachbuch mit dem Untertitel "Wie der Mensch
zur Sprache fand" strapaziert auf den ersten 74 Seiten die
Geduld des Lesers sehr, weil es dort zunächst gar nicht um
die Sprache geht, sondern Dunbar seine Untersuchungsergebnisse
über das Kraulverhalten von Primaten ausbreitet.
Auch die folgenden Seiten beschäftigen sich dann wiederum
mit den Gehirngrößen von verschiedenen Primaten und
menschlichen Vorfahren, so daß man weit über die Hälfte
des Buches zu bewältigen hat, bis der Autor mit dem wissensdurstigen
Leser aufwärts durch den Nebel der Zeiten steigt und sich
endlich mit uns, dem Menschen und seiner Fähigkeit des Sprechens
beschäftigt.
Aber dann wird relativ schnell klar, daß es sich rentiert
hat mit Dunbar in der ersten Hälfte des Buches seine Hausaufgaben
zu machen. Wie von selbst fügt sich dann das darwinistische
Weltbild, die machiavellistische Intelligenztheorie und die Relation
zwischen Gruppengrößen von Tieren und der Größe
ihres Neokortex.
Zug um Zug legt Dunbar offen, wie Gruppengrößen von
Affen und ihr Kraulverhalten mit Gruppengrößen von
Menschen und der Zwang zur Entwicklung des Instrumentes Sprache
korrellieren und gelangt zu einer eher amüsanten Hypothese
für die Existenz der Sprache: Nicht als Kommunikationsmittel
der Männer am Lagerfeuer zum Erzählen ihrer Jagderlebnisse
oder gar als Ausdruck mystischer, religiöser Riten, sondern
als Mittel die sozialen Bande innerhalb der Gruppe zu festigen
und zu bestätigen. Populärer ausgedrückt: Wir sprechen,
weil wir übereinander klatschen und tratschen müssen.
Nebenbei erfährt man viele interessante Dinge über die
Relation des Energieverbrauchs unseres Gehirns zu den anderen
Organen. Dunbar spekuliert auch ungeniert über mögliche
weitere Evolutionsschritte der Tierart "Mensch".
Im letzten Kapitel verläßt er dann erfreulicherweise
die Wissenschaftlichkeit seiner Forschungsarbeit und wagt Schlußfolgerungen
bezüglich des aktuellen Zusammenlebens der Menschen heute:
Erstaunlicherweise hat sich die Fähigkeit des Menschen größere
Gruppen als im Mittel 150 Personen zu bilden seit einer Million
Jahren nicht geändert. Auch sind wir nicht in der Lage uns
unterscheidbar auf mehr als drei Personen gleichzeitig zu konzentrieren
und ab einer Kleingruppengröße von mehr als sieben
wird Kommunikation regelmäßig ineffizient.
Welche Folgen dies für unser Schulsystem, für unsere
Wohn- und Arbeitskultur hat, denkt er genauso kurz an, wie er
über den Nutzen der Datenautobahn sinniert und kommt zu dem
Schluß, daß der altmodische Bekanntenkreis vielleicht
noch nie so bedeutsam wie heute war.
... und dann kann sich der Leser seine eigenen Gedanken machen
zu Phänomenen wie der Gewaltbereitschaft unserer Jugendlichen,
zu Guildo Horn, zum Zulauf zu Sekten, zum endlosen TV-Konsum von
Soap-Operas .....