ür die Irin Paula Spencer ist das meiste in ihrem Leben schon gelaufen, als
sie gerade 39 Jahre alt wurde. Und es ist nicht gut gelaufen für sie. Es hatte
damit begonnen, dass sie in der Schule bei den schwächsten Schülern
eingestuft wurde und richtig mies lief alles, ab dem Tag, an dem sie Charlo kennenlernte. Er war
ihre Jugendliebe und die beiden heirateten. Warum aus Paulas Traum vom Glück nichts wurde,
weiß sie in der Erinnerung nicht mehr so richtig. Immer wieder hat sie darauf gehofft, dass alles
so nett und freundlich wurde, wie sie es sich immer erträumte.
Ihre Ehe endete in einer Katastrophe. Es dauert sehr lange, bis sie erzählt, dass sie von ihrem
Ehemann, der jähzoring war, verprügelt wurde. Sie und ihre Kinder lebten in einer Welt aus
Angst und Schrecken, denn je nach Laune Charlos, wurde es ein ruhiger Abend, wenn er nach
der Arbeit heimkam, falls er überhaupt eine hatte, oder es wurde die Hölle. Paula flüchtet sich in
den Alkohol und entkommt in eine Scheinwelt, wobei sie die Kinder, den Haushalt alles
vernachlässigt. Doch immer wieder rappelt sie sich auf, um die Dinge aus eigener Kraft wieder
in den Griff zu bekommen und immer wieder sitzt sie im Krankenhaus und erklärt, dass sie
gegen eine Tür gelaufen ist, um den Ärzten die Verletzungen plausibel zu machen. Doch wen
interessiert schon eine Alkoholikerin, die wahrscheinlich gestürzt ist. Da fragt niemand nach den nähren Umständen. Am Ende
des Buches ist Charlo tot, und man wünscht Paula von ganzem Herzen, dass sie es schafft, alles noch einmal neu zu beginnen,
wenn da nicht die Flasche wäre.....
Roddy Doyle hat mit seinem Roman "Die Frau, die gegen Türen rannte", einen Roman geschrieben, der das Leben einer Frau
aus der Unterschicht Dublins sehr präzise beschreibt. Er hat sich so mit seiner Figur identifiziert, dass an keiner Stelle des
Buches der männliche Blickwinkel durchschimmert. Er erzählt ganz konsequent aus dem Leben dieser Frau, die in ihrer
Kindheit und Jugend den Traum der heilen Welt hatte, der am Schluss des Romans in den Schmutz getreten wurde. Von Paula
und ihren Sehnsüchten und Wünschen ist nichts übriggeblieben. Ihr gewalttätiger Ehemann hat sie und ihr Leben restlos
zerstört. Doyle beschreibt die Situation seiner Hauptfigur so treffend, dass zwar die Frage,- "warum um Gottes Willen lässt die
Frau sich dies alles gefallen"- beim Lesen immer mitschwingt, doch ihre Handlungsweise ist verständlich und nachvollziehbar
geschildert.
Es sind bittere Wahrheiten, die Paula ihren Kindern mit auf den Weg gibt:
"Ich war ihre Zukunft. Die Zukunft, die sie immer vor Augen hatten. Die Welt der Erwachsenen, Gewalttätigkeit, ein leerer
Kühlschrank, eine Flasche Gin, aber kein Fleisch, blaue Augen, ausgeschlagene Zähne, ein Häufchen Unglück in einer Ecke.
Macht eure Hausaufgaben, betet schön, putzt euch die Zähne, sagt bitte und danke - und es wird euch so gehen wie mir. "
© manuela haselberger