gal, wer es sich vornimmt ein derartiges Werk zusammenzutragen:
Ein kiloschweres Buch wird es wohl immer werden, wenn man versucht,
die Geschichte der Stadtentwicklung von den Anfängen des
Menschseins bis zur heutigen Zeit zu erforschen. Der Architekturprofessor
Leonardo Benevolo hat dieses repräsentative Werk in Leinen
gebunden mit leicht verständlichen Texten und 1649 Architekturfotos,
Detailzeichnungen, Modellfotos und Landkarten aufgetürmt.
Mit seinen über 1000 Seiten ist es ein Buch zum Schmökern
und neugierigen darin Blättern. Vom gewöhnlichen Pfostenschuppen
über die babylonischen Zitadellen und Ziggurate bis zu Cheops,
Chephrens oder Mykerinos "Häusern", alle finden
sich mit zahlreichen Rißzeichnungen darin wieder. Ägypten,
China, Griechenland - für den archäologisch und architektonisch
interessierten, weitgereisten Zeitgenossen eine Quelle alter Erinnerungen.
Grundrisse, Modellfotos und Luftbildaufnahmen lassen beispielsweise
das antike Rom auf über 100 Seiten plastisch vor dem geistigen
Auge des Betrachters entstehen. Vom Aquädukt bis zur Villa
Rustica oder dem Grundriß römischer Militärlager
- hunderte von Details fesseln das Auge.
Man erfährt etwas über die klimatisch-orientierte Bauweise
des Islam, die Alhambra, das Tadsch Mahal, Palermo oder Isfahan
- keine dieser Perlen der Menschheit fehlt in diesem Buch. Rund
ein Drittel des Buches beschäftigt sich ausführlich
mit den Städten und Bauten des Mittelalters und der Renaissance.
Insbesondere die vielen Aufnahmen aus der Vogelperspektive vermitteln
einen das Gesamte erfassenden Überblick, den man aus der
Käferperspektive des Stadtbesuchers nie erahnen würde.
Ob Kreuzgewölbe, Spitzbögen oder Erker - alle Stilelemente
der Bauzunft finden sich kenntnisreich angeordnet wieder, einmal
als einfacher Grundplan, ein anderes mal als komplizierte Abbildung
einer Axonometrie einer Kirchenkuppel. Insbesondere die Beispiele
aus der Baukunst der Renaissance sind verblüffend: Einerseits
der Mensch als Maß aller Dinge, andererseits die Mathematik,
vor allem die Geometrie, bringen Harmonie und Majestät in
die Pläne und Bauwerke. Durch die Brunelleschi Methode der
perspektivischen Darstellung gewinnen die Bauvorhaben räumliche
und geistige Tiefe.
Selbst den Mayas, Inkas und Azteken widmet Benevolo ein kurzes
Kapitel, bevor er sich auf die Europäischen Hauptstädte
des Barock stürzt, die im Größenwahn der verschiedenen
Sonnenkönige auf den Reißbrettern der Stadtplaner entstanden.
Das letzte Viertel beschäftigt sich mit den Zweckbauten der
Industriellen Revolution und der "post-liberalen" Stadt
wie beispielsweise dem Paris des 19.Jh.
Die moderne Stadt des 20.Jh. und die ameisenhafte Architektur
der Trabantenstädte kommen am Ende des Buches eher abschreckend
daher und passen vom Fotomaterial hervorragend zu den heute quälenden
Themen der Überbevölkerung und der Problematik der infrastrukturellen
Versorgung urbaner Bevölkerungsgruppen.
Die Literaturhinweise und das Personen- und Sachregister am Schluß
des 3.8 kg schweren Wälzers sind zwar etwas dürftig
geraten, aber man spürt, daß hier einer sein Lebenswerk
geballt aufarbeitet und den Mut hatte, die Früchte seiner
Sammelwut zu strukturieren und wohl kommentiert anzubieten.
Sensationell ist auch der Preis: Nur zweistellig - unglaublich.