Birgit Vanderbeke - abgehängt (Buchtipp/Rezension/lesen)
... reinlesen


<<   weitere Bücher   >>


... reinlesen

Ich hab dich auch gestern gesehen, sagte die Stimme. Mit wem spreche ich, bitte, sagte ich.
Du Sau, sagte die Stimme, dir werd ichs zeigen. Ich legte auf.
Es war eine warme, freundliche Männerstimme gewesen.

Simmy saß in ihrem Zimmer und zeichnete die Europakarte. Ich ging kurz rein, sah mir Europa an und sagte, ich habe das früher immer durchgepaust. Es geht schneller und sieht einfach besser aus.

Sie war an der belgischen Küste und sagte, so gehts aber auch, und ich sagte, wart ab, bis du nach Norwegen kommst, in Norwegen gibts jede Menge Fjorde und Buchten und komplizierte Inselchen und sowas. Ich geh mal kurz auf die Bank. Sie hob nicht den Kopf.
Sollte das Telefon klingeln, sagte ich, gehst du einfach nicht ran.
Und wenn es dann Bine ist, sagte Simmy.S. 7


Lesezitat nach Birgit Vanderbeke - abgehängt


Bookinists Buchtipp zu

Birgit Vanderbeke


Alberta empfängt ...


Ich sehe was, was ...




abgehängt
Birgit Vanderbeke - abgehängt

chlaglichtartig beleuchtet Birgit Vanderbeke in ihrem neuen, wie immer sehr kurzen Roman "abgehängt", zwei Tage im Dasein ihrer Hauptperson, einer Autorin. Sie ist mit ihrer halbwüchsigen Tochter Simmy allein zu Hause. Ihr Ehemann, ein Jazz-Musiker, reist mit seiner Band durch Spanien.

Empfindlich gestört wird das ruhige Leben von Mutter und Tochter durch anonyme Anrufe, die sie beschimpfen und bedrohen. Eingepackt in diese Rahmenhandlung sind Reflexionen der Mutter, die mit ihren Büchern sehr erfolgreich ist. In den nächsten Tagen kommen schwierige Verhandlungen mit ihrem Literaturagenten auf sie zu. Seine Vorliebe für den Werberummel, der aus jeder Lesung gleich einen Event macht, geht ihr gehörig auf die Nerven. Am liebsten würde sie diese Zusammenarbeit beenden.

Sie denkt auch über den Erfolg ihres ersten Romans nach, mit dem ihr vor einigen Jahren der Durchbruch gelang. Darin verarbeitete sie den unerwarteten Tod eines guten Freundes ihres Mannes. Die beiden Musiker haben mit ihren Geigen einzigartig gespielt, in solchen Höhen, "wo kaum einer mit seiner Geige je hinkommt, und der Himmel war völlig leer, ganz einfach leer, alle Geigen abgehängt, nur die beiden allein, die Erde war weg und vom Himmel aus nicht zu sehen, keine Schwerkraft, keine Ursache, keine Wirkung, kein Missverständnis, nur kalt war es, dass einem das Blut in den Adern gefror."

Doch es ist ein wenig viel Stoff geworden, den Birgit Vanderbeke auf 130 Seiten untergebracht hat und ihre sehr schönen, poetischen Sätze, für die sie bekannt und vielfach ausgezeichnet wurde, rutschen häufig ab in pure Geschwätzigkeit. Um Gegenwart zu erzeugen, ist es nicht nötig, von Harry Potter bis zu Nutella, von "Wer wird Millionär" bis zum Besuch eines Sushi - Restaurants alle zeitgeistigen modischen Elemente zum Einsatz zu bringen. Wobei die ständigen Wortwiederholungen sehr störend sind, denn so oft will der Leser einfach nicht mit dem Kopf auf immer gleiche Zusammenhänge gestoßen werden. Und nur weil sich "Tonspuren zu Soundtracks, Filme zu Clips, aus Verrat Mobbing wird und die Wirklichkeit sich in eine Fiktion" verwandelt, kann die Gesellschaft noch nicht in ihren Grundfesten erzittern und die "Zukunft in Steinzeit" mutieren.

Davon abgesehen, sind inhaltlich grobe Schnitzer enthalten, die besser vom zuständigen Lektor ausgemerzt worden wären. Es ist nun einmal so, dass die Hauptstadt der Niederlande Amsterdam und nicht Den Haag heißt.

Schade, von Birgit Vanderbeke waren ihre Leser bisher viel Besseres gewohnt. © manuela haselberger


Birgit Vanderbeke - abgehängt
2001, Frankfurt, S. Fischer Verlag, 128 S.
2002, Frankfurt, S. Fischer Verlag, 128 S., 7.90 Euro>

als Buch bestellen


als Audiobook (2 Cassetten) bestellen

als Audiobook (3 CDs) bestellen


Fortsetzung des Lesezitats ...

Auf dem Rückweg fing es an zu regnen. Die Einkaufsstraßen sind dann trotzdem voller Leute, aber die anderen waren leer. Jedenfalls waren hinter mir keine Schritte zu hören. Trotzdem hatte ich dieses kalte Gefühl im Rücken, als wenn mich einer von hinten ansehen oder mir folgen würde. In den meisten Fenstern war inzwischen Licht. Ich fand es beruhigend, ein-fach weil ich es als Kind immer beruhigend gefunden haue, obwohl ich längst wußte, daß es nicht beruhigend ist.
Als Kind dachte ich, hinter jedem erleuchteten Fenster steht sowas wie ein Weihnachtsbaum, aber schon als Kind wußte ich, wie Weihnachten ist, und war also skeptisch. Trotzdem fand ich erleuchtete Fenster beruhigend. S. 10 Inzwischen war Eddie tot, Mike war in München, Queeny war längst nicht mehr in Europa, Simmy war vier, ich hatte das Studium fertig und den Zirkus mit »Als ob« hinter mir und nur die Hälfte verstanden, und eines Tages sagte Serge, laß uns die Côte d`Azur-Tour machen, und ich erschrak, weil nichts mehr so war wie vorher. Serge hatte die senkrechte Falte zwischen den Augenbrauen, die er seither immer hat, sobald er die Geige in die Hand nimmt.
Das Fernsehen hatte schon seit längerer Zeit die Wirklichkeit übernommen. Es waren nicht nur die Schranken zwischen E und U etwas gelockert worden, sondern ganz andere Mauern gänzlich gefallen, jede Menge Ursachen hatte jede Menge Wirkungen gehabt, von denen keiner auch nur das geringste begriff, weil alles anfing, sehr schnell zu gehen und sich sehr schnell von Zukunft in Steinzeit zu verwandeln, Wörter wur den einander hinterhergejagt und durch neue Wörter ersetzt, aus Tonspuren wurden Soundtracks, aus Filmen Clips, aus Verrat wurde Mobbing, aus Wirklichkeit wurde Fiktion, und Meyer-Bromberger, der in der Zeit bei uns auftauchte, um zu sehen, was man in Sachen »Als ob« für mich tun könnte, nachdem er gehört hatte, daß Simmy vier war und ich folg-lich beschräkt sein müßte, wo doch Serge seit zwei Jahren nicht mehr spielte, Meyer-Bromberger also hatte Luigi Nono längst vergessen, von John Cage hatte er rückwirkend niemals auch nur den Namen gehört.S. 106

Lesezitate nach Birgit Vanderbeke - abgehängt













weitere Titel von
Birgit Vanderbeke:
Taschenbuch


Ich will meinen Mord

© 1998


Das Muschelessen

© 1997


Alberta empfängt einen Liebhaber

© 1999


Alberta empfängt einen Liebhaber
mit CD

© 1999


Gut genug

© 1999

 Bookinists
 amazon shop

  hier klicken

gebunden



Alberta empfängt einen Liebhaber

© 1999


Ich sehe was, was du nicht siehst

© 1999

Audiobooks



Alberta ...

© 1998


Ich sehe was ...

© 2000


Das Muschelessen

© 2000


© 13.3.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de