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Drei Kartons mit dem Aufdruck »La Grange Neuve de Figeac« standen auf der Kaimauer, gleich neben dem eisernen Poller, an dem die Fähre vertäut wurde. Er war der einzige Tourist auf dem Schiff gewesen, bei allen anderen handelte es sich um Einheimische, die ohne viel Gepäck reisten und sogleich zu ihren in der Nähe abgestellten Autos oder Fahrrädern eilten. Auch die Fähre hielt sich nicht lange auf und drehte nach kurzer Zeit wieder ab. Obwohl es August war und auf dem Europäischen Festland eine Hitzewelle herrschte, regnete es auf der Insel. In Glasgow, wo er umgestiegen und mit einem sogenannten Airshuttle bis auf die Insel Skye weitergeflogen war, hatte es ebenfalls geregnet. Nur während der Überfahrt von Skye nach Lewis blieb es trocken, so daß er die meiste Zeit an Deck verbracht und auf die Küstenlandschaft mit ihren grünen Weiden und den zumeist bescheidenen weißen Häusern geschaut hatte, deren einzige Auffälligkeit darin bestand, daß sie zwei Kamine besaßen. Sobald er an Land gegangen war, setzte auch der Regen wieder ein. Das schlechte Wetter machte ihm nicht viel aus, er wußte, was ihn in Schottland erwartete, und hatte genügend wetterfeste Kleidung dabei. Er würde allerdings noch lernen, daß ein ...


Lesezitat nach Hans-Ulrich Treichel - Tristanakkord, S.


Tristanakkord
Hans-Ulrich Treichel - Tristanakkord

Georg Zimmer, arbeitsloser Germanist und angehender Doktorand in Berlin, ist froh, als er für einen Freund einspringen kann, der ihm eine höchst interessante Arbeit vermittelt.

Der bekannte Komponist Bergmann sucht einen Autor, der ihm beim Verfassen seiner Memoiren behilflich ist. Noch dazu ist dieser Auftrag mit Reisen zunächst nach Schottland, später New York und Sizilien verbunden, dort hält sich Bergmann jeweils für einige Wochen auf. Doch neben dem egozentrischen Komponisten verschwindet der schüchterne, zurückhaltende und wenig selbstbewußte Georg nahezu. Er ist hin- und hergerissen zwischen grenzenloser Bewunderung und tiefer Verachtung für den Maestro, der jeder Marotte und Schrulle, die ihm in den Kopf kommt, sofort nachgibt.

Wobei sein Talent in Frage gestellt ist, denn Georg hat ihn nie mehr als einen Akkord am Klavier spielen hören. Allerdings sind Georgs Kenntnisse in der Klaviermusik nicht gerade profund. "Der Tristanakkord war der einzige Akkord, den Georg dem Namen nach kannte. Darum neigte er auch dazu, immer wenn er Wagner oder etwas Wagnerähnliches und einen sehnsüchtig - traurigen und irgendwie unerlösten Akkord hörte, sofort zu sagen: "Der Tristanakkord"."

Nach dem Erfolg des vorangegangenen, hervorragenden Romans von Hans-Ulrich Treichel, "Der Verlorene", war die Erwartung an sein neues Buch natürlich sehr hoch. Vielleicht zu hoch. Leider enttäuscht Treichel seine Leserschaft mit dem "Tristanakkord". Die Beziehung zwischen den beiden ungleichen Männern bleibt blaß und gekünstelt. Der ganze Roman ist ein blutleeres Konstrukt, sehr bemüht, aber inhaltlich nicht überzeugend. Es beschleicht den Leser der Verdacht, dass Treichel sich ein Thema gesucht hat, das ihn schon während des Schreibens selbst nicht mehr interessiert hat. Schade.



Hans-Ulrich Treichel - Tristanakkord
2000, Frankfurt, Suhrkamp Verlag, 236 S.,

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 17.2.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger