Maarten’t Hart - Bach und ich (mit CD) (Buchtipp/Rezension/lesen)
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Im Reich der Musik gibt es zwei Komponisten, die - mit dem 1. Buch Samuel 10,23 zu sprechen - "um eines Hauptes größer sind als alles Volk". Turmhoch überragen Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart ihre komponierenden Zeitgenossen. Auch nach ihnen sind, ohne Beethoven, Schubert, Wagner und Verdi herabsetzen zu wollen, nie wieder Komponisten hervorgetreten, die ihrer Genialität das Wasser reichen konnten. Während jedoch seit Mozarts frühester Kindheit allgemein erkannt wurde, daß man es mit einem unvergleichlichen, überlegenen Talent zu tun hatte, und auch Mozart selbst sich seiner einmaligen Größe durchaus bewußt war, nahm man zu Bachs Lebzeiten dessen kolossales Talent kaum zur Kenntnis. Fraglich ist außerdem, ob es Bach selbst jemals zu Bewußtsein gekommen ist, daß er zu den größten Genies der Menschheit zählte. S. 7

Und doch müssen wir uns im Fall Bachs damit abfinden, daß drei von fünf Passionen und möglicherweise mehr als hundert der insgesamt dreihundert Kirchenkantaten unwiederbringlich verloren sind. Dies bedeutet, daß wir niemals wissen werden, wie groß Bach in Wirklichkeit war.
S. 8

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Lesezitat nach Maarten’t Hart - Bach und ich (mit CD), S.




Musikgeschichte
für Kinder:


ArsEdition: Musik




Bach und ich (mit CD)
Maarten’t Hart - Bach und ich (mit CD)

Dass der niederländische Autor ein Liebhaber Bachs ist, das ist seit seinem Bestseller "Das Wüten der ganzen Welt" kein Geheimnis.

Nun verbeugt er sich erneut vor dem verehrten Meister. Von allen Seiten beleuchtet er den genialen Musiker.
Zunächst als Organisten, sowie Komponisten und auch als Vater und Lehrer.

Der zweite Teil der Biografie widmet sich den vielen, häufig noch immer unbekannten Kantaten, den Suiten, Sonaten, den Violinkonzerten und dem Wohltemperierten Klavier.

Auf einer CD hat er seiner Klavierschule in Worten dreizehn Musikstücke hinzugefügt.
Literarisch und musikalisch: Hochgenuss vom Feinsten.


Maarten’t Hart - Bach und ich (mit CD)
aus dem Niederländischen von Maria Csollány
Originaltitel: © 2000, "-"
2000, Zürich-Hamburg, Arche Verlag, 364 S. incl. CD

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Fortsetzung des Lesezitats ...

All dies bedeutet, daß niemand sich je rühmen kann, ein wirklicher Bach-Kenner zu sein. Wir wissen zuwenig. Wir kennen nicht seine gesamte Musik. Auch über sein Leben sind wir, so viele umfangreiche Biographien auch erschienen sind, sehr schlecht unterrichtet. Über Bachs Kindheit sind wir, wie Friedrich Blume bemerkt, "auf Vermutungen angewiesen". Bis zu den Jahren in Arnstadt tappen wir im dunkeln.

Wir wissen, daß Johann Sebastian Bach am 21.März 1685 in Eisenach geboren wurde, daß er mit neun Jahren zuerst die Mutter, dann den Vater verlor und bei seinem älteren Bruder in Ohrdruf aufwuchs. Aus den Ohrdrufer Jahren ist uns, außer daß er im Gymnasium zu den besten Schülern gehörte, nur die anrührende Geschichte überliefert, daß er nachts heimlich Musikstücke abschrieb, die sein Bruder in einem verschlossenen Schrank aufbewahrte. S. 9

Toccata

Einen anderen Einblick gewährt uns die unvergeßliche Geschichte des Rektors Johann Matthias Gesner, auf lateinisch geschrieben und in einer Fußnote versteckt in der Ausgabe der Institutiones oratoriae des Marcus Fabius Quintillianus. "Dies alles würdest Du, Fabius, völlig unerheblich nennen, wenn Du, aus der Unterwelt heraufbeschworen, Bach sehen könntest - um nur ihn anzuführen, denn er war vor nicht allzu langer Zeit mein Kollege an der Leipziger Thomasschule; wie er mit beiden Händen und allen Fingern etwa unser Klavier spielt, das allein schon viele Katharai in sich faßt, oder jenes Grund-Instrument, dessen zahllose Pfeifen von Bälgen angeblasen werden, wie er hier mit beiden Händen, dort mit schnellen Füßen über die Tasten eilt und aIlein gleichsam Heere von ganz verschiedenen aber doch zueinander passenden Tönen hervorbringt; wenn Du ihn sähest, sag ich, wie er bei einer Leistung, die mehrere Eurer Kitharisten und zahllose Flötenspieler nicht erreichten, nicht etwa nur eine Melodie singt wie der Kitharöde und seinen eigenen Part hält, sondern auf alle zugleich achtet und von 30 oder gar 40 Musizierenden diesen durch ein Kopfnicken, den nächsten durch Aufstampfen mit dem Fuß, den dritten mit drohendem Finger zu Rhythmus und Takt anhält, dem einen in hoher, dem andern in tiefer, dem dritten in mittlerer Lage seinen Ton angibt; wie er ganz allein mitten im lautesten Spiel der Musiker, obwohl er selbst den schwierigsten Part hat, doch sofort merkt, wenn irgendwo etwas nicht stimmt; wie er alle zusammenhält und überall abhilft und wenn es irgendwo schwankt, die Sicherheit wiederherstellt; wie er den Takt in allen Gliedern fühlt, die Harmonien alle mit scharfem Ohre prüft, allein alle Stimmen mit der eigenen begrenzten Kehle hervorbringt ...." S. 14

 

Johann Sebastian Bach, der Jüngste der Geschwisterschar, war ein Nachkömmling. Seine Mutter, geboren am 24. Februar 1644 war bereits 41 Jahre alt, als er am 21.Maärz 1685 in Eisenach geboren wurde. Neun Jahre später starb sie. Sein Vater,Johann Ambrosius Bach, heiratete in zweiter Ehe eine Frau, diese selbst zweimal verwitwet war. Sie brachte ein mit Sebastian gIeichaltriges Töchterchen in die Ehe. Kurz darauf - Sebastian war noch immer neun Jahre alt- starb auch Ambrosius. Die nun schon zum drittenmal verwitwete Frau war offenbar außerstande, für Johann Sebastian zu sorgen.S. 21

Der zweite Brief an Erdmann ist das kostbarste persönliche Dokument, das wir von Johann Sebastian Bach besitzen.

"Hoch Wohlgebohrner Herr.

Ew: Hochwohlgebohren werden einem alten treüen Diener bestens excusieren, daß er sich die Freyheit nimmet Ihnen mit diesen zu incommodiren. Es werden nunmehr fast 4 Jahre verfloßen seyn, da E: Hochwohlgebohren auf mein an Ihnen abgelaßenes mit einer gütigen Antwort mich beglückten; Wenn mich dann entsinne, daß Ihnen wegen meiner Fatalitäten einige Nachricht zu geben, hochgeneigt verlanget wurde, als soll solches hiermit gehorsamst erstattet werden. Von Jugend auf sind Ihnen meine Fata bestens bewust, biß auf die mutation, so mich als Capellmeister nach Cöthen zohe. Daselbst hatte einen gnädigen und Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten; bey welchem auch vermeinete meine Lebenszeit zu beschließen. Es muste sich aber fügen, daß erwehnter Serenißimus sich mit einer Berenburgischen Princeßin vermählete, da es denn das Ansehen gewinnen wolte, als ob die musicalische Inclination bey besagtem Fürsten in etwas laulicht werden wolte, zumahln da die neüe Fürstin schiene eine amusa zu seyn: so fügte es Gott, daß zu hiesigem Directore Musices u. Cantore an der ThomasSchule vociret wurde. Ob es mir nun zwar anfänglich gar nicht anständig seyn wolte, aus einem Capellmeister ein Cantor zu werden, weßwegen auch meine resolution auf ein vierthel Jahr trainirete, jedoch wurde mir die-se station dermaßen favorable beschrieben, daß endlich (zumahln da meine Söhne denen studiis zu incliniren schienen) es in des Höchsten Nahmen wagete, u. mich nacher Leipzig begabe, meine Probe ablegete, u. so dann die mutation vornahme. Hieselbst bin nun nach Gottes Willen annoch beständig. Da aber nun (1) finde, daß dieser Dienst bey weitem nicht so erklecklich als mann mir Ihn beschrieben, (2) viele accidentia dieser station entgangen, (3) ein sehr theürer Orth u. (4) eine wunderliche un der Music wenig ergebene Obrigkeit ist, mithin fast in stetem Verdruß, Neid und Verfolgung leben muß, als werde genöthiget werden mit des Höchsten Beystand meine Fortun anderweitig zu suchen. Solten Eu: Hochwohlgebohren vor einen alten treüen Diener dasiges Ohrtes eine convenable station wißen oder finden, so ersuche gantz gehorsamst vor mich eine hochgeneigte reccomendation einzulegen; an mir soll es nicht manquiren, daß dem hochgeneigten Vorspruch und interceßion einige satisfaction zu geben, mich bestens beflißen seyn werde. Meine itzige station belaufet sich etwa auf 700 rthl., und wenn es etwas mehrere, als ordinairement, Leichen gibt, so steigen auch nach proportion die accidentia; ist aber eine gesunde Lufft, so fallen hingegen auch solche, wie denn voriges Jahr an ordinairen Leichen accidentia über 100 rthl. Einbuße gehabt. In Thüringen kan ich mit 400 rthl. weiter kommen als hiesiges Ohrtes mit noch einmahl sovielen hunderten, wegen der exceßiven kostbahren Lebensarth. Nunmehro muß doch auch mit noch wenigen von meinem häuslichen Zustande etwas erwehnen. Ich bin zum 2ten Mahl verheurathet und ist meine erstere Frau seelig in Cöthen gestorben. Aus ersterer Ehe sind am Leben 3 Söhne u. eine Tochter, wie solche Eu. Hochwohlgebohren annoch in Weimar gesehen zu haben, sich hochgeneigt erinnern werden. Aus 2ter Ehe sind am Leben 1 Sohn u. 2 Töchter. Mein ältester Sohn ist ein Studiosus Juris, die andern beyden frequentiren noch, einer primam der andere 2dam Classem, u. die älteste Tochter ist auch noch unverheurathet. Die Kinder anderer Ehe sind noch klein, u. der Knabe als erstgebohrener 6 Jahre alt. Insgesamt aber sind sie gebohrne Musici, u. kan versichern, daß schon ein Concert Vocaliter u. Instrumentaliter mit meiner Familie fomiren kan, zumahln da meine itzige Frau gar einen sauberen Soprano singet, auch meine älteste Tochter nicht schlimm einschläget. Ich überschreite fast das Maaß der Höflichkeit wenn Eu: Hochwohlgebohren mit mehreren incommodire, derowegen eile zum Schluß mit allem ergebensten respect zeit Lebens verharrend

Eu: Hochwohlgebohren

ganz gehorsamst-ergebenster Diener

Joh: Sebast: Bach.

Leipzig. den 28. Octobr. 1730 S. 70-73




Zeitlebens war ich mir keinen Augenblick lang unsicher, wenn man mich fragte, welche Bachs ergreifendste Komposition sei. Ohne jeden Zweifel die Matthäus-Passion. Weder an Umfang noch an Tiefe oder bewegender Kraft gibt es ein Werk, das sich damit vergleichen läßt. Außer der Chaconne natürlich, dem kürzesten Meisterwerk, das Bach komponiert hat, und der Sarabande aus der 5. Cellosuite (BWV 1011). Nur neunzehn Takte, aber von unübertroffener Ausdruckskraft. S. 150

 


Lesezitate nach Maarten’t Hart - Bach und ich (mit CD)


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 24.7.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
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