Andrzej Szczypiorski - Feuerspiele (Buchtipp/Rezension/lesen)
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An jenem Abend, als Monika, seine Frau, gestorben war - mit der er viele schöne und unbeschwerte Jahre verlebt hatte, um nun zum Schluß, wegen ihrer Krankheit, großes Leid zu erfahren -, betrat Jan den dunklen Raum auf dem Dachboden des Hauses, wo sie seit langem wohnten, machte sorgfältig die Tür hinter sich zu, setzte sich in den abgewetzten Sessel und beschloß zu sterben.


Was er in der Stunde nach dem Tod seiner Frau tat, wiederholte er dann über lange Wochen hinweg mit einer steten Regelmäßigkeit, die seinen Schmerz linderte. Es gab Tage, da wartete er ungeduldig auf die Dämmerung und darauf, daß es still wurde im Haus, stieg dann völlig im Dunkeln, vorsichtig, um jegliches Knarren zu vermeiden, die Stufen hoch, betrat den Dachboden des Hauses, machte die Tür hinter sich zu, fand tastend den alten riefen Sessel und ließ sich schwerfällig darin nieder. Schweigend, fast andächtig wie beim Gebet, saß er da und forderte vom Tod, er möge kommen und ihn von dieser Welt abholen. So verharrte er fast reglos manchmal eine Stunde, manchmal sogar länger, Tag für Tag, Woche für Woche, aber der Tod kam nicht; denn er bestimmt immer selbst den Augenblick seines Besuches und erscheint niemals auf Bestellung, es sei denn, ein Mensch zwingt ihn herbei. Aber Jan wollte sich nicht das Leben nehmen, da er das für einen Akt der Feigheit und der Flucht vor dem ihm vom Schicksal auferlegten Leid hielt. S. 5-6
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Lesezitat nach Andrzej Szczypiorski - Feuerspiele


Feuerspiele
Andrzej Szczypiorski - Feuerspiele

"Feuerspiele" ist das reife Alterswerk des bekannten polnischen Schriftstellers, das posthum erscheint. Noch einmal greift Szczypiorski die großen Themen seines Schaffens auf, wenn er den Fürsten Kyril, einen in Paris lebenden Exilrussen, den Amerikaner Wilson und den Ungarn Dr. Kovacs zusammenführt.

Sie haben vor in einer gigantischen Ausstellung die schönsten Kunstschätze Europas zu zeigen. Gleichzeitig planen sie dabei einen Versicherungsbetrug erster Klasse.

Meisterhaft erzählt Szczypiorski von Gewissenlosigkeit und Gerechtigkeit, Verachtung und Mitgefühl.

Ein großer Roman über das vergangene 20. Jahrhundert.

Andrzej Szczypiorski - Feuerspiele
aus dem Polnischen von Barbara Schaefer
Originaltitel: © 1999, "Gra z ogniem"
2000, Zürich, Diogenes Verlag, 363 S., ehem.
2002, Zürich, Diogenes Verlag, 363 S., 11.90 €

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Sie war fünfzehn, vielleicht auch sechzehn Jahre alt und hatte einen angewidert verzogenen Mund und einem abschätzigen Gesichtsausdruck. Noch bevor er sich ihr genähert hatte, rief sie ihm schnippisch zu: "Du willst mich sicher vögeln, du Arsch . . ."

Er empfand ein Gefühl der Entweihung, so als habe jemand in seiner Gegenwart in einen Meßkelch gespuckt. Aber sie kannte nur ihre eigene Welt, so war ihr Leben, also sagte sie in ihrem aggressiven Tonfall: "Mein Arsch ist nicht für dich, du Lackaffe ...."
Und schon war sie zwischen den Leuten verschwunden, die den Bürgersteig bevölkerten.

Ausgerechnet da, genau in dem Moment - was ihm später merkwürdig und krank vorkam - als das Mädchen in der Menschenmenge der Straße verschwunden war, erlebte Jan zum ersten Mal nach Monikas Tod wieder sinnliche Begierde, gemischt mir Furcht und Ekel. S. 11 "Ich halte es nicht für gut, die Entscheidung hinauszuschileben", sagte Graham Wilson III., während des Telefongesprächs mit dem Fürsten Kyrill, "Zwei Monate bevor die Vorbereitungen zur Ausstellung in Bad Kranach begannen. "Falls Sie irgendwelche Bedenken haben, dann rate ich Ihnen ab, die Sache überhaupt anzupacken." S. 16

Graham Wilson IlI. betrachtete gern seine Welt aus einer gewissen Höhe, ähnlich dem Herrgott selbst,der sich über den Wolken aufhält, unsichtbar und allgegenwärtig. Indem er den Wolkenvorhang leicht beiseiteschiebt, kann er in jedem Augenblick das von ihm Erschaffene begutachten. Vielleicht auch, und das zeugt vom Verstand des Ewigen, sich sehr genau anschauen, was einzelne treiben. Ob sie sich so benehmen, wie es sich gehört, oder ob im Gegenteil die Art und Weise ihres Verhaltens einiges zu wünschen übrig Iäßt. Graham Wilson III. verhielt sich also gottähnlich. S. 48

Und jeder Mensch hat ja nur das eine, sehr kurze Leben. Semjaschkin hatte das begriffen, ging daher überlegt, ruhig, vielleicht sogar ein wenig träge vor, denn er war Herr über die Zeit, und wer das ist, der kann mehr erreichen, als es sich Philosophen jemals hätten träumen lassen. S. 137

In seinem Benehmen war Semjaschkin grob, aber das rührte nicht von seinem Charakter her, sondern von der Gewohnheit. Das Schicksal hatte es gewollt, daß er lange Zeit den Menschen mit Härte und Verachtung hatte begegnen müssen, was ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, und stets hatte er irgendeinen deftigen Fluch auf denLippen. S. 143

"Aber lieber Herr Laski", rief Dr. Skowronek. "Darauf beruht doch das Ganze, daß gegenwärtig fast alle fast alles haben."
"Genau", erwiderte Laski und zog an der Zigarette. "Das Wort ´fast´ klingt wie der Schrei von einem Kerl, dem man die Kehle durchschneidet. Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Doktor."
S. 297




"Wohin?"
"Auf die andere Seite", erwiderte sie. "Und dann über eine Treppe nach unten."

"Mein Gott", sagte er. "Was ist dort?"
"Ein Hof. Etwas weiter ein Tor zur Straße. Auf der linken Seite ist eine Schreinerei, in der wir warten können. Der Schreiner ist ein anständiger Mensch. Ein Säufer. Und er verprügelt oft seine Kinder. Aber er ist ein anständiger Mensch." S. 363


Lesezitate nach Andrzej Szczypiorski - Feuerspiele


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 8.09.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger

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