Gail Sheehy - Hillary (Buchtipp/Rezension/lesen)
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Wenn sie belagert wird, steht sie früh auf, zieht sich schnell an und stellt ihre Gefühle ab. Die Wut im Bauch wird unterdrückt.
Herz wird von Verstand getrennt. Ihre Stellung macht es unumgänglich, ihre unpolitische Washingtoner Hairstylistin Isabel kommen zu lassen, die ihr teuer blondiertes Haar mit Gel und Haarspray zu einem unverwüstlichen Helm zurechtföhnt. Sie verzichtet darauf, die Zeitungen zu lesen, und sieht auch nicht fern. Sie will nicht mehr über das skandalöse Verhalten ihres Mannes wissen als unbedingt nötig.

Am Dienstag, den 27. Januar 1998, knapp eine Woche nach dem Feuersturm von Verdächtigungen gegen den Präsidenten und eine schwarzhaarige Praktikantin mit einer unvergesslichen Baskenmütze, kümmert sie sich nicht um das Make-up. Die Visagisten der Today-Show wissen, wie man aus einer angespannten First Lady eine gelassene macht (oder, ein Jahr später, aus einer koketten Praktikantin eine seriöse Autorin). Es ist fünf Uhr früh; Hillary Rodham Clinton läuft in ihrer Suite im WaldorfAstoria hin und her undd bereitet sich auf einen weiteren entscheidenden Fernsehauftrit vor, der den völligen Absturz Bill Clintons entweder verhindern oder beschleunigen kann. S. 16


Lesezitat nach Gail Sheehy - Hillary



Bookinists Buchtipp

B I L D B A N D


Spuren der Macht

von Herlinde Koelbl
mit Bildern von Fischer, Schröder u.a




Hillary
Gail Sheehy - Hillary


Hillary Clinton ist eine schwierige Frau, doch es soll keiner sagen, sie hätte es in ihrem Leben leicht gehabt oder es sich leicht gemacht.

Das ehrgeizige junge Mädchen, das aus einem Elternhaus stammt, in dem für den Vater nichts anderes zählt als absolute Spitzenleistung, hat, als Bill Clinton in der Bibliothek von Yale in ihr Leben trat, beruflich alle Chancen offen. Sie arbeitet nach ihrem Abschluss in einer angesehenen Kanzlei als erfolgreiche Anwältin. Doch sie entscheidet sich, ihre eigene Karriere zurückzustellen und ihren Mann in seinen politischen Ambitionen zu unterstützen. Und das mit aller Macht und den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Für Schwächen, denen ihr Mann nur allzu gern und allzu oft nachgibt, (seine Leidenschaft für Frauen ist in ihrer Beziehung von Anfang an bekannt), ist bei ihr kein Platz.

Mit ihrem rigorosen Einsatz schafft sie es, zur First Lady Amerikas aufzusteigen. Als Frau in vorderster Linie vereint sie Beruf und Familie, denn sie lässt sich in ihrer Rolle nicht auf Repräsentationspflichten reduzieren. Gleichzeitig wird sie durch Monica Lewinsky zur bekanntesten betrogenen Ehefrau der Welt. Für die Medien ein gefundenes Fressen.

Die amerikanische Journalistin Gail Sheey geht in ihrer kurzweilig geschriebenen Biografie "Hillary" den Fragen nach, was es für gegenseitige Abhängigkeiten in dieser komplizierten Ehe gibt und wie sie verteilt sind. Auch den interessanten Aspekt, warum Hillary, nachdem sie öffentlich gedemütigt wurde, trotzdem an ihrer Ehe festhält, beleuchtet Sheey.

Es kristallisieren sich am Ende des Buches zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten heraus, die ohne einander nicht leben können, doch Hillary hat es mit einem riesigen Kraftakt geschafft, nach der Präsidentschaft ihres Mannes nicht in der Vergessenheit zu versinken. Mit über fünfzig Jahren packt sie entschlossen ihre eigene politische Karriere an. Sie kandidiert in New York für den Senat. "Frauen werden mit zunehmendem Alter unabhängiger, aggressiver, politischer." Hoffentlich auch erfolgreicher. © manuela haselberger

Gail Sheehy - Hillary
aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Renate Weitbrecht
Originaltitel: © 1999, "Hillary´s Choice"
38 sw-Fotografien
2000, Reinbek, Rowohlt Verlag, 351 S.
2001, Reinbek, Rowohlt Verlag, 351 S., Taschenbuch

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Hillary wollte nicht erwachsen werden.
Wer hätte das an ihrer Stelle gewollt? Ihre Welt war wunderschön und bot Schutz wie die Ulmen, deren Kronen wie ein Dach über die Straßen des Viertels ragten.

Hillary pflegte stundenlang in der Sonne herumzutanzen. Sie stellte sich vor, dass sie der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, dass alle anderen verschwanden, wenn sie herumwirbelte. Doch das Beste an diesem Spiel war die Vorstellung, dass Gott das Sonnenlicht extra für sie herabsandte und dass «himmlische Filmkameras jede meiner Bewegungen beobachteten».

Sie sah sich selbst immer als Star.
Die Welt der Rodhams war ein vorstädtischer Brutkasten für Mittelklasseambitionen. Es war eine anheimelnde gepflegte Wohngegend mit schmucken, einander gleichenden Häusern, die als Schlafstätten für arbeitende Väter dienten, die jeden Tag ins 45 Minuten entfernte Chicago pendelten.
«Damals blieben Mütter zu Hause», erinnert sich Hillarys alter Geschichtslehrer Paul Carlson wehrnütig. «Väter konnten genug Geld verdienen, um die Familie zu ernähren. Mütter taten, was von ihnen erwartet wurde; sie schufen eine behagliche Atmosphäre für die Kinder und die Ehemänner.» Die Mütter von Park Ridge warteten immer auf das eigentliche Leben.

In diesem Vorort wohnten nur Weiße, die fast alle Protestanten angelsächsischer Herkunft waren. Sie gehörten der neuen Klasse von Nachkriegsamerikanern an, die den Suburbia-Traum erfanden. Der Republikanismus war in Park Ridge so fest verwurzelt wie die amerikanischen Ulmen. Wenn jemand die Demokraten wählen wollte, brach jedes Mal Hektik aus, weil man erst nach einem Stimmzettel für den Sonderling suchen musste.
Hillarys frühe Kindheit wird als idyllisch beschrieben. Sie erlebte sie als Mitglied einer Gemeinschaft von mehreren Dutzend Kindern, «die alle gleichzeitig aufwuchsen, zwischen den Gärten hinter den Häusern hin und her liefen, Limonade verkauften, sich beim Schlittschuhlaufen die Knöchel verstauchten und Halma und Dame spielten, während sie ihre Krankheiten auskurierten». Sie sahen sich im Pickwick-Theater 25-Cent-Filme an und tranken anschließend Cola in Ted & Pearl's Happy House. Nur selten fuhr die junge Hillary im Fond des Cadillacs ihres Vaters in ihre Geburtsstadt Chicago. Der Zweck dieser «Exkursionen» war, ihr und ihren Brüdern die verwahrlosten Penner in den heruntergekommenen Vierteln Chicagos zu zeigen, «damit sie sahen, was aus Leuten wurde, die seiner Ansicht nach nicht die Selbstdisziplin und die Motivation besaßen, um ihr Leben in geordneten Bahnen zu halten», wie Hillary die Philosophie ihres Vaters später in ihrem Buch Eine Welt für Kinder beschrieb. Hugh Rodham fuhr wie seine Nachbarn jeden Morgen nach Chicago und kehrte in der Abenddämmerung zurück, doch im Gegensatz zu den meisten von ihnen übte er keinen akademischen Beruf aus. Von Hillarys Spiel- oder Klassenkameraden wusste niemand genau, womit Mr. Rodham sein Geld verdiente. Die meisten gingen einfach davon aus, dass er einem höheren Berufsstand angehörte, doch in Wirklichkeit war Mr. Rodham ein Händler. S. 32-33

Die Clintons haben den Begriff der compartmentalization, des «Wegpackens» von Problemen, populär gemacht. Diese Verdrängungstechnik war für Bill eine Notwendigkeit des psychischen Überlebens. Wie er einmal einem Interviewer gestand, steckte er die Vorwürfe der sexuellen Belästigung, die Paula Jones' Anwälte gegen ihn erhoben, «in eine kleine Schachtel». In dieser Art der Selbstverteidigung hatte ihn seine Mutter gut geschult, die sich in ihren Memoiren als das unschuldige Opfer einer Kampagne «verschiedener Kräfte» beschreibt, die «30 Jahre lang versuchten, meine Karriere zu ruinieren».

Diese Weltsicht wurde von ihrem Sohn sehr gut internalisiert. Wenn etwas Schlimmes passiert, paukte Virginia ihren zwei Jungen ein, unterzieht euch einfach selbst einer Gehirnwäsche und verbannt es aus eurer Erinnerung. «Baut einen luftdichten Behälter», brachte sie ihnen bei. «In dem bewahre ich alles auf, worüber ich nicht nachdenken will. Drinnen ist es weiß, draußen ist alles schwarz ... Der Behälter ist hart wie Stahl.»

Hillary Clinton hat diese Strategie übernommen: «Wir packen sie weg», sagte sie über ihre Probleme. «Wir können es einfach nicht zulassen, dass sich andere Leute mit ihren eigenen Anliegen in unser privates und öffentliches Leben und unsere Aufgaben einmischen. Deshalb packt mein Mann jeden Tag Probleme weg. S. 105

Als sich abzeichnete, dass eine Entscheidung für das Arntsenthebungsverfahren im Plenum des Repräsentantenhauses Mitte Dezember praktisch nicht mehr zu vermeiden war, reagierte der Präsident nach Aussage politischer Freunde mit «ungläubigem Staunen». Erst am Vorabend der ersten Abstimmung im Repräsentantenhaus über die Einleitung eines Impeachments seit 130 Jahren brach die Partnerin des Präsidenten ihr monatelanges Schweigen mit einem schüchternen öffentlichen Appell, mit Beginn der Ferien «die Spaltung zu beenden». Während Bill Glintons engste Mitarbeiter ihn offen «als völlig vernichtet» bezeichneten und die Demokraten im Repräsentantenhaus bereits wild über seinen Rücktritt spekulierten, erhob sich Hillary wieder einmal wie eine Löwin. Sie konnte es nicht zulassen, dass die Dämonen ihres Mann mit ihm auch sie zugrunde richteten und Bill Clinton zusammen mit Richard Nixon als in Schande abgetretener Präsident in die Annalen eingehen würde.
Am frühen Morgen jenes schicksalhaften 19. Dezember raste sie in einem Wagen aus dem Fuhrpark des Präsidenten zum Capitol, um den verzagten Demokraten im Repräsentantenhaus Mut einzuflößen. Trotzig wie immer beschuldigte die First Lady - die bei den Demokraten im Kongress inzwischen viel populärer war als ihr Mann - die Republikaner, eine Politik der persönlichen Vernichtung zu treiben. Sie wurde ein halbes Dutzend Mal mit stehendem Beifall belohnt, und mehrere Abgeordnete umarmten sie. Zuvor war an die Demokraten im Repräsentantenhaus die Einladung ergangen, unmittelbar nach der Abstimmung ins Weiße Haus zu kommen, doch es sah so aus, als ob fast niemand kommen wollte. Also hatte Hillary beschlossen, sie mit Charlie Rangels Hilfe an die Einladung zu «erinnern». «Als es so aussah, als sollte die Sitzung verschoben werden», sagt Rangel, «machte ich den Vorschlag, wir sollten alle ins Weiße Haus gehen, um unsere Unterstützung für den Präsidenten zum Ausdruck zu bringen und ihm zu sagen, dass er einen Rücktritt nicht einmal in Erwägung ziehen sollte.»
«Wunderbar», stimmte Hillary zu, als ob die Idee nagelneu gewesen wäre. «John Podesta, Sie tun auf jeden Fall, was Sie tun müssen », wies sie den Stabschef des Präsidenten an.
Doch in dem nach Aussage eines Abgeordneten «hasserfüllten» Repräsentantenhaus konnte nicht einmal Hillary Clinton an diesem Nachmittag ihren Mann vor der Schande retten, als erster gewählter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten mit einem Amtsenthebungsverfahren überzogen zu werden. Selbst Hillarys «spontane» Party mit zwei Busladungen voller demokratischer Abgeordneter im Rosengarten des Weißen Hauses konnte die allgemeine Bestürzung nicht mildern. Bill Clinton wirkte verloren und völlig vereinsamt, als er auf der Veranstaltung erschien. Er erwähnte das Impeachment mit keinem Wort und sagte nur, er werde dem Land «bis zum letzten Tag meiner Amtszeit» dienen. Als er sich durch die kleine Versammlung von Parteimitgliedern schob, fasste er Hillary bei der Hand und ließ sie nicht mehr los. Dieser stumme, aber deutliche Beweis, wie sehr er auf die Unterstützung angewiesen war, die ihm seine Frau in der Vergangenheit so häufig gewährt hatte, war für viele das denkwürdigste der vielen unvergesslichen Ereignisse jenes Tages. Hillary war Bill Clintons einzige Zuflucht. S. 300-301

Lesezitate nach Gail Sheehy - Hillary


© 6.11.2000 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de