Seine Mutter streckte die Hand aus und knipste das Licht an.
"Was für Schmerzen, BiIly?"
Er stand neben dem Bett und hielt sich den Bauch. "In meinem Magen. Aaauuua, es fängt wieder an, glaub ich."
"Hast du was gegessen vor dem Schlafengehen?" Sie zog ihren Bademantel an.
"John, John!" Sie rüttelte ihren Mann an der Schulter. Er murmelte schläfrig. "Hast du Süßigkeiten oder so was gegessen, bevor du ins Bett gegangen bist, BiIly?"
"Würmer", stöhnte BilIy. "Würmer? John! John! Billy, was für Würmer?"
"Normale Würmer, Regenwürmer."
Sie fühlte seine Stirn, hob sein Kinn hoch und schaute ihm ins Gesicht.
"Du hast kein Fieber. Wie viele Würmer hast du gegessen?"
"Fünf. Zwei gekochte und drei gebratene. Mit Ketchup, Senf, Meerrettich, Salz, Pfeffer, Butter. Damit sie besser schmecken."
"Gebraten? Ketchup? Besser schmecken? John! Wach auf."
"Ich hab doch mit Alan gewettet. Auaaa!" Er stöhnte wieder.
"Nimm deine Hände weg. Wo tut es jetzt weh? Zeig es mir.".
"Es tut jetzt gar nicht sehr weh. Es rumpelt und gurgelt nur so fürchterlich. Es ist ..."
"Warum stöhnst du dann?", fragte sein Vater und setzte sich auf.
"Weil ich Angst habe, dass es vielleicht bald losgeht mit den Schmerzen. Meinst du, ich sterbe, Daddy?" "Würmer?", fragte sein Vater. "Normale Würmer? ERDWÜRMER?"
Billv nickte.
"Und wie viele hast du heute Abend gegessen?"
"Einen am Nachmittag. Ich hab die letzten fünf Tage jeden Tag einen gegessen. Aber es waren keine kleinen; es waren dicke, fette Regenwürmer, riesige, fast so groß wie Schlangen."
Sein Vater legte sich wieder hin und zog die Decke um seine Schultern hoch.
"Mach dir keine Sorgen. Du könntest sechs Wochen lang jeden Tag einen Wurm
verspeisen, und es würde dir nichts ausmachen. Geh jetzt wieder ins Bett. Wahrscheinlich ist dein Magen von dem ganzen Ketchup und Senf so durcheinander. Trink ein Glas warmes Wasser." S. 55
"Na komm, komm, komm", drängte Alan. "Ja", sagte Joe. "Iss auf, Billy, wir müssen weg." Ich schaff es nie, das ganze Ding zu essen, dachte Billy. Ich ersticke dran; das ist zu viel Kotz auf einmal. "Die Hälfte", krächzte er. "Ich esse die Hälfte. Das muss eine Fälschung sein. So lange Würmer gibt's überhaupt nicht."
"MMH gut", sagte Alan. "Dann ist die Wette gestorben. Wie du willst. Komm, Joe, er will kneifen. Lass uns gehen."
"Schon gut, schon gut", sagte Billy und versuchte Zeit zu gewinnen. "Also das ganze Ding."
"Dir wird schlecht werden", sagte Alan. Komisch, wie der sich reinhängt, dachte Billy. Was geht da vor?
"Lass ihn in Ruhe", sagte Joe. "Soll er's doch essen. Ist ja schließlich sein Magen."
Er will Alan decken, dachte BilIy. Er aß noch einen Bissen. Dann nahm er sein Messer und kratzte vorsichtig die Maismehlpanade von dem Wurm ab. "Was machst du da?", fragte Alan.
"Ich glaub, ich ess ihn heut lieber so. Keine Panade." "Das gilt nicht! Du kannst nicht ..."
"Klebe!", kreischte Billy plötzlich. "Klebe! Ihr habt zwei Würmer zusammengeklebt. Verdammt nach mal! Ihr elenden Betrüger! Tom! Tom, schau mal, was die beiden da abziehen wollen! Klebe!" S. 64-65
Der zehnte Wurm
"Was gibt's zum Essen?", fragte Billys Vater, als er in die Küche kam.
"Für dich und mich und Emily gibt's Hamburger mit grünen Bohnen und Kartoffelbrei", sagte Billys Mutter. "Und Billy isst einen gebratenen Wurm." "Was? Noch mehr Würmer? Dann läuft die Wette also noch?"
"Hier." Billys Mutter nahm einen kleinen Teller, der mit Frischhaltefolie abgedeckt war, aus dem Kühlschrank.
"Hm ... und du hast wirklich schon neun von denen da gegessen, Billy?" Billys Vater piekste neugierig die Würmer an. "Wie machst du es? Mit viel Ketchup und Senf?"
Billy nickte. "Und Meerrettich und andere Sachen. Und wir braten sie."
Billys Vater hob die Frischhaltefolie an einer Ecke an und roch an den Würmern. "Helen, du müsstest doch was Besseres zu Stande bringen als nur gebraten. Wirf mal einen Blick in deine Kochbücher."
"Ich bin nicht der Koch. Ich bin bloß der Schiedsrichter."
"Ach, komm. Das ist doch eine echte Herausforderung." Er nahm ein Kochbuch von dem Brett unter dem Gewürzregal. "Hier, lass mal sehen. Französische Küche, leicht gemacht" Er blätterte das Kochbuch durch. "Hier. Wie wär's mit pochiertem Aal auf Toast?"
"Nein", sagte Billys Mutter. "Da müsste man den Aal klein hacken und das wäre gegen die Regeln."
"Na, dann vielleicht Spaghetti mit Wurmbällchen? Oder eine saftige Wurmpastete? Sahnewürmer auf Toast? Spanisches Wurmsouffle? Wurmbraten mit Champignonsoße?"
"Warte", sagte Billys Mutter und legte ihren Kochlöffel weg. "Vielleicht könnte ich ... "
Sie nahm das Kochbuch und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. "Hier." Sie las vor: "Verlorener Wurm nach Elsässer Art. Den Wurm mit Salz und Pfeffer würzen und mit Mehl bestäuben. Mit drei Teelöffeln Schmalz anbräunen. In Scheiben geschnittene Zwiebeln darübergeben, mit einer Tasse Sauerrahm übergießen, den Topf gut verschließen und das Ganze bei schwacher Hitze im Ofen garen, bis der Wurm schön zart ist"
"Bravo", sagte Billys Vater. "Tu die Hamburger wieder in den Kühlschrank. Wir essen heute Abend alle Wurm."
"Ich nicht", sagte Emily. S. 74-75
Lesezitate nach Thomas Rockwell - Billys Wette