Leni Riefenstahl - Die Nuba (Buchtipp/Rezension/lesen)






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Das Volk der Nuba
Leni Riefenstahl - Die Nuba

an mag zu Leni Riefenstahl stehen, wie man will - eine großartige Künstlerin, Regisseurin und Fotografin - oder ein willfähriger, berechnender Geist, der dem Naziregime als Mitte Dreißigjährige mit ihrer Kamera zur verschleiernden, künstlerisch, ästhetischen Sichtweise verholfen hat. Lässt man all die kontroversen Statements beiseite und betrachtet nur die Sprache der Kunst, der Kamera, des Films, so muss man neidlos gestehen, dass da jemand großartiges, ein wahres Blickgenie dahintersteckt.

Ihre Sicht durch das Objektiv ist pointiert wie bei kaum einem anderen Fotografen - ein Talent, das zunächst aber auch ganz und gar nichts mit politischer Weltanschauung zu tun hat. So sind auch ihre Bilder vom afrikanischen Stamm der Nuba einzigartig - Weltklasse eben. Erst die Auswahl, der Kontext, die Umstände machen sie zum Politikum - und trotzdem ist es große Kunst.

Aber welcher zu Lebzeiten berühmte Maler und Schriftsteller war schon unpolitisch - immer haben die Reichen und Mächtigen dieser Erde das Recht des Mäzenatentums gepachtet.

Leni Riefenstahl ist zwischenzeitlich 98 Jahre alt geworden, die Olympiade 1936 ein selbst in ihrem Leben wohl lange abgeschlossenes Kapitel. Und doch wurde ihr damaliges Schaffen zum Maßstab der Kritik an all ihrer späteren Arbeit. Doch objektiv sein mit dem Objektiv, geht das?

Auch die Nuba, diesen Volksstamm im Zentrum des Sudans, der augenscheinlich noch wie zu Pharaonenzeiten lebt, hat die Riefenstahl mit ihrem Foto-Blick einfach perfekt eingefangen. Damals, bereits 70jährig, hatte ihr Talent immer noch wuchernd geblüht - und prompt unterstellten ihr die Kritiker völkisches Denken, vom schlanken, gutgewachsenen, schwarzen Mann - sexistisch in der Sichtweise: Der Neger und die weiße Frau ... bis hin zu politischen Vorwürfen, dass sie mit ihrer Fotoarbeit die Militärjunta der sudanesischen Generäle unterstütze, die seit Jahrzehnten einen Ausrottungskrieg gegen ihre - ach so geliebten - Nuba führen, was sie offensichtlich auch heute nicht sonderlich zu interessieren scheint.

An allem ist mehr oder weniger dran - und doch: Wir haben die Autobahnen auch nicht aus der Landkarte gerissen, weil wir uns für deren Erbauer schämten - im Gegenteil. Und kennen wir geniale Menschen, die unumstritten sind? Wenn man in die Biografien der Großen dieser Welt schaut - keiner war je makellos ... "Der werfe den ersten Stein ... "

Wer nur die Bilder dieser Naturmenschen betrachten kann und den politischen Rahmen vergessen will, der bekommt in dieser Neuauflage des großformatigen Fotobandes "Die Nuba" ein Meisterwerk fotografischer Kunst - und dazu noch zu einem wahnsinnigen Schnäppchenpreis - ein Viertel des alten Originalpreises!


Unmoralisch - nein, einfach schön, wie ein Urlaub in der Karibik - da will doch auch niemand über Haiti nachdenken, wenn er seinen eisgekühlten All-inclusive-Drink auf Dominikanischen Republik schlürft!

Wer sich in der Betrachtung vertiefen will - die Fotos der Riefenstahl laden dazu ein - auch wenn sie von einem romantisch, volkstümlich verkitschten Afrika künden, wie es in der Restrealität millionenfach nicht existiert. Aber jeder Sonnenuntergang ist zunächst auch nur eine 365malige banale Wiederholung - erst das Auge des Betrachters, seine Kamera, sein Objektiv, seine Filter, sein Standort, sein Blickwinkel und viele tausend kleine Splitter im Hirn machen ein grandioses Bild aus der Szene, bannen sie auf Zelluloid - nicht umsonst hat die Riefenstahl für ihre Nuba-Fotografien namhafte Preise eingefahren. Sie stehen ihr zu - das weiß jeder, der ihre Arbeit begutachtet.

Der kiloschwere Bildband überzeugt fotografisch hundertprozentig. Im Detail beschäftigt sich das Buch mit Themenschwerpunkten wie: Dorf, Maske, Tatoo, Kampf und Tanz. Die begleitenden Texte sind Geschmackssache und ob ein exemplarisch ausgewähltes Verzeichnis der Nuba-Sprache eine nützliche Angelegenheit darstellt, mag dahingestellt bleiben. Andererseits vermitteln diese Seiten die ganz subjektiven Eindrücke und Erfahrungen der Fotografin Riefenstahl - einem in seinem Schaffen eben nicht unpolitischen Menschen, auch wenn sie anderes von sich behauptet.

Für mich ist ihre Nuba-Arbeit ganz und gar nicht sexistisch oder rassistisch, folkloristisch oder was auch immer, sondern ihr Kameraauge hat für mich einen Teil des menschlichen Weltkulturerbes eingefangen - das Leben einer Gesellschaft, die wie viele anderen auf diesem Planeten, sonst sang- und klanglos in den dunklen Äonen der menschlichen Geschichte versinken würden. Vielleicht verhelfen diese Bilder einmal dazu die Lebensweise des Nuba-Volkes und anderer Naturvölker zu bewahren - oder durch touristischen Voyeurismus noch rassanter zu zerstörten, wer weiß.
© thomas haselberger









Leni Riefenstahl - Die Nuba
2000, Komet, 430 S., 25.95 €,
mehrerer hundert großformatige Bilder,
(ehemals ?? DM/EUR)



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© 24.12.2000 by
Thomas Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de
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