Er war eine sie ...
Diane W. Middlebrook - Er war eine Frau

Es ist gar nicht so außergewöhnlich, man denke an "Yentl" oder "Manche mögen´s heiß", dass sich Frauen die Haare kurz schneiden und fortan nur noch im Anzug zu sehen sind. Doch so konsequent, wie die Jazzmusikerin Dorothy Tipton auch in ihrem Privatleben die männliche Rolle übernahm, immerhin war sie sogar mehrmals verheiratet und hat drei Kinder adoptiert, das ist völlig neu.

Dorothy wird im Jahre 1914 in Oklahoma City geboren und als sie neunzehn Jahre alt ist, ihre Familie ist nicht besonders wohlhabend, beschließt sie ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.

Leidenschaftlich interessiert sie seit der Schulzeit das Theater, ein Klavier kann sie zum Tanzen bringen und beim Saxophon, das weiß sie, spielt man nicht nur irgendein Instrument, sondern auch eine bestimmte Rolle, für die Hosen eine Voraussetzung sind. Die Jobs in den neu gegründeten Bands, die in der neuen Ära des Swing rasant schnell aus dem Boden schießen, sind dünn gesät. "Wäre sie ein Junge gewesen, hätte sie auch in einer Band mitspielen können." Dorothy ergreift ihre Chance und verwandelt sich für den Rest ihres Lebens in den Jazzmusiker und Entertainer Billy Tipton.

Bis zu ihrem Tod fällt ihre Verwechslungskomödie niemand auf. Doch es ist nicht so, dass niemand darüber Bescheid gewusst hat. Unterstützt wird sie von ihrer Mutter, die auf den Erfolg ihres "zweiten Sohnes" sehr stolz ist. Billy meidet zur eigenen Sicherheit jahrelang jeden Kontakt zu seiner Familie und den Verwandten.

Merkwürdig und schwer vorstellbar bleiben seine drei Ehen, denn nach Billys Tod bestreiten alle Ehefrauen, jemals bemerkt zu haben, dass sie mit einer Frau verheiratet waren. Billy hat seinen Oberkörper bandagiert, ein Unfall in der Kindheit dient ihm hierfür als Ausrede, er trägt regelmäßig ein Suspensorium und die Badezimmertür ist bei ihm immer abgeschlossen.

Billy Tipton schafft zwar den Erfolg als Musiker, doch der ganz große Durchbruch bleibt ihm zeitlebens versagt, denn er hätte auch die Gefahr geborgen, enttarnt zu werden. So bleibt er auf dem Höhepunkt seiner Karriere leider wieder ein Opfer seiner Rolle.

Diane W. Middlebrook, die für ihre aufsehenerregende Biografie über die Dichterin Anne Sexton preisgekrönt wurde, hat aus der mageren schriftlichen Hinterlassenschaft, es fehlen Tagebücher oder private Aufzeichnungen von Billy Tipton selbst, das sensible Bild eines Musikers gezeichnet, eingebettet in die gesellschaftlichen Verhältnisse Amerikas, die eine junge Frau in die Rolle eines Mannes zwingen können.







Diane W. Middlebrook - Er war eine Frau
Übersetzt von: Uta Goridis
Originaltitel: © 1998, "Suits Me"
1999, München, Malik Verlag, 412 S., 23.90 €

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