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Das Schicksal eines Findelkindes Patricia MacLachlan - Schere, Stein, Papier
Patricia MacLachlan erzählt in ihrem Buch, das, sofort als es 1993 erschien, von den amerikanischen Buchhändlern, zum
besten Kinderroman des Jahres gewählt wurde, keine leichte, einfache Story mit einem Happy-End.
Es ist die Geschichte von Sophie, die am Ende des Sommers, als die letzte Fähre die Insel verläßt, vor der Haustüre des
kleinen Mädchens Larkin, in einem Korb gefunden wird. Die Mutter hat der einjährigen Sophie einen Brief mit ins Körbchen
gelegt, in dem sie die Familie von Larkin bittet, einstweilen für ihr Kind zu sorgen, da sie im Moment nicht dazu in der
Lage ist. Doch eines Tages, wenn sich ihre Situation verbessert hat, will sie Sophie wieder zu sich zurückholen.
Das verspricht sie ganz bestimmt.
Zuerst trauen sich Larkins Eltern nicht so recht an das unbekannte Mädchen heran, denn vor noch nicht ganz acht
Monaten haben sie selbst ein Baby begraben. Es war Larkins Bruder; er hat nur einen Tag gelebt.
Auf dem kleinen Grabstein steht lediglich das Wort "Baby" und seither sind Larkins Eltern nicht mehr so wie früher.
Da ab dem Beginn der Bekanntschaft mit Sophie das Damoklesschwert der Trennung über ihnen schwebt, beschließen
die Eltern aus Angst vor dem Abschiedsschmerz Sophie nicht ihre ganze Liebe zu geben. Doch da haben sie Sophie
gehörig unterschätzt. Sie haben nicht mit dem drolligen kleinen Mädchen gerechnet, das alle mit ihrer Liebe bezaubert,
jede noch so kleine Geste aufnimmt und tausendfach an die Familie zurückgibt. Sophie gibt ihre Liebe ohne einen
Gedanken an Abschied und Trennung rückhaltlos und bedingungslos. Und wenn Larkin und ihre Familie im nächsten
Frühjahr von Sophie traurig Abschied nehmen, haben sie von dem kleinen Mädchen eine Menge gelernt.
Einerseits finden sie nach langer Zeit Worte für ihre Trauer und ihren Schmerz, indem sie dem verstorbenen Baby einen
Namen geben und andererseits haben sie erfahren, daß Worte nicht alles sind und nicht alles sagen können:
"Schweigen kann einen auch verändern".
Patricia MacLachlan hat, wie schon in ihrem Buch "Ein Meer für Sarah", wieder eine zarte, poetische Geschichte
geschrieben, die von den in Grautönen gehaltenen Bildern des Illustrators Quint Buchholz wunderschön begleitet wird.
Es sind traurige Themen wie Abschied, Trennung, Tod, die die amerikanische Autorin aufgreift. Doch immer versteckt sich
Hoffnung und neue Freude zwischen den Zeilen. Sie erzählt vom Trost der Worte und der Bilder, aber auch von deren
Grenze.
Für Achse, den kleinen Jungen in der Erzählung "Das Gute hinter der nächsten Ecke" liegt die Wahheit in den Fotos,
die sein Großvater von ihm und der Großmutter macht. Seine Mutter hat ihn bei den Großeltern allein zurückgelassen.
Der Vater ist schon länger weg und sämtliche Fotos aus der frühen Kindheit Achses, hat die Mutter vernichtet.
Ein Muß für alle Eltern und solche, die es werden wollen, ist die Erzählung
"Sieben Küßchen hintereinander"
Hier gibt die kleine Emma eine Menge nützlicher Ratschläge an Tante und Onkel, die sie über das Wochende betreuen,
während Vater und Mutter einen Kongreß besuchen. Und die Kleine begründet sehr schlüssig und vernünftig, warum sie
mit nur drei Regeln mit ihren Eltern prima zurechtkommt und warum sie morgens zwingend eine halbe Grapefruit mit einer
halben Kirsche haben muß, sowie sieben Küßchen hintereinander.
Die Romane und Erzählungen von Patricia MacLachlan enthalten für jugendliche und erwachsene Leser eine Menge
Juwelen, die sich in Wort und Bild verstecken und die es zu entdecken lohnt.
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![]() ![]() ![]() © by Manuela Haselberger rezensiert am 12.7.2000 Quelle: http://www.bookinist.de layout © Thomas Haselberger
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