Eva Maaser - Das Puppenkind (Buchtipp/Rezension/lesen)
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13. November Tiefhängende Wolken, konturenlos ineinandergeschoben, ließen an keiner Stelle eine Lücke im Einheitsgrau, an die sich eine Hoffnung auf Wetterbesserung hätte klammern können. Kalte Luft, fast frostig. Wo der Nieselregen ein ungeschütztes Gesicht traf, ließ er die Haut wie glasiert aufglänzen.
Eine stämmige ältere Frau radelte die Kirchstraße an der Friedhofsmauer entlang auf die Innenstadt zu. Gegen das die Herbstmelancholie fördernde Wetter trat sie kräftig in die Pedale, eine Plastikhaube, tief in die Stirn gezogen, erschwerte die Sicht nach vorn. Die Radlerin verlangsamte einen Moment ihre Fahrt, als sie an einer Ampel nach rechts in den verkehrsberuhigten Bereich einbog, und nahm nach der Kurve wieder Tempo auf. Das Fahrrad schepperte auf der Kopfsteinpflasterung, das Vorderrad schlingerte auf den tückisch nassen Steinen, die Frau fuhr unbeirrt weiter, auch wenn der Lenker seitlich ausschlug. Kurz vor dem einstöckigen Kaufhaus an der Ecke stieg sie in die Rücktrittsbremse und sprang vom Rad. S. 5

Bis auf diese verdammten Anfälle von Müdigkeit, für die auch keine Überarbeitung als Grund herhalten konnte. Steinfurt war ein ruhiges Pflaster, für den kriminalistischen Höhepunkt der letzten Monate hatte eine Frau gesorgt, die versucht hatte, ihren Mann auf altmodische Art mit Arsen zu vergiften, in Eiscreme eingerührt. S. 11

"Sechs bis acht Monate, und was das Geschlecht betrifft, tippe ich auf Mädchen wegen der rosa Mütze, aber das läßt sich leicht feststellen." Als der Arzt den Strampler weiter herunterzog, drehte sich Rohleff weg, um nicht noch mehr von dieser Leichenpuppe zusehen, und Knolle kramte mit abgewandtem Gesicht in seinen Taschen nach Block und Kugelschreiber. Nach weiterer Suche reichte er dem anderen ein Handy herüber. Rohleff nickte und tippte eine Nummer ein.
"Mädchen", sagte der Arzt. S. 14


Lesezitat nach Eva Maaser - Das Puppenkind


Das Puppenkind
Eva Maaser - Das Puppenkind

Es gibt einen gehörigen Wirbel im ruhigen Steinfurt, als direkt vor dem Kaufhaus ein Kinderwagen mit einem toten Baby entdeckt wird. Auf den ersten Blick sieht der tote Säugling eher wie eine wunderschöne Puppe aus, mit weichen blonden Löckchen, blauen Augen und einem Lächeln um den Mund. Dabei ist er schon einige Wochen tot.

Kriminalhauptkommissar Rohleff, 52 Jahre alt, verfolgt mit seinen Kollegen akribisch alle möglichen Spuren bei den Ermittlungen. Wer vermisst ein kleines, höchstens sechs Monate altes Kind? Wer wäre in der Lage, eine Leiche in eine Puppe zu verwandeln? Hier war ein richtiger Einbalsamierungs – Künstler am Werk. Wahrlich keine sehr appetitliche Angelegenheit. Nicht zuletzt suchen die Polizisten die Person, die den Kinderwagen, ein Modell das mindestens fünfzehn Jahre auf dem Buckel hat, mit einem toten Kind durch die Gegend geschoben hat. Mit Sicherheit ein ergiebiger Fall für den Psychologen.

Doch nicht genug, dass dieses Kind Rohleff rund um die Uhr beschäftigt, setzt ihm daheim seine junge Frau gehörig zu. Sie möchte um jeden Preis schwanger werden und liegt ihm in den Ohren, er möge endlich seine Zeugungskraft ärztlich untersuchen lassen. Und dann verschwindet ein weiterer Säugling aus seinem Kinderwagen. Der kleine Sebastian leidet an einer Nahrungsmittelallergie und wird ohne seine gewohnte Nahrung nicht lange überleben. Es sind zwei anstrengende Novemberwochen, in denen Rohleff sich von Säuglingen umzingelt fühlt, und bis er ahnt, wo die Täterin, so viel kann gefahrlos verraten werden, zu finden ist.

Ihr Debüt gab die Autorin Eva Maaser mit dem historischen Roman "Der Moorkönig". Mit ihrem Krimi "Das Puppenkind" überzeugt sie, mit ihrem genauen Blick auf den Polizeialltag und ihre sehr lebendige Schilderung der Charaktere. Nichts ist hölzern oder wirkt konstruiert. Der Schluss lässt hoffen, dass Kommissar Rohleff als Serienfigur die Leser weiter mit seinen Eheproblemen unterhalten wird, auch wenn "Steinfurt ein ruhiges Pflaster" ist und sich die kriminalistischen Höhepunkte nicht gerade jagen. © manuela haselberger




Bücher von
Eva Maaser:

gebunden:

  • Der Moorkönig © 1999

    Taschenbuch:
  • Das Puppenkind © 2000
  • Der Moorkönig © 2001
  • Eva Maaser - Das Puppenkind
    2000, Berlin, AtV Verlag, 303 S.,

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    Fortsetzung des Lesezitats ...

    "Es könnten die des toten Kindes sein. Werde ich überprüfen, wenn ich einen Satz Abdrücke aus der Pathologie bekomme. Ich habe deswegen angerufen. Deutliche Spuren auf der Flasche, von Hautcreme, würde ich sagen. Der Anordnung nach könnte es so gewesen sein, daß die Hände des Kindes um die Flasche gepreßt worden sind. Die Daumen liegen nicht richtig." "Wer gibt einem toten Kind eine Flasche in die Hand?" fragte Rohleff.
    "Wer fährt ein totes Kind spazieren?" entgegnete Groß. S. 35

    "Also stellt sich die Frage, ob eine Frau dabei war", warf Lilli ein.
    "Schien mir nicht so, als Müller sich über seine Kollegen ausgelassen hatte", erwiderte Knolle.
    "Suchen wir demnach einen Ehemann, der die Obsession seiner Frau nachsichtig unterstützt, indem er kleine Leichen nett und haltar herrichtet, weil die Gattin süße Geschöpfe liebt, aber Puppen ihr zu serienmäßig sind? Oder hat er einen bedauerlichen, aber tödlichen Unfall vertuscht?" fragte Groß. -
    "Kein Schädelbruch", sagte Knolle.
    "Wenn sie aber den Milchzucker mit Rattengiit verwechselt hat? Schlampereien kommen auch in ansonsten ordentlichen Haushalten vor."
    "Seid ihr fertig?" fragte Rohleff ungnädig. "Noch mal von vorn. Wir suchen erstens eine Frau. Fünfundvierzig bis fünfzig Jahre alt, Kleidergröße sechsundvierzig und so weiter, die Beschreibung müßte sich mittlerweile herumgesprochen haben. S. 216-217

    "Ich möchte, daß wir uns noch einmal zwei Minuten auf diese Frau konzentrieren. Was treibt sie an? Vor fünfzehn Jahren muß etwas mit ihr geschehen sein, sie hat einen Kinderwagen gekauft und nicht gebraucht, und dann war etwas vor ein bis zwei Jahren, wenn wir davon ausgehen, daß zu diesem Zeitpunkt das Kaufhauskind gestorben ist, und am Samstag endlich hat diese Frau ein sechs Monate altes Kind entführt. Lilli?" "Eine Totgeburt vor fünfzehn Jahren oder eine Fehlgeburt, als Folge davon ein psychischer Zusammenbruch." S. 218

    Lesezitate nach Eva Maaser - Das Puppenkind


    © 16.11.2000 by
    Manuela Haselberger
    Quelle: http://www.bookinist.de