Susan Madison - Die Farbe der Hoffnung (Buchtipp/Rezension/lesen)
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Ihr Leben lang hatte sich Ruth Connelly vor dem Tod durch Ertrinken gefürchtet.
Zum ersten Mal hatte sie diese Angst als Kind verspürt, an einem Nachmittag am Meer, die Füße vom Schaum umspült, eine plötzliche Todesahnung, die kalt und scharf wie die Klinge eines Messers durch sie hindurchgefahren war. Sie umklammerte die Hände ihrer Eltern, während das Wasser vor und zurück schwappte, bedrohlich und böse, tückisch glitzernd in der Sonne, wie mit diamantenen Fingern lockend.

Sie wollte weglaufen, aber ihre Eltern zogen sie vorwärts. Nur noch ein paar Schritte, du brauchst keine Angst zu haben, es tut nicht weh. Ruth riss an ihren Händen, doch sie hielten sie fest und gingen immer weiter. Das ist das Meer, das Meer, sagten sie mit heller, fröhlicher Stimme. Komm, Schatz, das Meer.
Kieselsteine rollten unter ihren Füßen weg. Glitschig. Kalt. Der Boden gab nach. Sie stolperte und fiel. Mommy! Daddy!

Sie standen über ihr und lachten. Als sie wieder aufstehen wollte , wurde sie von einer Welle umgerissen, so grün wie Glas.

Daddy! Sie schrie noch einmal seinen Namen, da hatte die See sie schon fast ertränkt. Würgend und nach Luft schnappend suchte sie im grünen Wasser Halt, doch es schlüpfte ihr durch die Finger. Sie erinnerte sich bis heute daran und wie ihr das Salz in den Augen und in der Kehle gebrannt hatte. Sie würde nie vergessen, wie absolut ihre Panik gewesen war. Mit einem Schlag war sie ein ganzes Stück erwachsener geworden, denn mit einem Mal erfüllte sie ein Wissen, für das sie eigentlich noch viel zu jung war.
S. 7


Lesezitat nach Susan Madison - Die Farbe der Hoffnung


Familien-Härtetest
Susan Madison - Die Farbe der Hoffnung

ie Conellys sind eigentlich eine ganz normale Familie an der Ostküste. Der Vater unterrichtet als Lehrbeauftragter und schreibt an seinem Buch, die Mutter ist seit einigen Jahren wieder als Rechtsanwältin berufstätig und arbeitet bei einer Unternehmensberatung. Mit den beiden Kindern, Josie und Will scheint das Glück perfekt.

Wenn es da nicht immer die kleinen, nervenaufreibenden Streitigkeiten gäbe. Josie steckt mit beinahe siebzehn Jahren in einer schwierigen Entwicklungs-Phase. Den Eltern, hauptsächlich der Mutter, wirft sie gnadenlos ihre ganze Unzufriedenheit vor die Füße. Warum sie so wenig Zeit für die Familie erübrigt? Muss sie tatsächlich ständig arbeiten? Sind ihr ihre Kinder noch wichtig? Und überhaupt möchte Josie am liebsten sofort mit der Schule aufhören und Malerin werden. Das Geld dazu? No problem, irgendwie wird's schon gehen.

Für Ruth ist die Tochter eine harte Nuss. Da ist ihr jeder schwierige Kunde in ihrer Firma lieber. Und dann ertrinkt Josie bei einem Segelausflug. Wer hat Schuld? Ruth und ihr Mann Paul verkriechen sich in ihrer Trauer und driften völlig auseinander, da es ihnen nicht gelingt miteinander zu sprechen und sich gegenseitig zu trösten. "Manchmal hätte man sie fast für eine ganz normale Familie halten können, dachte Ruth, und nicht für eine an drei Seiten offene Wunde."

Doch die schlimmen Nachrichten häufen sich. Will, gerade zehn Jahre alt, der seit Josies Tod kränkelt, erhält eine niederschmetternde Diagnose: Krebs.

Wie viel Unglück kann eine Familie verkraften? Der Anfangssatz aus Tolstois "Anna Karenina" drängt sich hier geradezu auf: "Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich."
Das Leben der Conellys wird auf eine schwere Probe gestellt. Ruth und Paul kämpfen beide um die Existenz der Familie, die zu zerbrechen droht. "Der arme Junge. Seine Schwester zu verlieren ist hart genug, aber dann auch noch Eltern zu haben, die auf zwei verschiedenen Planeten leben, muss für ihn die Hölle sein."

Es ist ein zwiespältiges Gefühl, das der Roman auslöst. Zum einen überrollen den Leser die Vielzahl der Unglücksfälle bei den Conellys. Im Hinterkopf blinkt, vor allem zum Ende des Romans hin immer häufiger, unaufhörlich und störend das Schild "Klischee" und dann wiederum weiß jeder aus eigener Erfahrung, dass das Leben sich durch solche Gedanken nicht beeinflussen lässt und tatsächlich eine solche Häufung von Grausamkeiten bereithält. Und wer kann schon sicher sagen, wie er selbst mit derartigen Genickschlägen fertig wird? Vielleicht liegt genau darin der Grund, dass "Die Farbe der Hoffnung" der englischen Autorin Susan Madison so erfolgreich verkauft und geradezu verschlungen wird. Denn wie Ruth und Paul mit ihren Problemen, die sich vor ihnen in Gebirgshöhe auftürmen, umgehen, das schildert Susan Madison sehr realistisch. Natürlich ist der männliche und weibliche Lösungsansatz dabei ganz unterschiedlich: Während Paul über die Situation reden möchte, verweigert sich Ruth jeglicher Kommunikation und vergräbt sich in ihre Arbeit; wobei sie das eigene schlechte Gewissen, dass sie wieder einmal keine Zeit für ihre Familie hat, keine Sekunde ausblenden kann.

"Die Farbe der Hoffnung" ist die ergreifende Geschichte von Ehepartnern, die beide "kein Traumpaar waren, nichts Besonderes, nur eine ganz normale Familie, die das Beste für ihre Kinder wollte" und dazu enorme Hürden nehmen muss. © manuela haselberger



Susan Madison -
Die Farbe der Hoffnung
Originaltitel: The Colour of Hope, 2000
Übersetzt von Anne Rademacher und Regina Rawlinson
© 2001, München,
Bertelsmann, 444 S., 24 € (HC)
© 2003, Frankfurt,
Fischer, S. 371, 9.90 € (TB)


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Fortsetzung des Lesezitats ...


Sie gönnten sich ein feudales Essen bei Antony's und machten eine Tour durch die Universal Filmstudios. Sie fuhren über die mexikanische Grenze nach Tijuana, und in einer kleinen Gasse kaufte Will seiner Mutter von seinem Geburtstagsgeld einen silbernen Ring. Rudi schenkte Paul einen Gürtel, dessen Schnalle mit einem golfballgroßen Türkis verziert war. Sie besuchten den Zoo in San Diego, staunten über die Größe der Elefanten, freuten sich über die rosa leuchtende Flamingoschar und versuchten einen Blick auf einen Koalabären zu erhaschen. Sie fuhren nach Carmel hinauf, einmal um den Seventeen Miles Drive bis nach Point Lobos, wo die Seehunde sich tümmelten. Sie tranken am Pebble Beach Kaffee und sahen zu, wie die Sonne Regenbogen in die Gischt zauberte. Aber was sie auch taten, die Wunde in Ruths Herzen wollte nicht heilen. Obwohl sie Will zuliebe lächelte, endlose Partien Monopoly spielte und laut zur Musik aus dem Autoradio mitsang, spürte sie immer nur die Lücke, die Josie gerissen hatte.
"Warum zieht ihr nicht auch nach Kalifornien?", fragte Luke.
"Gottes eigenes Land."
"Ich hab oft genug versucht, Ruth zu überreden, aber sie ist ein echtes Ostküstengewächs", sagte Paul.
"Mom kann die Sonne nicht vertragen", erklärte Will seinem Onkel.
"Und das wusste dein Bruder, bevor er mich geheiratet hat."
"Ich habe gehofft, du würdest deine Meinung noch ändern, Schatz."
"Nie im Leben."
"Ich mag den Winter." Will ließ den Blick zwischen seinen Eltern hin und her wandern, als ob er Angst hatte, einen von ihnen zu verletzen. "Ich meine, Kalifornien ist schon toll, aber die Ostküste ist auch nicht zu verachten. Stimmt´s, Mom?"
"Du sagst es, Schatz."
"Trotzdem schön, dass hier die Sonne scheint", sagte Will. Während Ruth und Will den letzten Nachgmittag damit verbringen wollten, am Swimmingpool, der zu Lukes Wohnanlage gehörte, zu faulenzen, fuhren die Brüder die Küste entlang. S. 97

In der Ferne wogte das Meer, kleine Wellen, die smaragdgrün leuchteten. Eine Schar Zimtenten stieg auf, rötlich wie Sommersprossen am blauen Himmel. Ein Schmuckreiher jagte im seichten Wasser nach Beute, ein Seetaucher paddelte zielstrebig über einen Brackwassertümpel.
"Sieh mal", sagte Luke nach einer Weile. "Ein brauner Pelikan!"

Paul wischte sich die Tränen ab. Er hob den Feldstecher und sah, wie sich in einiger Entfernung ein plumper Vogel mit dem Schnabel voraus in die Brecher stürzte und wenige Sekunden später mit einem zappelnden Fisch wieder auftauchte. Schwerfällig flog er davon und reckte den Hals, bis der Fisch in seinem Hautsack verschwunden war.
"Und wie soll es nun weitergehen?", fragte Luke.
"Ich glaube, wenn es Will nicht gäbe, würde ich sie verlassen", sagte Paul traurig.
"Würde das etwas nutzen?"
"Ich weiß es nicht. Eigentlich will ich ja auch gar nicht weggehen, aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Zum Glück - mein Gott, wer hätte gedacht, dass ich mich darüber freuen würde -fliegt sie nächsten Monat für ein paar Wochen nach England. Vielleicht gewinnen wir dadurch Zeit und kommen zur Besinnung."
"Was sagt Will dazu, dass seine Mutter wegfährt?"
"Vielleicht tut es ihm sogar gut." Paul biss sich auf die Lippe.
"Der arme Junge. Seine Schwester zu verlieren ist schlimm genug, aber dann auch noch Eltern zu haben, die auf zwei verschiedenen Planeten leben, muss für ihn die Hölle sein."
"Und was macht euer Liebesleben?"
"Das existiert nicht mehr, wenn du es genau wissen willst. Ruth und ich schlafen zwar im selben Bett, aber das ist auch schon alles." S. 100

Aber er hatte sie gezwungen. Nicht gerade vergewaltigt, doch er hatte kein Präservativ benutzt. Als sie es merkte, war sie furchtbar wütend gewesen. Noch zorniger wurde sie, als sie herausfand, dass sie schwanger war. Nach WilIs Geburt hängte sie für eine Weile den Beruf an den Nagel und widmete sich ihren Mutterpflichten. Es war wie früher. Sie unternahmen Ausflüge, machten Spaziergänge mit den Kindern im Park und verbrachten Weihnachten in Maine. Sie backte Kekse und war wieder seine Ehefrau.
Er stolperte wieder, streckte schützend die Arme aus und stürzte auf den Gehsteig. Vor Schmerz biss er die Zähne zusammen. Er roch Hundekot und die Abgase eines vorbeifahrenden Lasters. Mühsam rappelte er sich wieder auf. Es war nicht fair von ihm gewesen. Sie hatte ein Recht darauf, beruflich voranzukommen, sich ein Leben außerhalb der Familie zu schaffen. Schließlich lebten sie nicht mehr in den Fünfzigern. Das Rollenverständnis hatte sich geändert. O Gott.
Er stöhnte und spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg. Was war mit den Connellys passiert? Sie waren kein Traumpaar, nicchts Besonderes, nur eine ganz normale Familie, die das Beste für ihre Kinder wollte. Er wankte auf eine Kreuzung zu. Sah die Ampeln, den Verkehr, ein Taxi. Ein Taxi nach Hause. Duschen

Was für ein Vater... Wenn Ruth es so wollte, würde er Will eben nach Maine fahren. Obwohl er es nicht gut fand. Es war nicht richtig, da Will so krank war. Doch wenn Ruth es... Natürlich würde er es machen. Natürlich.

"Ich fahre eine Woche vorher los", sagte Ruth, "und mache alles fertig."
"Kann Mrs Dee das nicht erledigen?"
"Sie hat es mir angeboten, doch es ist mehr zu tun als nur Staub zu wischen oder die Fensterläden zu öffnen. Es gibt Dinge, die ich selbst organisieren muss. Zum Beispiel, ein Schlafzimmer für Will besorgen und einen Computer aufbauen, damit ich mit dem Büro in Verbindung bleiben kann. Ich dachte, ich bringe ihn im Raum neben ... neben deinem ehemaligen Arbeitszimmer unter."
"Das wird ihm gefallen. Es schaut auf den Teich hinaus." S. 3

Lesezitate nach Susan Madison - Die Farbe der Hoffnung













gleicher Titel von
Susan Madison:

englisches
Taschenbuch:


The Colour of Hope

© 2001

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© 14.5.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de