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Das war kurz nach zwei. Fünf Stunden vorher gegen neun hatte Iro ihr Versteck im alten Parkhaus verlassen und war in die Stadt gegangen, schnorren. Cholera hatte sie im Verschlag unter der Ausfahrtrampe gelassen. Die Ratte wohnte in einem rostigen Hamsterkäfig, wenn Iro sie nicht mitnehmen konnte - zum Schnorren zum Beispiel. Schnorren vor der Kirche ging besser ohne Cholera. Manchmal ließ Iro die Ratte auch einfach im Käfig, damit jemand da war, der sie erwartete, wenn sie am Abend in ihren Verschlag kam.

Es war ein sonniger Sonntagmorgen, so warm, dass man schon fast hätte baden gehen können. Iro hatte Lust, ein paar Freunde zu treffen.

Na ja, Freunde? Leute, Bekannte eher, Typen. Auf der Straße hast du nicht viele Freunde, musst vorsichtig sein, besser bleibst du allein und verlässt dich auf niemanden. Das hatte Iro bald gelernt.

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Lesezitat nach
Rudolf Herfurtner - Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen, S.17


www.spielzeugkind
Rudolf Herfurtner - Milo und die
Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen

Ihren Namen hat Iro dem leuchtend grünen Irokesenschnitt zu verdanken. Mit ihren zwölf Jahren wohnt sie schon lange nicht mehr daheim. Zusammen mit Cholera, der zutraulichen Ratte, findet sie sich auf der Straße gut zurecht. Ihre Freunde sind Gulli, der mit seinem umgebauten Einkaufswagen die Innenstadt unsicher macht, oder Görlie, mit den blonden Locken, der aussieht wie ein Mädchen und akribisch alle Pflanzen gießt, die sich zwischen dem Asphalt hervor wagen. "Na ja, Freunde? Leute, Bekannte eher, Typen. Auf der Straße hast du besser nicht viele Freunde, musst vorsichtig sein, besser bleibst du allein und verlässt dich auf niemanden. Das hatte Iro bald gelernt."

Ein ganz anderes Leben führt Milo, der Sohn des reichen Spielzeugfabrikanten. Wohl behütet wächst er in einer riesigen Villa auf. Morgens erhält er Privatunterricht und mittags ist Golf - Training angesagt. Die heile Welt Milos bekommt Risse, als er beobachtet, wie zwei unbekannte Männer versuchen, das grünhaarige Punker - Mädchen zu entführen. "In der Welt, in der Milo lebte, sah man weg oder wechselte die Straßenseite, wenn so eine auftauchte."

Milo schaut genau hin und beginnt Fragen zu stellen. Was geschieht in der Spielzeugfabrik im zweiten Geschoss, das ständig verriegelt ist? Immer wieder verschwinden Straßenkinder, die niemand vermisst. Glücklicherweise haben die Kinder Merklin, den Penner als Vertrauten, der am Bahndamm einen Unterschlupf hat. Immer wenn's brenzlig wird, ist er rechtzeitig zur Stelle. Allein könnten sie das Geheimnis der Spielzeugkinder nur schwer lösen.

In seinem außergewöhnlich gut geschriebenen Roman "Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen", der immer wieder die Erzählperspektive wechselt, erzählt Rudolf Herfurtner eine überaus spannende Geschichte obdachloser Straßenkinder, die lieber alleine, ohne sicheres Dach über dem Kopf leben, statt bei den Eltern, die sie verletzt und beschädigt haben. © manuela haselberger

Lesealter ab 12 Jahren


Rudolf Herfurtner -
Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen
2000, München, Hanser, 190 S.,

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Aber Geige zum Beispiel hätte sie ganz gern getroffen. Geige lebte bei seiner Oma und manchmal ging er sogar in die Schule. Meistens jedoch hockte er am Rinderbrunnen und schnitzte an einem Stück Holz herum. Auf der Beerdigung von seinem Opa hatte der Geiger der Liedertafel Immergrün »Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern find'st du nit« gespielt. Geiges Opa war vierzig Jahre Tenor gewesen bei der Liedertafel
»Eigentlich hat der Geiger das Lied nicht gegeigt, sondern geweint«, sagte Geige immer »so schön war das.«

Seitdem wollte Geige Geiger werden. Aber seine Oma hielt ihn für verrückt. Und Geld für eine Geige war sowieso nicht da.
»Du bist genauso verrückt wie dein Großvater! «


Lesezitate nach Rudolf Herfurtner - Milo und die Jagd nach dem grünhaarigen Mädchen


© 6.3.2000
by Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de