ædmon ist ein seltsamer Name für einen englischen Jungen. Aber seine Mutter stammt aus der Normandie und da er der zweitgeborene Sohn war, machte sein adeliger Vater Ælfric of Helmsby ein Zugeständnis.
Als allerdings Earl Harold Godwinson im Auftrag des alternden englischen Königs mit Herzog William aus der Normandie über die Erbfolge verhandeln soll, erbittet dieser von Ælfric einen seiner Söhne als Dolmetscher für diese Aufgabe.
Die Wahl fällt auf Cædmon, der durch einen Pfeil dänischer Piraten vor einiger Zeit schwer verletzt, nur noch humpeln kann.
Die Überfahrt in die Normandie ist alles andere als nur eine kurze Seereise. Cædmon wird schiffbrüchig, gelangt zunächst in Gefangenschaft und kann in einer spektakulären Aktion an den Hof Williams fliehen.
William, soll nach dem Tod des engl. Königs dessen Nachfolger werden - allerdings lässt sich Harold Godwinson, trotzdem er seinen eigenen Bruder und auch Cædmon als Geiseln bei William zurückgelassen hatte, selbst zum König ausrufen.
William, der Bastard, ein stämmiger und gewalttätiger Potentat, rüstet darauf zur Heerfahrt gegen England: Bei Hastings erleben die Engländer eine der vernichtendsten Schlachten ihrer Geschichte.
Fortan herrscht William auch über England und Cædmon kommt bei der Eroberung und späteren Herrschaft über England als Dolmetscher und Vertrauter des neuen Königs eine Schlüsselrolle zu.
All zu oft muss er für die eigenen Landsleute diplomatisch vermitteln und versagt doch ab und an so schrecklich, wenn der mörderische Charakter Williams überhand nimmt und er ganze Landstriche abschlachten lässt.
Neben der Herrschaftsgeschichte Williams hat die Autorin Rebecca Gablé selbstverständlich auch eine zunächst unglückliche, aber sehr zarte Liebesgeschichte eingeflochten und, um den Überblick über die verschiedenen, politischen Lager wie das der Engländer, Dänen, Schotten, Franzosen und Normannen am besten behalten zu können, den Verlauf der Geschichte an die einzelnen Mitglieder der Familie des Thane of Helmsby geknüpft.
Cædmons großer Bruder ist bei den englischen Verschwörern, sein kleiner Bruder ein später einflussreicher Mann der Kirche und seine Schwester heiratet heimlich zu allem Überfluss einen dänischen Spion.
Die Charaktere sind fein herausgearbeitet, viele Details aus dem Leben von Menschen, die um 1066 in Europa lebten, sind facettenreich im Romangeschehen verwoben. Kein " Der Name der Rose", aber ein ordentlich recherchierter und handwerklich sauber geschriebener historischer Roman, der spannend bleibt und sich an vielen Stellen die Mühe macht mehr in die Psyche der Personen hineinzuleuchten als in langatmige Beschreibungen von wüstem Schlachtengetümmel. Allerdings bleibt dabei oft das Hintergrundverständnis für manche politischen und militärischen Entscheidung der Hauptperson, nämlich Williams, des Eroberers, auf der Strecke. Der Unterhaltungswert ist deswegen beim Lesen des Romans wohl höher, als die historische Erkenntnis, obwohl Rebecca Gablé Wert darauf gelegt hat, in einer dramatis personae, kenntlich zu machen, welche Personen real und welche ihrer schriftstellerischen Phantasie entsprossen sind.
Und last and least aufgrund seines Umfangs von 879 Seiten ein Buch, das all jene Leser zufrieden stellt, die sonst bereits nach wenigen hundert Seiten ihre so lieb gewonnene, historische Welt verlassen müssen.
© thomas haselberger