Edith Hahn Beer - Ich ging durchs Feuer und brannte nicht (Buchtipp/Rezension/lesen)
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Die nachfolgende Geschichte habe ich lange Zeit bewusst für mich behalten. Gleich vielen Menschen, die ein großes Unheil überlebten, in dem so viele andere ihr Leben ließen, habe ich nie über meine Zeit als <U-Boot> gesprochen, als Flüchtige, die sich mir falschem Namen im Untergrund der Nazi-deutschen Gesellschaft vor der Gestapo versteckt hielt; vielmehr habe ich es vorgezogen, so viel wie möglich von dem allen zu vergessen und spätere Generationen nicht mit traurigen Erinnerungen zu belasten. Es war meine Tochter Angela, die mich drängte, meine Geschichte zu erzählen, einen schriftlichen Bericht zu hinterlassen und der Welt somit Kenntnis zu geben. S. 7
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Lesezitat nach Edith Hahn Beer - Ich ging durchs Feuer und brannte nicht


Die Frau eines Nazis
Edith Hahn Beer - Ich ging durchs Feuer und brannte nicht

Edith Hahn Beer erzählt die faszinierende Geschichte ihres ungewöhnlichen Lebens.

Sie, eine junge, gebildete Jüdin aus Wien, hat als "U-Boot" mitten im Herzen des Dritten Reiches den Nazi-Terror überlebt.

Wie es dazu kommt? Nachdem ihren Schwestern die Flucht gelungen ist und Edith merkt, dass ihr Freund sie nie heiraten wird, zieht sie mit falschen Papieren nach München.

Dort lernt sie den Maler Werner Vetter, ein Parteimitglied der Nazis, kennen und lieben.
So gelingt es ihr, als Jüdin, die in ihrer Heimat von der Gestapo gesucht wird, in die Rolle der deutschen Hausfrau zu schlüpfen und dem Holocaust zu entkommen.

Eine ergreifende Lebensgeschichte, ein Zeitzeugendokument, das unter den Fittichen von Susan Dworkin zu einem dialogreichen Buch verdichtet, keinen Leser langweilen wird.



Edith Hahn Beer - Ich ging durchs Feuer und brannte nicht
aus dem Englischen von Otto Bayer
Originaltitel: © 1999, "The Nazi Officer´s Wife "
2000, München, Scherz Verlag, 287 S.

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Fortsetzung des Lesezitats ...


Als ich in Wien noch zur Schule ging, hatte ich manchmal den Eindmck, dass alle Welt in meine Stadt kam, um in den sonnlgen Cafés zu sitzen und sich an Kaffee und Kuchen und unvergleichlichen Gesprächen zu laben. Mein Schulweg führte an der Oper vorbei und über den schönen Josefsplatz und den Michaelerplatz. Ich spielte im Volksgarten und im Burggarten. Ich sah würdevolle Damen mit verwegenen Hüten auf den Köpfen und Seidenstrümpfen an den Beinen, Herren mit Spazierstöcken und goldenen Uhrketten, einfache Arbeiter aus allen Provinzen des vergangenen Habsburger-Reichs, die mit ihren kräftigen, geschickten Händen unsere prunkvollen Fassaden verputzten und bemalten. Die Läden quollen über von exotischen Früchten, Kristall und Seide. Auf Schritt und Tritt stolperte ich über neue Erfindungen. S. 21

Und dann starb mein Vater. Es war Juni 1936. Er blieb in der Tür zum Restaurant des Hotels Bristol stehen, blickte in die Runde, ob auch alles seine Ordnung hatte - die Tische makellos sauber, die Kellner an ihren Plätzen -, und fiel tot um.

Die Nachricht traf uns mit solcher Wucht, dass wir weder aus noch ein wussten. Unser Stützpfeiler, unser Felsen war zerbrochen. Mama saß mit leerem Blick im Wohnzimmer, ... S. 47

Eine der ersten Maßnahmen der Nationalsozialisten war die kostenlose Verteilung von hunderttausend Rundfunkempfängern an österreichische Christen. Woher hatten sie diese Radios? Natürlich von uns. Gleich nach dem Anschluss mussten die Juden ihre Schreibmaschinen und Rundfunkempfänger abliefern, was den Sinn hatte, dass wir - ohne die Möglichkeit der Kommunikacion untereinander oder mit der Außenwelt - bald isoliert sein sollten und leichter zu terrorisleren und zu manipulieren wären. Es war eine gute Idee. Sie funktionierte. S. 54

Nachdem etwa 100000 der 186000 Wiener Juden es auf irgendwelchen Wegen geschafft hatten, aus dem Land zu kommen, beschlossen die Nazis, die in der Stadt Verbliebenen zu registrieren. Wir wurden unter Androhung von Gewalt gezwungen, uns auf einem Platz aufzustellen. ....

Ein Lastwagen mit Gestapo-Leuten kam angefahren. Einer von ihnen sprang herunter und riss meine Mutter und mich am Arm.
"Aufsteigen!", befahl er.
"Wieso? Warum?"
"SteIl keine dummen Fragen, du Judensau, steig auf!''

Wir wurden auf den Lastwagen gestoßen. Ich hielt Mamas Hand. Sie brachten uns zu einer SS-Dienststelle und legten uns ein Formular vor.

"Sie werden beide für Landarbeit im Reich benötigt. Hier. Unterschreiben Sie. Das ist ein Vertrag." S. 76

lch unterschrieb das Papier. Es war ein Vertrag, der mich zu sechs Wochen Landarbeit in Norddeutschland verpflichtete. S. 77

Auf dem Leipziger Bahnhof wurden wir in einen Warteraum geführt, wo wir von zwei Polizisten bewacht wurden und die Anweisung bekamen, uns allen Lippenstift oder sonstlge Schminke abzuwischen. Wenn wir auf die Toilette wollten, mussten wir um Erlaubnis bitten. Dann ging die Fahrt in einem Personenzug weiter. S. 79

In Magdeburg mussten wir umsteigen und unser Gepäck eine steile Treppe hinaufschleppen. Ein Bummelzug brachte uns in eine Kleinstadt, wo wir frierend auf dem Bahnsteig standen.

Die Bauern kamen - einfache, ungeschliffene Menschen, die fest entschlossen waren, sich als die Herren zu gebärden, sIch In ihrer Machtfülle aber sichtlich noch ein wenig unbehaglich fühlten. Sie beäugten uns kritisch, wie Pferde, dann teilten sie uns in Gruppen auf. Der kleinste Bauer nahm zwei, eIn paar andere gleich acht oder zehn. Ich ging mir der größten Gruppe - ich glaube, wir waren achtzehn. S. 80

 

Als die Zeit meiner Rückkehr nach Wien nahte, versuchte ich Pepi mitzuteilen, wie mir wirklich ums Herz war. Ich schrieb .... S. 101

"Sie fahren nicht nach Wien", sagte sie. "Sie fahren in eine Stadt am Rand des Harzes und werden dort in der Papierfabrik arbeiten. Schätzen Sie sich glücklich. Bedenken Sie, solange Sie fürs Reich arbeiten, sind Ihre Angehörigen sicher." S. 102

Wir standen auf dem Appellplatz des Arbeitslagers, angetan mit unseren saubersten Arbeitskleidern .... "Haben sie euch so herumlaufen lassen?"
"Das war auf einem Bauernhof"
"Also, hier werdet ihr euch anziehen müssen wie fürs Büro", sagte sie. Dann beugte sie sich vor und sprach leise weiter: "Die wollen hier den Anschein erwecken, als ob wir richtige Arbeitskräfte wären, ... " S. 104

1941 erlebte ich die bis dahin düsterste Weihnacht meines Lebens. S. 113

Meine Mutter wurde am 9. Juni 1942 deportiert. S. 127

Auf dem Türschild stand "JOHANN PLATTNER, SIPPENFORSCHER- BÜRO FÜR RASSENFRAGEN .

Damals versuchten viele Leute an ein "Sippenbuch" zu kommen, einen Abstammungsnachweis der Eltern und Großeltern, aus dem hervorging, dass man seit drei Generationen Arier war. Dafur brauchten sie die Hilfe eines "Sippenforschers",eines Fachmannes in Rassenfragen. Dahin hatte Frau Doktor mich geschickt.

Ich dachte, ich bin verraten worden.

Herrn Plattners Sohn führte mich ins Büro. Als ich den Mann sah, zog sich mir das Herz in der Brust zusammen. Ertrug eine braune SA-Uniform mit Hakenkreuzbinde am Arm.

"Sie haben Glück, dass Sie mich zu Hause antreffen", sagte er. "Morgen fahre ich nach Nordafrika zurück. So. Und nun erklären Sie mir Ihre Situation genau.''

Es gab kein Zurück. Ich erklärte ihm alles. Genau.

"Haben Sie gute Freunde, die Arier sind?"
"Ja."
"Suchen Sie eine junge Frau, die Ihnen ähnlich sieht, die eine ähnliche Haut-, Augen- und Haarfarbe ... S. 147

Er verlangte kein Geld. Er wünschte mir Glück und verabschiedete mich. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Er hat mir das Leben gerettet. S. 149

In kaum mehr als einem Jahr war ich von der niedrigsten Kreatur im Dritten Reich - einer gesuchten jüdischen Sklavin, die sich vor dem Transport nach Polen gedrückt hatte - zu einer der angesehensten Volksgenossinnen ... S. 209

Die Russen kamen hoch zu Pferd in die Stadt geritten. S. 245

Die Russen luden mich zu einer Unterredung vor.S. 279

In Brandenburg war ich eine geachtete Gerichtsbeamtin gewesen, eine Bürgersfrau mit angemessenem _Gehalt und schöner Wohnung.

Nach England kam ich als abgerissener Flüchtling mit einem Sechzig-Tage-Visum, ohne Arbeitserlaubnis, mit spärlichen Englischkenntnissen und nichts als einer Aktentasche,die eine Garnitur Unterwäsche zum Wechseln enthielt. S. 285

Lesezitate nach Edith Hahn Beer - Ich ging durchs Feuer und brannte nicht


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 05.09.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger