... reinlesen


<<   weitere Bücher   >>



... reinlesen

In diesen Tagen begriff ich, wie symbiotisch abhängig wir von er Karawane waren, von der Leistungsfähigkeit der Kamele. Und diese hatte ihre Grenzen. Kamele können nicht länger als sechs bis sieben Tage ohne Wasser durch die Wüste laufen. Sie sind auch nicht imstande, den eigenen Flüssigkeitsbedarf für lange wasserlose Strecken zu schleppen. Damals spürte ich zwar etwas von den Grenzen, die die Wüste dem Menschen setzt; wie eng diese wirklich sind, erfuhr ich jedoch erst zwei Jahre später, als ich loszog, um diesen Teil der Wüste Gobi solo zu durchqueren. Die Idee dazu entstand wie von selbst. Sie war als Möglichkeit aus der Summe meiner Wüstenerfahungen erwachsen. Ich hatte zwar schon vorher - nach der Takla Makan 1989 - mit dem Gedanken gespielt, ihn jedoch als undurchführbar wieder verworfen. jetzt war ein Solo zur fixen Idee geworden. Dabei reizte mich auch die sportliche Herausforderung, die eigenen Grenzen auszuloten. Auch Ideale geisterten mir durch den Kopf. Allein, so stellte ich mir vor, würde ich die Wüste viel intensiver erfahren können. Wer mit nichts hineingeht, kommt als er selbst zurück. S. 62


Lesezitat nach Bruno Baumann - Karawane ohne Wiederkehr









Durch die Wüste
Bruno Baumann - Karawane ohne Wiederkehr

üste - eine menschenfeindliche Umwelt - Hitze, gleißende Sonne, wasserlos, und doch faszinierend, bei über 50 Grad Celsius im wahrsten Sinn atemberaubend, aus menschlicher Perspektive grenzenlos und deswegen vermutlich so anziehend, so beeindruckend.

Das und der Entdeckerdrang bewegten wohl den Schweden Sven Hedin dazu am 14. April 1895 eine Gewalttour durch die asiatische Wüste Takla Makan zu wagen. Für prognostizierte 287 Kilometer Marschroute nahm er neben einer stattlichen Expeditionsausrüstung und mehrmonatigen Lebensmittelvorräten für einen anschließend geplanten Tibetaufenthalt nur 455 Liter Wasser für 4 Begleiter, 8 Kamele, 2 Hunde, 3 Schafe und einige Hühner mit. In 15 Tagen wollte er diese Strecke bewältigen, obwohl viele Ortsansässige den 30jährigen Abenteurer vor diesem Unternehmen warnten.

Am 5.Mai 1895 erreicht Hedin zunächst allein den ausgetrockneten Flußlauf Khotan-darya und an einem Wassertümpel nach Tagen das erste, lebensrettende Nass. Am nächsten Tag transportiert er angeblich in seinen Stiefeln Wasser zurück in die Wüste, um seinen letzten verbliebenen Begleiter, Kasim, zu retten.

Schon früh hat der Steiermärker Bruno Baumann sich mit dieser Reiseerzählung des Schweden auseinandergesetzt und bislang selbst manche abenteuerliche Grenzerfahrung in Eis- oder Sandwüsten erlebt. So spielte er bereits 1989 - nach seiner Solo-Gobi-Durchquerung- mit dem Gedanken der Spur Sven Hedins zu folgen. Viele Umstände aber ermöglichten ihm die Realisation dieses Unterfangens erst 10 Jahre später.

Am 1.April 2000 beginnt Baumann mit seinem Begleiter Helmut Moser in der ost-turkestanischen Stadt Kashgar (VR China) seine Karawane zusammenzustellen. Fast auf den Tag genau 106 Jahre danach bricht er mit 4 Kamelen und deren Treibern von Merket aus zu seiner archäologischen Hedin-Tour auf. Moser und Baumann sind der festen Überzeugung, dass die Takla Makan mit moderner Technik (GPS - Satellitennavigation) und zeitgemäßem Wassermanagement bewältigt werden muss. Ein Desaster wie anno 1895 konnte im Grunde ausgeschlossen werden.

Geschickt verknüpft Baumann in seinem Reisebericht die Erlebnisse des Schweden Hedin mit seinen heutigen. Zeigt dies doch, dass sich die Welt im Angesicht der Wüste kaum verändert hat. Das Wesen der Menschen, die am Rande der großen Leere leben, scheint konstant zu bleiben, auch wenn die heutigen Nachfahren durch Jeep und Flugzeug weit weniger von Kamelen und Karawanen verstehen als zu Hedins Zeiten.

Unglaublich spannend erzählt Baumann seine Wanderung in die Endlosigkeit. Und das Drama nimmt seinen Lauf. Beinahe endet sein Abenteuer so tragisch wie das Hedins. Zwar überleben seine Begleiter den strapaziösen Marsch, aber trotz unmenschlicher Anstrengungen beim Brunnengraben mitten in der weiten Wüste, verdursten auch seine Kamele erbärmlich.

Baumann gelingt es mit gezielten Worten und beeindruckenden Fotografien die Stimmungen auf den Leser zu übertragen. Lust auf Grenzerfahrung. Forscherdrang. Der Abenteurer Baumann, der mit örtlichen Geschäftemachern und Polizisten schachert, der Karawanenführer, der mit einem Rucksack und zwei Skistöcken unermüdlich Düne um Düne erklettert, um für seine Kamele einen gangbaren Pfad zu finden. All das vermittelt sein Buch ebenso wie die Panik, die Mutlosigkeit, die Haltlosigkeit, als seine kleine Expedition dem Sterben nahe das gesteckte Ziel nicht erreicht.

Was sucht er da, was will er dort? Ja, genau diese Fragen beschäftigen Baumann selbst. Und er vermutete, dass er Antworten für sich finden könnte, wenn er die Motive und Irrtümer des historischen Wüstengängers Hedin entschlüsselt. Doch eine Antwort bringt er nicht mit nach Hause, kann er auch nie: Wer den Lockruf der Wüste einmal vernommen hat, wird dorthin zurückkehren wollen. Das versteht man erst, wenn man die Stimme der Lautlosigkeit in den Äonen der Sandkörner vernommen - ein wenig davon schon vorher, wenn man Baumanns Buch aufmerksam gelesen hat. © thomas haselberger


Bruno Baumann - Karawane ohne Wiederkehr
Das Drama in der Wüste Takla Makan, 135 Abbildungen
2000, München, Malik Verlag, 318 S
PS: tolle Bücher erkennt man auch schon manchmal am Gewicht:
780g ist kein Leichtgewicht - als Handgepäck im Überlebensrucksack schon gleich gar nicht.

dieses Buch bestellen

  besuchen Sie Bruno Baumanns Homepage


Fortsetzung des Lesezitats ...

Doch schon am allerersten Tag geriet ich in Schwierigkeiten. Obwohl ich mich noch in der flachen Steppe bewegte, kam ich nur mühsam voran. Mit dem knapp 30 Kilogramm schweren Rucksack sank ich bis zu den Knöcheln im weichen Sand ein. Für die erste wasserlose Strecke von 56 Kilometern Luftlinie, die ich in zwei Tagen bewältigen wollte, hatte ich nur fünf Liter Wasser kalkuliert. Mehr konnte ich auch kaum aufladen, denn ich mußte von Anfang am die gesamte Verpflegung mitnehmen, hinzu kamen Schlafsack, Matte, warme Bekleidung und andere Ausrüstungsgegenstände, die ich für unentbehrlich hielt. S. 66

Am 1 . April 2000 brach ich mit meinem Partner Helmut Moser nach Zentralasien auf. Helmut, ein Hofrat im österreichischen Staatsdienst, scheint irgendwie aus der Art zuschlagen, denn er verbringt seine teuer erkaufte Freizeit nicht mit Golf oder ähnlichen prestigeträchtigen Beschäftigungen unter seinesgleichen, sondern mit Abenteuerreisen. In seinem Bekanntenkreis gilt er ohnehin als der "Verrückte". S. 73

Unser gestriger Vorsatz, früher loszumarschieren, um die kühleren Vormittagsstunden auszunutzen, ließ sich nicht in die Tat umsetzen. Helmut und ich standen zwar bereit, ein großer Teil unserer Lasten lag jedoch noch am Boden. Vielleicht war es meine Ungeduld, aber ich hatte das Gefühl, das Bepacken dauerte an diesem Morgen länger als je zuvor. Roze und Omarjan waren alles andere als ein eingespieltes Team. Weil die Lasten jeden Tag weniger wurden, gab es jeden Tag eine neue Packordnung. Eine eigene Herausforderung bildete " Niki". Obwohl seine Last weitaus die leichteste war - ihm wurden die schwindenden Futerreserven aufgebürdet -, wehrte er sich nach Kräften. Allein ihm den Holzsattel über den Rücken zu legen war schon nicht einfach. Meistens hielten Helmut und Omarjan ihn am kurzen Strick fest, während ich mit Roze den Packsattel anbschleppte, den wir ihm, weil er nicht wie alle anderen hockte, in weitem Schwung über die Höcker wuchten mußten. Oft machte er im letzten Augenblick einen Schritt zur Seite, und wir trafen ins Leere. S. 223-224

Ich spurte weit voraus, um den besten Weg zu erkunden. Durch die Unregelmäßigkeit der Formationen mußte jede Kombinahon neu ausprobiert werden. Ich versuchte, um den Tieren kraftraubende Auf- und Abstiege zu ersparen, möglichst den geschwungenen Kämmen zu folgen, die dem Wind am stärksten ausgesetzt waren. Das bedeutete jedoch, daß wir zwischendurch immer wieder zu steilen Traversierungen in die weichen Leeseiten gezwungen wurden. Von Zeit zu Zeit hielt ich an, um zu sehen, ob die Karawane meiner Spur hinterherkam. Ich sah sie soeben noch in einiger Entfernung als winzige Punkte über einen Dünenkamm heraufkommen und schulterte gerade wieder meinen Rucksack, da hörte ich ein markerschüttemdes Kamelgebrüll. Es klang, als würde das Tier geschlachtet und schrie sich die Todesängste aus dem ich, wie gelähmt, dastand, dann plötzlich war es still. "Das war's", sagte ich mir, "das Kamel hat ausgelitten", denn ich war mir sicher, daß es tot war. Die gräßlichen Todesschreie noch im Ohr, machte ich mich traurig und müde auf den Weg zurück. Ich war gut einen halben Kilometer voraus gewesen und mußte mehrere Dünenkämme überqueren, bis ich mich der Unfallstelle näherte. Für mich stand außer Zweifel, daß das Kamel abgestürzt war und sich dabei mit den schweren Lasten auf dem Rücken das Genick gebrochen hatte. Ich hoffte inständig, daß es keines unserer Wasserkamele war. S. 229

Das Ende von "Niki" kam schnell. Hinter einem Dünenkamm, den er mit letzten Kräften noch überwunden hatte, brach er zusammen und legte sich sofort in die Sterbestellung, indem er zur Seite kippte und die Beine ausstreckte. Roze versuchte mit allen Mitteln ihn wieder aufzurichten. Es war sinnlos. Wie gelähmt standen wir da. Ich hatte bis zum letzten Augenblick gehofft, diese Situation würde nicht eintreten. Wir hatten uns in Sicherheit gewähnt, weil wir eine viel größere Menge Wasser mitgenommen hatten als seinerzeit Hedin, wir dünkten uns überlegen, weil wir eine viel bessere Kenntnis der Geographie und genauere Karten hatten und -wie es sich für das Jahr 2000 gehört - moderne Sattellitennavigation gebrauchten. Nie hätte ich es für möglich gehalten, daß wir in eine ähnlich verheerende Lage schlittern könnten. Jetzt war genau das Wirklichkeit geworden. Aus dem Spiel mit dem Abenteuer war bitterer Ernst geworden. Der einzige Vorteil, den wir gegenüber Hedin hatten, war ein zeitlicher, denn das Sterben setzte bei uns erst jetzt ein, zu einem Zeitpunkt also, an dem wir nur noch drei bis vier Tagesmärsche vom Khotan-darya entfernt waren.

"Niki" hatte den Hals im Sand ausgestreckt, er atmete noch, und aus seinem Maul trat weißer Schaum. Omarjam saß daneben, den Kopf in seinen Händen vergraben. Ich mußte eine Entscheidung treffen, gegen die sich alles in mir sträubte, doch ich hatte keine andere Wahl. Entweder ließen wir "Niki" hier sterbend zurück, oder wir blieben bei ihm und riskierten, alle umzukommen. Meine Entscheidung weiterzumarschieren mag einem Außenstehenden vielleicht herzlos erscheinen, doch es war die einzige Möglichkeit, wenn wir mit dem Rest der Karawane lebend herauskommen wollten.

S. 258

Lesezitate nach Bruno Baumann - Karawane ohne Wiederkehr



weitere
Bruno Baumann
Titel:




CD-ROM
Abenteuer
Seidenstraße




3 CDs
Abenteuer
Seidenstraße




2 MCs
Abenteuer
Seidenstraße




Abenteuer
Seidenstraße




Gobi

Durch das Land ohne Wasser




Die Götter werden siegen

Das verborgene Tibet




Mustang

Das verborgene Königreich im Himalaya




Takla Makan




Tibet

Ein Roman über

einen Kongo-Besuch 1989













Die Seidenstraße umgeht die Takla Makan
China-Info zu Sven Hedin



© 28.12.2000 by
Thomas Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de