Tango ist meine Leidenschaft
M. A. Numminen - Tango ist meine Leidenschaft


ür den Finnen Virtanen liegt der Sinn des Lebens ohne jeden Zweifel im Tango. Etwas anderes kommt für ihn gar nicht in Frage. So tanzt er weder Walzer, noch Slow Fox oder womöglich Twist. Nein, Tango muss es sein. Hier ist er der absolute Experte. Und noch etwas hat er sich geschworen. Mit fünfzehn Jahren las er bei Plato, dass der Mann mit fünfunddreißig reif für den Geschlechtsakt ist. Virtanen wird demnächst sechsunddreißig und wenn er es schafft, auch weiter nichts mit einer Frau anzufangen, das heißt weiterhin als männliche Jungfrau zu leben, dann ist er besser als Plato. Und diese persönliche Wette möchte Virtanen um jeden Preis gewinnen.

Da der Tanz auf Dauer mit einem Besenstiel oder mit einem Knochenskelett aus Kunststoff nicht sehr befriedigend ist, sucht sich Virtanen weibliche Tanzpartnerinnen. Ein wenig wundern sich Irja, Anja und Sinikka schon über den perfekten Tangotänzer, der, wenn sie ihn noch auf einen Tee oder Kaffee in ihre Wohnung einladen, unter den abstrusesten Vorwänden wieder verschwindet.

Der finnische Autor M. A. Numminen, der selbst schon Tangos komponierte, hat mit seinem Roman "Tango ist meine Leidenschaft" ein witziges Buch voller Situationskomik geschaffen, das gleichzeitig aber eine Fülle von Informationen über den Tango bietet.

Schauspieler Rufus Beck, der als Vorleser der Harry - Potter - Bücher zu den absoluten Stars auf dem Hörbuch - Markt zählt, liest eine gekürzte Romanfassung vor.

Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings dabei. Wenn schon so viel über den Tango erzählt wird, dann hätte sich der Hörer etwas mehr passende musikalische Untermalung gewünscht für ein absolut perfektes Hörerlebnis. manuela haselberger


M. A. Numminen - Tango ist meine Leidenschaft
aus dem Finnischen von Eike Fuhrmann
Originaltitel des Buches: © 1998, "Tango ON INTOHIMONI"
2001, München, Heyne Hörbuch Verlag, 2 CD,155 min., 41.07 DM / 21.00 € (Doppel-CD)
2001, München, Heyne Hörbuch Verlag, 2 CD,155 min., 41.07 DM / 21.00 € (M-Cass)
2000, Zürich, Haffmans Verlag, 346 S., 39.02 DM / 19.95 € (gebunden)
2002, München, Heyne Verlag, 346 S., 9.00 € (Taschenbuch)

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Ran-tán-tan-tan, rata tan-tan tan-tán-tan-tan!

Die ersten Tangotakte meines Lebens. La Cumparsita von Matos Rodrigues grub sich in mein Bewußtsein ein, bevor ich noch sprechen gelernt hatte. Stillte die Mutter mich vor dem Radio, um >Ihre Lieblingsplatten am Samstag< zu hören, nuckelte ich an ihrer Brust zum gleichen Rhythmus: RAN-TÁN-TAN-TAN. Für mich wars eine finnische Melodie. Möglich, daß schon der Großvater in den zwanziger Jahren Tango getanzt hatte. Für den Großvater gabs keine Fremdkultur.

Auf die vielgestellte Frage nach dem Sinn des Lebens ist meine Antwort: Tango.

Tango lernte ich als Dreizehnjähriger. Damals passierte einiges in meinem Leben. Ich lernte Lipeäkala, getrockneten und in Lauge eingelegten Dorsch, essen. Und mochte ihn. Meine Altersgenossen mochten ihn nicht. Ich hatte begriffen, daß man sich von Frauen fernhalten muß, und bastelte mir eine eigene Partnerin. Ich faßte einen Besen am Schaft und hob ihn mit dem Quast in Hüfthöhe. Einen zweiten abgebrochenen Schaft steckte ich durch den Quast des ersten Besens:
Fertig war die berockte Partnerin. Am oberen Teil des längeren Schaftes befestigte ich mit einem Stück Schnur einen krummen Wacholderzweig als Kopf.

Ran-tán-tan-tan! La Cumparsita war viel zu schwer. Im Kino hatte ich gesehen, wie die Argentinier Tango tanzen.Schauderhaft schwierig. Ich finde, Toivo Kärki tat im zweiten finnisch-russischen Krieg das Richtige, als er während einer Feuerpause in der Phase des Stellungskrieges die russische Romanze und den deutschen Marsch zum finnischen Tangovereinte. Rhythmisches Gehen auf dem Tanzboden, das wars doch. Gehen!

Ich hasse scheußliche Kunststücke, die mich faszinieren, und möchte ungern in den Hosen eines Latino stecken. Was für ein Streß, was für eine Verantwortung. Offenbar müssen die Haare gefettet und nach hinten gekämmt sein, bevor man sich an den Tango macht. Ich finde fettige Haare ekelhaft, außer wenn sie auf natürliche Weise fettig geworden sind. Ein paar Abende war ich mit ungewaschenen Haaren beim Schwof. Und hab trotzdem Tango getanzt. Ein gutes Gefühl, zu zeigen, daß Tangogehen nicht von sauberen Haaren abhängt.

Ich hatte noch nie was mit einer Frau. Mit fünfzehn stieß ich auf Platon. Er sagt, daß die Frau mit vierundzwanzig reif für den Geschlechtsakt ist, der Mann mit fünfunddreißig. Bald werd ich sechsunddreißig und noch immer unberührt sein. Wenn ich das schaffe, bin ich besser als Platon!

Zum Tango braucht man nicht unbedingt eine Frau, mit einem Mann gehts genausogut.

Dann und wann war ich auch schon mal beim Schwulentanz. Aber Männer machen mich nicht an.

Russische Männer tanzen miteinander Krakowiak, und keiner denkt sich was dabei.

In Argentinien haben zuerst nur Männer Tango getanzt. In Finnland können Frauen miteinander tanzen, Männer nicht -normalerweise. Irgendwas ist falsch. Damit mein ich nicht die sexuellen Beziehungen im allgemeinen, sondern meine Gelüste im besonderen. Ich krieg von einem Mann nicht, was ich von einer Frau kriege. So einfach ist das. Mit einem Mann künstlerisch tanzen, kann ich mir vorstellen, sogar Tango. Ich tauge nicht zum Künstler. Manchmal träum ich, ein Künstler zu sein. Das leben des Künstlers ist spannend. Unsicher und großartig.

Weil ich vom künstlerischen Tanz praktisch keine Ahnung hab, fällt mir dazu auch kein Beispiel ein. Aber ich hab in der Zeitung eine Menge von Pablo Picasso gelesen. Und nach dem, was von ihm berichtet wird, war er ein Ekel. Unterdrückte seine Umwelt, auch seine Frauen, war aber erfolgreich. Alles war ihm recht für den Altar seines Erfolgs. Den Knaben schätze ich nicht, allerdings ein paar seiner Bilder. Da war Luis Bunuel doch ein anderer Typ. Der wurde nicht besoffen davon, wie man ihn bewundert hat, auch als seine Filme schließlich einigermaßen erfolgreich geworden waren. Wenn Sie mir nicht glauben, lesen Sie Bunuels >Mein letzter Seufzer<. Erfrischend, auch für den depressiven Geist.

Wär ich Künstler, würd ich einen Tanz für zwei Männer erfinden. Der müßte allerdings woanders stattfinden als im Schwofschuppen oder im Tanzlokal. Aber ich bring das nicht. Meine Bühne ist das Parkett im Lokal oder der gewachste Fußboden im Sommerschwof-Pavillon. Die Konvention verlangt, daß der Mann mit der Frau tanzt. Das findet man schön, und so gehört es sich. Von mir ist ein Bruch mit den gesellschaftlichen Normen nicht zu erwarten. Und jetzt als Erwachsener kann ich ja wohl kaum noch einen Besen als Partnerin nehmen. Nicht alle Frauen beherrschen das Tangogehen; sie versuchen ständig, richtig zu tanzen, mit Zwischenschritten, weil sie den Rhythmus durcheinanderbringen wollen.

Den Gehtanz können alle, Männer wie Frauen, ich aber bin allein für GehTango zu haben. Das ist die ganz eigene Art zu tanzen. Dazu braucht es Übung. Entweder es klappt, oder es klappt nicht. Wenn man bedenkt, wie viele Ehen mit einem GehTango anfangen, muß es bei vielen klappen. Andererseits hat der Finne ein so schlechtes Gefühl für Rhythmus, daß er tanzen kann, wenn der Takt mit der großen Trommel gedroschen wird.

Außer dem Akkordeon ist also das Schlagzeug das wichtigste Instrument in der Musikkapelle. Andere Instrumente braucht man eigentlich nicht, sie sind weitgehend Verzierung. Eine schrille Ziehharmonika und das wichtige Schlagzeug. Damit haben wir das Grundrezept für den Finn-Tango.

Der Gesang ist am allerwichtigsten. Der Sänger könnte allein auf der Bühne stehen und den Rhythmus mit dem Knie angeben. Vor allem, wenn ein Mikrofon dran angeschlossen ist. Schwof in der Dünnbierkneipe, Schwof im Sommertanzschuppen, was braucht man mehr? Aber nein! Wir sind total degeneriert. Ein Orchester muß es sein. Der Mensch verlangt nach mehr als Neandertalermusik. Klangfülle muß sein. Harmonien müssen her, wenn auch schlechte.

Wie viele Bässe spielen im Orchester die Melodie! Nicht den Schimmer einer Ahnung davon, daß Bässe eindeutig als Gegenstimmen zur eigentlichen Melodie gespielt werden müssen!

Ich leide und schweige. Bassisten sind vielleicht Volksmusiker. Auch in der Volksmusik spielt der Baß die Melodie.

Ich werd nicht zum Bassisten gehen und ihm sagen, daß er falsch spielt. Ich leide und schweige, denn das wichtigste im Leben ist der Tangorhythmus. Hätten die Finnen nicht Mitte der vierziger Jahre angefangen, Tango zu marschieren, wie Toivo Kärki seinerzeit gesagt haben soll, was wäre aus dem kleinen Volk geworden? Nie wäre es zum Geburtenrekord von 1947 gekommen, als uns ioSi6B neue Finnen beschert wurden. Wären wir Platon gefolgt, die Geburtenrate wäre niedrig geblieben.

Beim Tango kriegt man eine Ahnung, was Geschlecht ist. Auch ich gerate beim GehTango in Erregung, wenn sich Wange an Wange preßt. Erregung schafft einen mitunter.

Das Glied schwillt an und stört beim Tanzen. Auf dem Land verschwinde ich dann immer gleich nach dem Tanz in den Wald, reiße einen Birkenzweig ab und bestrafe das Glied mit scharfen kleinen Hieben. Die Züchtigung bringt es wieder zur Räson, und ich kann zurück und eine andere Braut auf den Tanzboden holen.

In der Stadt muß ich dazu auf die Toilette, aus der hinteren Hosentasche die spezielle Gliedpeitsche hervorholen und das steife Organ durchhauen. Klar, daß es sich beruhigt. Gewalt ist das einzige Mittel, das Glied schlaff zu kriegen. Obwohl es sich wie zum Trotz in irgendeiner Kurve beim nächsten GehTango schon wieder aufrichtet. Scheint, als kapiert es nicht, was aus so einem Benehmen folgt. Besonders ärgerlich find ich, daß ich, immer wenn das Glied steif wird, gerade mit einer Frau am Tanzen bin. Zu Hause, wenn ich im Gedenken an meine Jugend mit dem Besen tanze, zeigt das Glied nicht die geringste Irritation. Es ist biologisch auf Frauen fixiert. Ich selbst halte viel von Frauen, geistig, aber ich laß mich deswegen doch nicht vom Sinn meines Lebens abbringen.


Lesezitat nach M. A. Numminen - Tango ist meine Leidenschaft










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Titel von
M. A. Numminen
 Hardcover


der Weihnachtsmann schlägt zurück

Eine Geschichte aus dem Polarkreis
© 2001


© 10.11.2001 by Manuela Haselberger

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