Wer liebt, hat Recht.
Die Geschichte eines Verrats

Anita Lenz - Wer liebt, hat Recht.


"Mein Mann betrügt mich, ich weiß es genau." So beginnt die Journalistin und Sachbuchautorin Maja, ihre Abrechnung mit ihrem Ehemann nach einer siebenundzwanzigjährigen Ehe. Zuerst streitet ihr Mann Helmut, der eine Professur in Tübingen hat, alles ab. Doch lange kann er seine Lügen nicht aufrechterhalten und es kommt zu einem klärenden Gespräch. Na ja, ehrlich gesagt, es fliegen die Fetzen.

Maja arbeitet in Berlin und führt mit ihrem Mann eine Teilzeit - Ehe. Sie ist stinksauer. Voller Zorn überschüttet sie ihn mit Vorwürfen und macht ihrem Ärger wütend Luft. Sie denkt an Trennung, vielleicht sollte sie zum Anwalt gehen? Was bildet sich Helmut ein, sie mit einer anderen Frau zu betrügen. Doch es kommt noch schlimmer. Helmut wird Vater. Maja ist fassungslos. In wenigen Wochen werden sie beide Großeltern und ihr Mann bekommt mit fünfundfünfzig Jahren erneut einen Sohn. Ein Wunschkind, wie sie schon bald erfahren soll.

Es beginnen für Maja emotionale Achterbahntage. Voller Enttäuschung, weil Helmut ihr die Wahrheit in winzigen Dosen zumutet, verkriecht sie sich in ihrer Wohnung. Und doch ist sie trotz allem Schmerz immer wieder bereit, ihrem Mann zu glauben, dass er einen Schlussstrich unter seine Affäre zieht. In den Sommerferien in Umbrien, sie leben dort in einer wunderschönen Mühle, will Maja ihrer Ehe eine letzte Chance geben.

Die bekannte Schauspielerin Iris Berben ist als Sprecherin für den Monolog Majas die ideale Besetzung. Sie kann mit ihrer Stimme alle gefühlsmäßigen Berg- und Talfahrten wunderbar modulieren. Von ätzendem Hass bis zu bodenloser Wut und unendlicher Traurigkeit reicht ihr Tonfall mühelos. Auch das Alter passt: Iris Berben ist genau wie Maja eine Frau von Anfang fünfzig.

"Wer liebt hat Recht" wurde als Hörbuchfassung von der Autorin Anita Lenz neu bearbeitet. Es ist die Geschichte eines Verrats, eines Betrugs in einer Ehe. Selten wurden Emotionen so genau und aufwühlend geschildert. © manuela haselberger

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Anita Lenz - Wer liebt, hat Recht. Die Geschichte eines Verrats
3 CDs - 2001, München, Hörbuch Verlag, 197 min., 44.91 DM / 22.96 €
2 Cass - 2001, München, Hörbuch Verlag, 197 min., 20,39 €
TB - 2000, Köln, Kiepenheuer, 185 S., / 9.15 €

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Mein Mann betrügt mich, ich weiß es genau. Vorgestern sind wir aus Italien zurückgekommen, Familienostern mit Gästen, bunten Eiern, Passcha, Piroggen und festlichem Frühstück, wie gewohnt nach russischer Art. Zehn Tage Umbrien in der Frühlingssonne, viel Wein, viel Gequatsche, viel Gelächter, auch der Hund bester Laune.

Nichts, aber auch überhaupt nichts kündigte ein Erdbeben an, oder mein Seismograph funktionierte nicht. Helmut und ich reisten am Donnerstag ab, am Wochenende habe er eine Konferenz in Heidelberg Die Nacht wie üblich in Tübingen und auch das übliche Aufwiedersehen. Ihn rufe die Konferenz, jetzt gleich, aber in München, nicht in Heidelberg, der Zug fahre in zwei Stunden. Mich ruft Berlin, der Schreibtisch mit dem erst zu einem Drittel fertigen Sachbuch. Er komme wahrscheinlich schon in dieser Nacht zurück, spätestens am Montag sähen wir uns in Berlin. Kuss, danke schön, ein Krauler für den Hund. Wir telefonieren, heißt die Formel für bis bald.

In Berlin die Katastrophe, der GAU, wie lächerlich im Nachhinein. Um das Haus steht ein Gerüst, die Bauarbeiten sind monatelang angekündigt, wer hätte an einen Ernstfall noch gedacht. Die Fenster sind mit grünen Plastikfolien verklebt, die Sonne scheint herein, und es sieht aus wie im Leichenschauhaus. Anruf in Tübingen, natürlich Anrufbeantworter. Helmut, Helmut, die Katastrophe, der Ernstfall, der GAU, wie soll ich denken, schreiben, wenn der Presslufthammer dröhnt und Mikrostaub sich durch Plastikfolien und geschlossene Fenster auf den Computer legt. Hilfe, Trost, wenigstens ein paar aufmunternde Worte, ich warte, Italien war so schön.

Keine Reaktion am Samstag, keine am Sonntag, keine Reaktion am Montag, wie gemein. Anruf im Institut. Der Herr Professor ist in Berlin, weiß die Sekretärin. Aber der Herr Professor ist nicht in Berlin und kommt auch nicht wie angekündigt am Montagabend. Dafür ein Handygespräch mit unserem Sohn. Er komme 24 Stunden später als geplant, informiert er Andreij, also Dienstagabend, es tue ihm Leid, es habe Verzögerungen gegeben, aber am Mittwoch, dies wisse er genau, könne er ihn zu seinem Prozess um den Autounfall in Tschechien begleiten. Grüße an Maja, er freue sich, uns bald zu sehen.

Dienstagabend erscheint er dann. Freundlich, die Arme weit geöffnet. Das Berufsleben ist eben so, immer kommt was dazwischen. Ich bin wie gefroren, ich weiß, er lügt. Meinen Katastrophenanruf will er nicht empfangen haben. Was, ein Baugerüst steht vor dem Haus? Er hat es beim Hereinkommen nicht einmal gesehen. Mit seiner Verspätung solle ich mich nicht anstellen, er habe mir seine Terminschwierigkeiten doch aufs Band gesprochen.

Hast du nicht.
Habe ich doch.
Hast du nicht.
Habe ich doch.
Hast du nicht.
Ein blödes Geplänkel ist es, ein lächerlicher Nebenschauplatz. Ich gehe wütend ins Bett, für ihn stehe die Gästekammer bereit. Zum Prozess würde ich nicht mitkommen, ein Elternteil reiche für einen 27-Jährigen, der selbst bald Vater wird.

Das Landgerichtsurteil fällt milde aus, Andreij, die schwangere Beinaheschwiegertochter und Helmut gehen frühstücken. Ich komme hinzu, meinem Mann kann ich nicht in die Augen sehen, picke ihm nur ein wenig Rührei vorn Teller. Ein Gespräch will nicht in Gang kommen, auch in der schönen Altbauwohnung nicht, mit dem ekligen Gerüst und der grünen Plastikfolie vor den Fenstern. Die Großflasche Dior Parfüm, Marke Opium, die ich am Morgen auf dem Küchentisch gefunden habe, will ich nicht annehmen. Ich brauche keine Blumen aus Bangkok, und obendrein ist es die falsche Sorte. Ich versuche Business as usual, korrigiere ein wenig das Sachbuch, tue so,als ob mich die amerikanische Besatzungszeit ernsthaft interessiere. Ja, du hast Recht, sagt er plötzlich und zündet sich die zehnte Zigarette an diesem späten Vormittag an, ich habe dich belogen. Ich war nicht in Tübingen. Aber die Wahrheit könne er mir im Moment nicht sagen. Vielleicht später. Aber ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Alles sei ganz anders, als ich denke. Es gebe keine Liebe neben mir. Wirklich nicht. Aber es gebe da eine Ausnahme.

Oder eine Ausnahmesituation. Mit mir habe sie nichts zu tun, rein gar nichts. Wieso auch? Er habe immer nur mich geliebt, liebe nur mich. Er will mich umarmen, aber ich stehe vom Schreibtisch nicht auf. Von seinen Einmetervierundneunzig beugt er sich herunter, streichelt meine Brüste, ach Susi, Süße, glaub mir, es ist nur eine Ausnahme, mehr kann ich jetzt nicht sagen.

Ich bleibe cool und pädagogisch und sitzen, es fällt mir nicht leicht. Er solle bitte wieder nach Tübingen fahren, er dürfe wiederkommen, wenn er wieder beieinander sei, er sei ja gar nicht mehr er selber. Auch ich würde ihn lieben, im Prinzip natürlich, nicht immer und zu jeder Zeit, das wisse er doch. Das müsste er doch wissen, wenn er nicht total bescheuert sei. Aber im Moment könne ich ihn nicht ertragen, sein Gestottere sei zu dämlich und das Gerede von der Ausnahme erst recht.

Er fährt tatsächlich ab, die Umarmung an der Tür ist traurig. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter, seinen Kuss erwidere ich nicht. Er ist weg. Ich vermisse ihn schon eine Minute später.


Lesezitat nach Anita Lenz - Wer liebt, hat Recht. Die Geschichte eines Verrats



© 18.9.2001
by Manuela Haselberger

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