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Als Mary Lennox in das Herrenhaus Misselthwaite geschickt wurde, um dort bei ihrem Onkel zu leben, sagten die Leute, einem so unangenehm aussehenden Kind seien sie noch nie begegnet. Es war auch wirklich so. Mary harte ein kleines, spitzes Gesicht und einen mageren Körper, ihr Haar war dünn, und sie sah mürrisch aus. Ihre Haarfarbe war gelb, und ihr Gesicht war gelb, weil sie in Indien geboren und immerfort aus diesem oder jenem Grund krank gewesen war. Ihr Vater hatte als englischer Regiemngsbeamter in Indien gewohnt. Er war fleißig, aber leider auch oft krank. Marys Mutter, die eine große Schönheit gewesen war, hatte nichts anderes im Sinn gehabt, als auf Gesellschaften zu gehen und sich dort mit lustigen Leuten zu unterhalten.

Sie hatte gar kein kleines Mädchen bekommen wollen. Als Mary zur Welt kam, überließ sie daher das Kind einer indischen Kinderfrau, einer Ayah. Man gab dieser zu verstehen, daß sie Mem Sahib, wie Marys Mutter genannt wurde, am besten gefallen würde, wenn sie ihr den Anblick des Kindes nach Möglichkeit ersparte. Darum wurde Mary, solange sie ein kränkliches, mißgelauntes, häßliches Baby war, von ihrer Mutter fern gehalten; und als aus ihr ein schwächliches, verzogenes, tapsiges Ding geworden war, wurde sie immer noch ferngehalten. Mary konnte sich nur an die dunklen Gesichter ihrer Ayah und anderer eingeborener Dienstboten erinnern. Die Diener gehorchten ihr stets. Aus Furcht davor, daß Mary schreien und dadurch ihre Mutter stören könnte, taten sie ihr immer alles zu Gefallen. So war Mary im Alter von sechs Jahren ein tyrannisches und selbstsüchtiges kleines Geschöpf.

Eine junge englische Erzieherin, die ihr Lesen und Schreiben beibringen sollte, fand das Kind so unausstehlich, daß sie ihre Stellung nach drei Monaten aufgab. Ihre Nachfolgerinnen verließen den Posten in noch kürzerer Zeit. Hätte Mary nicht selbst gern gewußt, wie man Bücher liest, sie würde wohl kaum je das Alphabet gelernt haben. S. 7


Lesezitat nach Frances Burnett - Der geheime Garten


Der geheime Garten
Frances Burnett - Der geheime Garten

Nein, so hat sich die kleine Mary das Leben in England nicht vorgestellt. Selbst ankleiden soll sie sich alleine. Das war doch schon immer die Aufgabe der Diener. Eine Unverschämtheit. Das müsste ihre Aya im fernen Indien sehen. Doch das kann sie nicht, denn sie ist, wie Marys Eltern auch, an Cholera gestorben.

Darum ist Mary bei ihrem Onkel in England, in einem riesigen, düsteren Haus mit mindestens hundert Zimmern, von denen sie viele nicht betreten darf. Der Onkel lebt, seit er seine Frau vor zehn Jahren verloren hat, zurückgezogen als Einsiedler.

Einsam streift Mary durch den Garten. Alles änderst sich, als sie eines Tages mit dem Gärtner spricht und den gleichaltrigen Jungen Dickon kennen lernt. Ihr Blick verändert sich. Sie hört plötzlich das Rotkehlchen Robin zwitschern, sieht die duftenden Rosen und findet sogar den vergrabenen Schlüssel zu einem geheimen Garten.

Ab jetzt verbringt Mary jede freie Minute draußen und als sie gefragt wird, was sie sich wünscht, antwortet sie blitzschnell, dass sie weder Puppen noch andere Spielsachen haben will. Nein, sie möchte unbedingt ein wenig Erde. Das ist ihr einziger Wunsch.

Doch der Garten ist nicht das einzige Geheimnis, das Mary lüftet. Sie geht auch dem traurigen Weinen nach, das sie oft nachts hört und das ganz sicher nicht vom Wind kommt.

Den Kinderbuchklassiker von Frances Burnett aus dem Jahre 1911 verwandelt der Regisseur Götz Fritsch in ein zauberhaftes Kinderhörspiel, das in einer knappen Stunde die Zuhörer bestens unterhält. Die bekannte Schauspielerin Doris Schade, verbindet die lebhaften Hörspielpassagen mit einem ruhigen Erzählton.

Im umfangreichen, sechzehnseitigen Booklet gibt es neben farbigen Illustrationen auch Näheres über das beruflich zwar sehr erfolgreiche, privat aber häufig unglückliche Leben der englischen Schriftstellerin Frances Burnett, die auch die Schöpferin des beliebten Lord Fauntleroy aus "Der kleine Lord" ist. manuela haselberger
Höreralter ab 8 Jahren


Frances Burnett - Der geheime Garten

2000, München, Der Audio Verlag, 1 CD, 55 min., 16 S. Booklet,

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© 22.11.2000 by Manuela Haselberger

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