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Schokoladenkind Abini Zöllner - Schokoladenkind
amilie, diese Ansammlung aus Chaos, Streitigkeiten und jeder Menge ungeahnter Überraschungen - das geht Abini Zöllner über alles. Ihre eigene Kindheit in der DDR, in der ihre Mutter der feste Ankerpunkt war, wie es sich für eine typische jüdische Mamme gehört, spielte sich in einer reichlich ungewöhnlichen Familie ab. Abini, 1967 geboren, wächst in Berlin-Lichtenberg auf.
Der Vater, Afrikaner, glänzt vor allem durch seine fast durchgehende Abwesenheit. Das einzige, das er Abini vererbt, ist die dunkle Hautfarbe und die afrikanische Stirn. Er macht sie zum Schokoladenkind. Dass er mit seinen Geliebten und Ehefrauen auch eine Menge Verwirrung anstiftet - das wird so akzeptiert.
In ihrer Jugend versucht Abini zunächst nach der Schule etwas Sinnvolles zu arbeiten: engagiert lernt sie zusammen mit einer Freundin am Alexanderplatz das Handwerk des Frisierens. "Es war leichter, als wir dachten, die Freude am Beruf zu verlieren." Eine eintönige Angelegenheit.
Dann kommen aufregende Auftritte in einer Revue im Friedrichstadtpalast. Der Tanz wird Abinis Leben. Das ändert sich schlagartig mit der Geburt des kleinen Raoul. Einfacher werden ihre Lebensumstände dadurch jedoch nicht, denn Abini denkt gar nicht daran, den Vater des Kindes zu heiraten, geschweige denn mit ihm zusammen zu leben. - Alles viel zu gewöhnlich und normal.
Richtig cool tritt der Musiker Dirk Zöllner mit seiner Band "Die Zöllner" auf. Abini erobert er im Sturm, doch ihre Ehe entwickelt sich zu einem wahren Orkan der Gefühle. Zwei heftige Temperamente messen sich aneinander und keiner ist so schnell bereit aufzugeben. Es passiert, dass Eheringe in hohem Bogen weggeworfen werden, Schallplattensammlungen zu Bruch gehen und jede Menge Geschirr an der Wand landet.
Die Maueröffnung verschlafen die beiden. Dirk ist viel auf Tournee und die gemeinsame Tochter Rubini wird von Abini weitgehend alleine erzogen. Gleich nach der Wende beginnt sie beruflich als Journalistin Fuß zu fassen. Sie schreibt ihre ersten Reportagen für die "Berliner Zeitung" und versucht sich im neuen System des Westens zurechtzufinden.
"Ich war mit siebzehn Millionen anderen auf dem Obduktionstisch der Bundesrepublik gelandet und wurde ordentlich seziert. Die Untersuchung dauert weiter an und würde voraussichtlich lange nicht abgeschlossen sein."
In Abini Zöllners Autobiografie "Schokoladenkind" erfährt der Leser wenig über das Leben in der DDR. Von ihrer Kindheit berichtet sie mit Kinderaugen und nahezu unpolitisch. Ein deutlicheres Bild zeichnet sie, wie sie die Wende erlebt, Partys mit bekannten Musikern wie zum Beispiel Tamara Danz feiert und ihre ersten Schritte im Westen ausprobiert. Immerhin war Dirk Zöllner ein Jugend-Idol in der DDR und hat in der Musikszene einen Namen.
Bei allen Verrücktheiten, die ihr passieren und die sie in ihrem schnodderigen Tonfall erzählt, gibt es für Abini eine wichtige Institution und das ist ihre Familie. "Viel ungebändigter Aufruhr, nur manchmal der falsche Ton, nie ein Tritt in den Hintern und immer gute Unterhaltung. Meine Familie war ein Programm, das ich jeden Tag erlebt haben musste. Zwar half es mir nicht dabei, woanders mitreden zu können, aber ich lernte, die Dinge neu zu betrachten, Antworten auf nicht gestellte Fragen zu finden und mich jederzeit von Absurditäten überraschen zu lassen. Und das bei freiem Eintritt." Was will man mehr?
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Abini Zöllner
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© 29.3.2003 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |