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Kriegsschauplatz Familie
Deborah Tannen - Ich mein's doch nur gut

»Ich mein's doch nur gut«, gehört sicher zu den Standard -Sätzen, bei dem sich jedem Kind, unabhängig wie alt es ist, sofort die Nackenhaare sträuben. Damit kann die Mutter jede Diskussion abbrechen, helle Verzweiflungsanfälle provozieren oder ein resignatives Schulterzucken ernten. Nur konstruktiv ist die Äußerung nie.

Solchen und ähnlichen Gesprächskillern im Alltag ist die Linguistikprofessorin Deborah Tannen in ihrem gleichnamigen Buch auf der Spur. Während sie sich in ihrem internationalen Bestseller "Du kannst mich einfach nicht verstehen" der unterschiedlichen Gesprächsführung von Mann und Frau widmet, untersucht sie nun die Menschen in einer Familie genauer. Und zu Gesprächen kommt es hier ziemlich oft, doch leider laufen sie häufig nicht in der erwarteten Weise ab. Ergebnis sind eine Menge Streitereien, die, wenn man einige Sachverhalte kennt, gut vermeiden kann.

Letztendlich geht es meist bei sehr gut bekannten Personen nicht nur allein um die Weitergabe einer sachlichen Mitteilung, denn alle Beteiligten sind lange schon Familienmitglieder und zwischen Vater, Mutter und Geschwistern herrschen ständig wechselnde Beziehungen, so dass eine Information immer auch eine "Metamitteilung" enthält. Darunter versteht Deborah Tannen die "unausgesprochene oder jedenfalls nicht ausdrücklich benannte Bedeutung," die sich jedoch für die Beteiligten aus dem Inhalt einer Frage oder Feststellung ableiten lässt.
Allerdings sind hier dann für eine Fülle an Missverständnissen Tür und Tor geöffnet. Tatsächlich kann die Äußerung "Ich mein's doch nur gut" fürsorglich gemeint sein, aber der Angesprochene fühlt sich dadurch gegängelt und bevormundet. Und schon gerät der Adrenalinspiegel in Wallung. Und das friedliche Abendbrot entwickelt sich zu einem familiären Kriegsschauplatz.

Damit die nächsten Auseinandersetzungen nicht eskalieren, empfiehlt sich dringend zuvor Deborah Tannens Erkenntnisse zu lesen, denn hinter vielen ihrer Statements lässt sich einfach nur ein Ausrufezeichen setzen, genau so ist es, jeder kennt die beschriebene Situation.

Dass sich die Lage zwischen Heranwachsenden und Eltern wohl nie ganz entschärfen lässt, liegt in der Natur der Sache, doch ein Tipp für beide Seiten: oft hilft das Wort "Entschuldigung" weiter. Warum allerdings die Männer gerade damit ein Problem haben, das erläutert Deborah Tannen sehr einleuchtend. Darum: wenn der nächste Streit gelingen soll, erst "Ich mein's doch nur gut" lesen!
© manuela haselberger


Deborah Tannen - Ich mein's doch nur gut
Originaltitel: I Only Say This Because I Love You, © 2000
Übersetzt von Maren Klostermann

© 2002, München, Ullstein Verlag, 383 S., 15.00 € (HC)





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Prolog

Wenn wir schlechte Nachrichten erhalten oder vom heulenden Elend gepackt werden, greifen wir zum Telefon und rufen unsere Schwester, unsere Mutter, unseren Bruder oder unseren Vater an. Wir suchen Trost - und häufig finden wir ihn. Doch manchmal endet das Ganze auch damit, dass wir noch frustrierter sind als vorher, wenn nicht gar wütend oder eingeschnappt.

Warum hat man bei Gesprächen in der Familie so häufig das Gefühl, dass man sich ständig im Kreis bewegt und nicht von der Stelle kommt?
Gespräche sind der Grundstoff unserer Beziehungen. Worte geben uns Zuspruch. Worte verletzen uns. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, Beziehungen zu verstehen - wie sie funktionieren, wie sie besser funktionieren könnten -, indem ich herauszufinden versuche, welche Mechanismen in ganz normalen Gesprächen ablaufen. Und es gibt kaum Gespräche, die einerseits so viel Positives bewirken und andererseits so tief verletzen können wie Unterredungen zwischen Familienmitgliedern. In diesem Buch richte ich meine Aufmerksamkeit auf Unterhaltungen, die in der Familie stattfinden - insbesondere zwischen erwachsenen Familienmitgliedern: zwischen Eheleuten und Eltern; Eltern und erwachsenen Kindern; erwachsenen Schwestern und Brüdern.

Die Familie ist wie ein Dampfkochtopf, in dem Beziehungen brodeln: Dieselben Prozesse, die alle Dialoge antreiben, bestimmen auch die Gespräche in der Familie. Doch die Auswirkungen sind größer, die Reaktionen heftiger, weil so viel auf dem Spiel steht -nämlich unser Gefühl, dass wir, so wie wir sind, richtig sind, und ob unsere Welt, so wie sie ist, auch von anderen akzeptiert wird. Ich untersuche, was im Innern dieses Dampfkochtopfes vor sich geht:

Wie Sprechweisen dazu beitragen, dass wir uns durch die Familie ganz besonders geborgen, aber auch ganz besonders irritiert fühlen können. Wenn man einmal weiß, was im Topf drin ist und wie sich Dampf und Druck auf den Inhalt auswirken, kann man die Zutaten umrühren und auf neue und andere Weise mischen.

In meinem Buch Das hab ich nicht gesagt! stelle ich mein Konzept des Gesprächsstils vor und zeige auf, wie das Wissen um die Mechanismen, die in Konversationen am Werk sind, zur Aufklärung von Beziehungen beitragen und zum Ausgangspunkt für ihre Verbesserung werden kann. In Du kannst mich einfach nicht verstehen konzentriere ich mich auf den Gesprächsstil von Männern und Frauen - auf die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede, auf die Probleme, die durch die Differenzen entstehen können, und auf die Frage, wie man derartige Probleme durch ein besseres Verständnis der Unterschiede lösen kann. In Job-Talk untersuche ich, auf welche Art und Weise der geschlechtsspezifische Gesprächsstil Auswirkungen zeigt, wer beispielsweise Aufmerksamkeit bekommt, Anerkennung erhält und die Arbeit erledigt. In Lass uns richtig streiten beschäftige ich mich schließlich mit dem Reden in der Öffentlichkeit, mit Diskussionen in den Medien, in der Politik und im Bildungswesen sowie mit unserer Neigung, alles als eine metaphorische Schlacht zu betrachten.

Jetzt kehre ich zu meiner ersten Liebe zurück - zur Sprache der Alltagsunterhaltungen und wie sie funktioniert (oder nicht funktioniert), um familiäre Beziehungen zu schaffen, zu verstärken, zu komplizieren oder zu verbessern.
Heutzutage wird viel über Familie geredet. Es gibt kaum einen Politiker, der nicht in seinen Reden die "Werte der Familie" hervorhebt. Wenn jemand, der eine Stellung oder ein öffentliches Amt aufgibt, erklärt: "Ich möchte mehr Zeit für meine Familie haben", stellt niemand diese Motivation infrage. Wir entschuldigen ein Verhalten, das wir andernfalls nicht dulden würden, mit einem alles verzeihenden:
"Die Familie geht vor".
Warum hat das Wort so viel Gewicht?

Familie steht für ein Gefühl von Zugehörigkeit - sie ist die Grundlage für das, was wir sind oder tun. Wenn wir das Gefühl haben, in unsere Familie zu passen, passen wir sozusagen in die Welt. Und wenn unsere Familie uns so sehen kann, wie wir wirklich sind, können wir nicht nur in unserer Familie, sondern auch in der Welt so sein, wie wir sind. Doch das Ganze hat auch eine Kehrseite. Wenn die Mitglieder unserer Familie (also die Menschen, die uns angeblich am besten kennen und es besonders gut mit uns meinen) Kritik an uns üben und uns unzulänglich finden, kann uns dann überhaupt irgendjemand lieben?

Je unpersönlicher, komplexer und überwältigender die Welt wird, desto mehr wenden wir uns unserer Familie zu, wenn wir Trost und Geborgenheit suchen. Auch wenn es möglich - und manchmal notwendig - ist, die Familie vollständig abzulehnen, wollen wir in den meisten Fällen den Kontakt aufrechterhalten und uns weiter umeinander kümmern. Doch gelegentlich erweist sich eben dieser angestrebte Kontakt als außerordentlich frustrierend.

Statt der erhofften Anerkennung und Akzeptanz, die auf dem Boden der familiären Liebe wachsen sollten, ernten wir nur (oder jedenfalls genauso viel) Kritik und Vorurteile. Wenn wir mit Familienmitgliedern reden, suchen wir nach Zeichen der Liebe, gewöhnen uns aber an Zeichen der Missbilligung.

Eine Frau, deren Tochter häufig anrief, aber jedes Mal wütend auf ihre Mutter wurde, protestierte: "Du hast mich angerufen! Warum rufst du mich an, wenn dir nicht gefällt, was ich sage?!"

Wir alle rufen immer wieder an, suchen immer wieder das Gespräch - ob per Telefon, E-Mail oder in unseren Herzen -, weil wir uns nach der Verbundenheit sehnen, die Familie bietet. Deshalb müssen wir Methoden entwickeln, die sicherstellen, dass diese Gespräche häufiger die ersehnte Ermutigung bringen und seltener in Frustration enden.

Jede Beziehung ist ambivalent, pflegte eine befreundete Psychologin zu sagen. Jeder Mensch in unserem Leben, einschließlich jeder Person in unserer Familie hat Seiten, die wir schätzen, und Seiten, die uns ärgern. Manchmal wachsen sich diese Irritationen zu Zerwürfnissen aus - und breiten sich immer weiter aus wie ein wuchernder Schlingknöterich. Wenn wir Gespräche in Familien besser verstehen wollen, müssen wir lernen, die Ursachen solcher Verwicklungen zu erkennen. Mit diesem Wissen haben wir eine bessere Chance, mit unseren Problemen fertig zu werden, ohne uns gegenseitig fertig zu machen.
S. 9-11


Inhalt

Prolog
9

Anmerkung der Autorin
"Woher haben Sie Ihre Beispiele?"
21

1
"ich darf den Mund wohl überhaupt nicht mehr aufmachen"
Wie man bei Gesprächen in der Familie zwischen
Mitteilungen und Metamitteilungen unterscheidet
25

2
"Wen hast du am meisten lieb?" Familiengeheimnisse,
Farnilienklatsch: Partei ergreifen
56

Zwischenspiel I
"Behandle mich ruhig weiter wie eine Fremde"
98

3
Um Liebe streiten
Bindung und Kontrolle bei Familienzwistigkeiten
101

4
"Tut mir Leid, aber ich entschuldige mich nicht"
Warum Frauen sich öfter entschuldigen als Männer und warum das wichtig ist
135

5
Er sagt, sie sagt
Geschlechtsspeziflsche Muster bei Familiengesprächen
169

6
"ihr Gruftis lebt doch in der Vergangenheit"
TaIk mit Teens
212

Zwischenspiel II
"Nenne mich bei meinem richtigen Namen"
259

7
"Ich bin immer noch deine Mutter"
Mütter und erwachsene Kinder
265

8
"Hilf mir - lass mich in Ruhe!"
Geschwister auf Lebenszeit
304

9
Fremde in der Familie
in Babylon wird neu gebaut
336


Ein Monster im Haus

... Mütter und halbwüchsige Töchter
Obwohl die Teenagerzeit für fast alle Familien schwierig ist, gibt es einen speziell für Mütter und Töchter reservierten Kreis der Hölle. Die Folksängerin und Songschreiberin Peggy Seeger fängt dieses einzigartige Drama, vor allem die Situation, in der die Tochter ständig ausgeht, in ihrem Song "Different Tunes" ein

Warum erzählst du mir nicht, wohin du gehst?
Ich wünschte, du würdest zu Hause bleiben.

Seeger ist selbst Mutter einer Tochter (und zweier Söhne - von daher kennt sie die Unterschiede in den Kämpfen). Sie erklärt, dass sich ihr Song sowohl auf ihre Erfahrung mit ihrer eigenen Tochter als auch auf "Unterhaltungen mit anderen Müttern und deren halbwüchsigen Töchtern stützt. Alle Mütter sagen dasselbe: Irgendwann zwischen elf und sechzehn verwandelten sich ihre Töchter in Ungeheuer". Doch die Einschätzung beruht auf Gegenseitigkeit: "Die Mehrheit der Töchter beschrieb ihre Mütter als furchtbar, aufdringlich, tyrannisch, voreingenommen und Ähnliches mehr - mit anderen Worten: als Monster." S. 228

Lesezitate nach Deborah Tannen - Ich mein's doch nur gut



Bookinists Buchtipp zu

... eine spannende Frage ist, warum der Mensch überhaupt die Sprache erfunden hat !?
Eine gute Antwort darauf liefert Ihnen

Klatsch und Tratsch

von Robin Dunbar




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Titel von
Deborah Tannen
 Taschenbuch



Du kannst mich einfach nicht verstehen.

Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden.
© 1998



Das hab' ich nicht gesagt. Kommunikationsprobleme im Alltag.

© 1999



Laß uns richtig streiten.

Vom kreativen Umgang mit zusätzlichen Widersprüchen.
© 2001



Andere Worte, andere Welten.

Kommunikation zwischen Frauen und Männern.
© 1999



' Warum sagen Sie nicht, was Sie meinen?'

© 2000



Job- Talk.

Wie Frauen und Männer am Arbeitsplatz miteinander reden.
© 1995


© 23.9.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de