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Bei lebendigem Leib Souad - Bei lebendigem Leib
s ist eine zutiefst archaische und durch und durch patriarchalisch geprägte Gesellschaft, in die das Mädchen Souad hineingeboren wird. Ihr Geburtsdatum kennt sie nicht genau, vermutlich ist es das Jahr 1957.
Sie wächst in einem abgelegenen Dorf im besetzten Westjordanland auf. Für sie und ihre Schwestern besteht der Tag daraus, das Essen für die Familie zu kochen, zu waschen, die Arbeit auf dem Feld ist zu erledigen und selbstverständlich sind die Schafe zu hüten. Anerkennung und Lohn erhalten die Mädchen für ihre Anstrengungen nicht, dafür aber eine Menge Prügel, sobald eine Kleinigkeit nicht nach dem Willen des gefürchteten Vaters geschieht. An einen Schulbesuch ist nicht zu denken.
Auch die Arbeit der Mutter dreht sich einzig darum, Souads Bruder und den Vater zufrieden zu stellen. Es ist undenkbar, dass ein junges, unverheiratetes Mädchen alleine einkaufen geht oder auch nur einen Spaziergang macht.
»Den möglichen Tod vor Augen zu haben, war für uns Alltag, tagein, tagaus. Ein Nichts konnte ihn verursachen, vollkommen überraschend, einfach, weil es der Vater so beschlossen hatte.«
Die Katastrophe bahnt sich an, als Souad bemerkt, dass die heimlichen Verabredungen mit dem jungen Nachbarn, in den sie sich verliebt hat und täglich vergeblich auf einen Heiratsantrag von ihm wartet, Konsequenzen haben. Souad erwartet ein Kind.
Als sich ihre Schwangerschaft nicht mehr verheimlichen lässt, beschließt der Familienrat Souads Tod. Die Vollstreckung fällt ihrem Schwager zu. Er übergießt die junge Frau bei seinem nächsten Besuch, bei dem er sie alleine im Hof antrifft, mit Benzin und verwandelt sie in eine lebende Fackel.
Nur mit einer unglaublichen Portion Glück wird Souad gerettet. Doch die Hilfe im Krankenhaus beschränkt sich lediglich darauf, dass der Tod Souads erwartet wird. Niemand versorgt ihre Brandwunden sachgerecht. Selbst die Krankenschwestern sind von ihrer Schuld überzeugt. Und ihre Eltern versuchen sogar noch im Krankenzimmer die Tochter zu vergiften, um ihre Schuld zu tilgen. Ein Ehrenmord, der nach ihrem gesellschaftlichen Verständnis völlig legitim ist.
Ohne die Hilfe von Jacqueline, einer Mitarbeiterin von Terre des Hommes, wäre Souad nicht gerettet worden. Sie schafft es, alle bürokratischen Hürden zu überwinden und einen Flug nach Lausanne zu organisieren.
Souad lebt heute mit ihrer eigenen Familie in der Schweiz. Ihre schrecklichen Erlebnisse hat sie in einem erschütternden Bericht aufgezeichnet. Ihre psychischen Wunden sind genauso schwer zu ertragen, wie die Narben der Brandwunden an ihrem Körper. Ihr Gedächtnis hat viele verstörenden Erlebnisse aus ihrer Kindheit einfach gelöscht, doch in ihren Träumen verfolgt sie ihre Heimat, in der sie für tot erklärt wurde, immer noch.
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© 5.2.2004 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |