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Bookinists Buchtipp zu



Carmen Bin Ladin

Der zerissene Schleier
Biografie

In diesem Moment wurde mir schlagartig klar, dass das kein Unfall war. Das konnte nur ein gezielter Anschlag sein, auf ein Land, das ich immer geliebt hatte und das mir zur zweiten Heimat geworden war. Ich erstarrte. Und dann erfasste mich blankes Entsetzen. als mir bewusst wurde, dass hinter diesem schrecklichen Verbrechen der Schatten meines Schwagers lauern könnte: Osama Bin Ladin.


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N U B A

von Leni Riefenstahl
BILDBAND




Sklavenhaltung !? Menschenraub?
Heute noch?!!!

Mende Nazer, Damien Lewis - Sklavin

klavenhaltung, heute? Im 21. Jahrhundert? Nein, Kopfschütteln, es ist nicht vorstellbar, dass es so etwas noch geben kann. Doch genau davon erzählt Mende Nazer in ihrem erschütternden Buch »Sklavin«.

Mende gehört zum Stamm der Nuba und lebt mit ihrer Familie in den nubischen Bergen im Süden des Sudan. Ihre Kindheit, sie wird 1980 geboren, ist behütet und glücklich. Sie fühlt sich sehr wohl bei ihren Eltern und den zahlreichen Geschwistern. Schon während ihrer ersten Schultage ahnt Mende, als die Lehrer streng darauf bestehen, dass ausschließlich arabisch gesprochen wird und alle Kinder auf neue arabische Namen hören, dass diese Menschen sehr mächtig in ihrer Heimat sind.

Vom seit vielen Jahren im Land tobenden Bürgerkrieg ist Mende mit zwölf Jahren erstmals direkt betroffen, als ihr Dorf eines Nachts von arabischen Milizionären überfallen wird. Fast alle erwachsenen Dorfbewohner werden erbarmungslos von Plündernden niedergestochen. Mende aber wird gefangen genommen und mit vielen anderen Jungen und Mädchen verschleppt. Auf ihrem Weg zu einem Militärlager wird sie von ihren Entführern mehrfach vergewaltigt und ständig misshandelt.

Ihr unbeschreibliches Leid setzt sich fort, als sie an eine Familie in Khartoum als Sklavin verkauft wird. Nun mehr besteht ihr Leben aus einer einzigen Plackerei. "Ich sollte wie ein Tier, wie ein Hund, gehalten werden und in meiner Zimmerecke von meinem eigenen Geschirr essen." Die Kinder des Hauses sind zu versorgen, putzen, waschen, bügeln, die Terrasse fegen...", es sind eine Unzahl von Arbeiten, die Mende in den nächsten sieben Jahren in diesem Haus zu erledigen hat. Ein freier Tag, vielleicht ein Spaziergang, oder Bezahlung, daran ist nicht zu denken. Dafür bekommt sie je nach Laune der Dame des Hauses eine Menge Schläge und Prügel.

Am Höhepunkt ihrer Geschichte wird Mende nach London geschickt und gleich einem Gegenstand an die Schwester ihrer "Herrin" ausgeliehen. Deren Ehemann, ein hochrangiger Mitarbeiter der sudanesischen Botschaft, erlaubt es sich tatsächlich, in seiner eigenen Familie ein junges Mädchen als Sklavin für die Hausarbeit zu halten. Doch Mende gelingt aus seinem Haus im September 2000 die Flucht und so wird ihr Schicksal glücklicherweise öffentlich.

Den Autor Damien Lewis, britischer Journalist und ein Kenner der Verhältnisse im Sudan, hat Mende bei ihrer Flucht kennen gelernt. Er hat mit ihr zusammen diesen erschütternden Bericht über ihr Leben aufgeschrieben.

Es ist unfassbar, so schreibt Damien Lewis in seinem Nachwort, "dass die Sklaverei im Sudan heute noch Realität ist. Heute wohlgemerkt, nicht etwa vor dreihundert Jahren, als wir Briten die Meister im Handel mit menschlichem Leid waren. Heute, gut fünfzig Jahre nachdem die UN-Deklaration der Menschenrechte festschrieb, dass alle Menschen gleich sind und dass niemand in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden darf."

»Sklavin« ist ein Buch, das einen zu Tränen rührt angesichts der unglaublichen Qualen und Schmerzen, die einem Menschen zugefügt werden, wobei jegliches Selbstwertgefühl, jede Identität mit Füßen getreten wird.
© manuela haselberger


Mende Nazer, Damien Lewis - Sklavin
4 Seiten s/w-Fotos
Originaltitel: Slave, © 2000
Übersetzt von Karin Dufner
© 2002, München, Schneekluth Verlag,
318 S., 19.90 € (HC)



Mende Nazer ist heute um die 22 Jahre alt - ein genaues Geburtsdatum wird bei den Nuba nicht festgehalten. Aufgewachsen in den Nuba-Bergen im Sudan, lebt sie heute in London - nach neun Jahren Gefangenschaft in Afrika und Europa. Ihr größter Wunsch ist es, so bald wie möglich ihre Familie im Sudan wiederzusehen.


Letzten Agenturmeldungen zufolge wurde der Asyl-Antrag von Mende Nazar in Großbritannien Mitte Oktober 2002 abgelehnt.
Ihr droht damit die Abschiebung in den Sudan.

© 18.10.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de



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Der Überfall

Der Tag, der mein Leben für immer verändern sollte, begann mit einem traumhaften Sonnenaufgang. Um die Sonne zu begrüßen, wandte ich mich nach Osten und sprach das erste meiner fünf täglichen Gebete zu Allah. Es war der Frühling 1992, gegen Ende der Trockenzeit, und ich war etwa zwölf Jahre alt. Nach dem Beten machte ich mich für die Schule fertig. Der Hin- und Rückweg dauerte zu Fuß jeweils eine Stunde. Ich war eine ausgesprochen fleißige Schülerin, denn ich wollte Ärztin werden, wenn ich einmal erwachsen war, ein sehr ehrgeiziger Traum für ein afrikanisches Mädchen aus einfachen Verhältnissen.

Ich komme vom Stamm der Nuba in den Nubabergen des Sudan, einer der abgelegensten Gegenden der Welt. Damals lebte ich in einem Lehmhüttendorf, das sich in eine Senke zwischen den hohen Hügeln schmiegte. Mein Stamm bestritt seinen Lebensunterhalt mit Jagd, Ackerbau und Viehzucht, und mein Vater, der eine Herde von fünfzig Rindern besaß, galt als verhältnismäßig wohlhabend. Die meisten Bewohner unseres Dorfes waren Moslems.

Als ich nach einem anstrengenden Schultag nach Hause kam, erledigte ich erst einmal meine häuslichen Pflichten. Dann kochte meine Mutter das Abendessen - mein Vater hatte mit meinen Brüdern draußen auf den Feldern die Ernte eingebracht, und alle waren sehr hungrig. Nach dem Essen gingen wir alle hinaus in den Hof und lauschten den Geschichten, die mein Vater erzählte. Ich weiß noch, wie ich am Feuer saß und lachte und lachte. Mein Vater war ein sehr humorvoller, witziger Mensch. Ich liebte meine Familie über alles.

Da der Abend kühl war, blieben wir nicht lange draußen. Wie immer kuschelte ich mich zum Schlafen an meinen Vater. In der Mitte der Hütte brannte die ganze Nacht lang ein Feuer, das uns wärmen sollte. Uran, meine kleine Katze, rollte sich auf meinem Bauch zusammen. Meine Mutter lag in ihrem Bett auf der anderen Seite des Feuers. Bald waren wir eingeschlafen - und dann begannen die schrecklichsten Stunden meines Lebens. Draußen war plötzlich ein schrecklicher Tumult zu hören. Erschrocken fuhr ich hoch und sah ein seltsames orangefarbenes Licht in die Hütte scheinen.

»Ook tom gua!«, rief mein Vater und sprang auf. »Feuer! Im Dorf brennt es!«

Wir stürzten zur Tür und stellten fest, dass am anderen Ende des Dorfes Flammen hoch in den Himmel emporschlugen. Zunächst glaubten wir, dass eine Hütte zufällig Feuer gefangen hatte, was in unserem Dorf recht häufig vorkam. Dann aber bemerkten wir Menschen, die mit brennenden Fackeln in der Hand zwischen den Hütten herumliefen. Ich beobachtete, wie sie die Fackeln auf die Dächer der Hütten warfen, sodass diese sofort in Flammen aufgingen. Als die Menschen aus ihren Behausungen flohen, wurden sie von den Männern angegriffen und zu Boden geschleudert.

»Mudschaheddin!«, schrie mein Vater. »Wir werden von Arabern überfallen! Die Mudschaheddin sind im Dorf!« Obwohl ich noch immer nicht richtig begriff, was geschehen war, war ich vor Angst wie gelähmt. Dann packte mein Vater mich am Arm.

»Go lore okone? Go lore okone?«, rief er. »Wohin können wir fliehen?«

Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Ich spürte, dass meine Mutter, die dicht neben mir stand, am ganzen Leibe zitterte, und auch ich war starr vor Furcht. Mit dem einen Arm drückte ich meine Katze Uran an mich, die andere Hand umklammerte die meines Vaters. Und dann fingen wir an zu rennen.

»Lauf zu den Hügeln«, schrie mein Vater. »Hinter mir her! Lauf! Lauf!«

Es war wie in einem schlimmen Albtraum. Mein Vater rannte voraus, dann ich mit meiner Katze und meine Mutter dicht hinter uns. Der Nachthimmel war hell erleuchtet, weil so viele Hütten brannten. Frauen und Kinder eilten in alle Richtungen davon und weinten und schrien voller Panik. Ich sah, wie die Angreifer Kinder gewaltsam aus den Armen ihrer Eltern rissen. »Halt dich an mir fest, so gut du kannst, Mende!«, rief mein Vater.

Ich sah, wie die Männer den Leuten die Kehle durchschnitten. Ihre gekrümmten Dolche blitzten im Feuerschein. Ich kann niemandem beschreiben, was für Dinge ich sah, als wir durchs Dorf rannten. Niemand soll je Zeuge solcher Gräueltaten werden müssen, wie ich sie in dieser Nacht erlebte.

Durch Rauch und Flammen hindurch konnte ich erkennen, dass mein Vater auf die Berge zuhielt. Doch kaum hatten wir den Saum der Hügel erreicht, bemerkten wir vor uns eine lange Reihe weiterer Angreifer zu Pferd. Von weitem schon sah ich ihren wilden, durchdringenden Blick, die langen Bärte und ihre abgerissenen, schmutzigen Kleider. Sie sahen völlig anders aus als die Männer unseres Stammes. Mit erhobenen Waffen schnitten sie uns den einzigen Fluchtweg ab. Ich sah, wie einige verängstigte Dorfbewohner vor uns direkt in die Falle liefen. Als sie den Hinterhalt bemerkten, kehrten sie schreiend um und versuchten, irgendeinen anderen Ausweg zu finden. Chaos und Panik brachen aus, begleitet vom Krachen der Gewehrsalven.

Als wir umkehrten, um in die entgegengesetzte Richtung davonzulaufen, hörte ich meinen Vater verzweifelt nach meiner Mutter rufen. In all dem Tohuwabohu hatten wir sie verloren. Nun war ich allein mit Vater und rannte und rannte und sollte immer noch schneller rennen. Doch auf einmal stolperte ich und stürzte. Ich weiß noch, wie meine Katze mir in diesem Moment aus dem Arm sprang. Und gerade als ich mich aufrappelte, griff einer der Mudschaheddin nach mir und wollte mich fortziehen. Mein Vater warf sich auf ihn und versuchte ihn niederzuringen. Er schlug auf den Angreifer ein und traf ihn so am Kopf, dass er fiel und nicht mehr aufstand. Dann zog mich mein Vater an den Armen hoch, weg von dem Handgemenge; meine Beine fühlten sich an, als würden sie von scharfen Steinen zerfetzt. Aber ich achtete nicht auf den Schmerz. Irgendwie brachte mich mein Vater wieder auf die Füße, und wir rannten weiter, rannten und rannten.

»Mende, lauf, so schnell du kannst!«, rief mein Vater immer wieder. »Wenn sie dich kriegen wollen, müssen sie erst mich töten!«

Wir hasteten zurück zum anderen Ende des Dorfes. Ich jedoch war nun restlos erschöpft, meine Kräfte schwanden mit jeder Sekunde. Und da plötzlich gerieten wir mitten in eine Herde panisch davongaloppierender Rinder. Ich fiel ein zweites Mal. Ich nahm trampelnde Hufe über und neben mir wahr. Zusammengekrümmt lag ich auf der Erde und war mir sicher, dass ich nun sterben würde. Von irgendwoher hörte ich meinen Vater rufen: »Mende agor! Mende agor!« - Wo bist du, Mende, wo bist du? Seine Stimme klang vor Erschöpfung ganz fremd. Ich versuchte zu antworten und mich bemerkbar zu machen, doch meine Kehle war wie zugeschnürt vom Schmerz und vom Staub. Ich konnte nur noch heiser flüstern: »Ba! Ba! Ba!« - Papa! Hier!

Aber er hörte mich nicht. So lag ich da wie versteinert. Tränen strömten über mein Gesicht. Und da packte mich ein Mann von hinten und drückte mich zu Boden. Sein stoppliger Bart kratzte mich im Nacken, und ich konnte seinen stinkenden Atem riechen.

Ich wusste, dass mein Vater ganz in der Nähe verzweifelt nach mir suchte. Immer wieder versuchte ich, nach ihm zu rufen, doch der Mann hielt mir nur noch brutaler den Mund zu. »Sei endlich still!«, fuhr er mich an. »Wenn du weiter so schreist, finden dich die anderen Männer und töten dich.« Er zog mich auf die Beine und führte mich durchs Dorf. Im Schein der brennenden Hütten konnte ich sehen, dass auch er einen Dolch und eine Pistole im Gürtel trug. Noch als ich abgeführt wurde, war ich mir sicher, die Stimme meines Vaters zu hören. »Mende! Mende! Mende!« Mein Vater ist der tapferste Mann der Welt. Er hätte versucht, mich zu retten. Wenn er mich nur hätte finden können, hätte er den Kampf mit jedem Mudschahed im Dorf aufgenommen. Ich wollte laut aufschreien: »Ba! Ba! Hier bin ich! Ich kann dich hören!« Doch der Araber hielt mir den Mund fest zu.

Als wir weiterliefen, sah ich, dass das ganze Dorf brannte, und rund um uns ertönten Schreie. Ich sah Nubafrauen auf dem Boden, Mudschaheddin auf ihnen. In der Luft lag der Geruch von Brand, Blut und Terror. Während ich vorwärts gezwungen wurde, betete ich: »O Allah, o Allah, rette mich, bitte rette mich.« Und ich betete zu Gott, dass er auch meine Familie retten möge. Immer wieder, als man mich zum Wald brachte, flehte ich meinen Gott um Rettung für uns alle an.

Wir ließen das brennende Dorf hinter uns und kamen zum Waldrand. Unter den Bäumen saßen etwa dreißig andere Kinder aneinander gedrängt auf dem Boden. Weitere Mudschaheddin kamen und brachten kleine Nubajungen und -mädchen mit. Die Kleider und Messer der Angreifer waren blutgetränkt; in ihrem Blick funkelte die reine Bosheit. Als sie sich näherten, hörte ich sie aus voller Kehle brüllen: »Allahu Akhbar! Allahu Akhbar! Allahu Akhbar!« - Gott ist groß!

Ich hatte keine Ahnung, ob jemand aus meiner Familie entkommen war oder ob sie alle ermordet worden waren. Ich hatte auch keine Ahnung, was nun mit mir geschehen würde. Und so endete meine wundervolle, glückliche Kindheit, und mein Leben als Sklavin begann.

Lesezitate nach Mende Nazer, Damien Lewis - Sklavin