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Der Heiratsschwindler
Ruth Rendell - Der Liebesbetrug

in neuer Krimi von Ruth Rendell? Eigentlich braucht man dazu nichts weiter zu sagen, denn die Bücher der unumstrittenen "Queen of Crime" verkaufen sich ganz von selbst. Schließlich wissen ihre Fans, dass sie sich auf ihre Qualität verlassen können. Doch ihr neuer Roman "Der Liebesbetrug" ist nur auf den ersten Blick ein Thriller, auch wenn natürlich die obligatorischen Leichen nicht fehlen dürfen und am Schluss ein Täter verhaftet wird. Viel interessanter als die Rahmenhandlung sind jedoch die unterschiedlichen Personen und Charaktere und ihre gesellschaftlichen Milieus, in denen sie agieren. In diesen Schilderungen beweist Ruth Rendell aufs Neue ihre absolute Könnerschaft.

Jeff ist ein kleiner Ganove und verdient seinen Lebensunterhalt recht und schlecht mit Pferdewetten. Etwas lukrativer wird es für ihn, wenn er seinen Charme spielen lässt und die Damenwelt bezaubert. Natürlich muss dabei der finanzielle Hintergrund der Umworbenen gesichert sein.

Bei Minty hat er leichtes Spiel. Das Haus in dem sie lebt, hat ihr ihre Tante vererbt und einen Freund hat sie noch nie gehabt. So fühlt sie sich sehr geschmeichelt, als er sich für sie interessiert und zu einer Verlobung sagt sie nicht nein. Natürlich leiht sie ihm Geld, das ist kein Problem und die Hüftoperation seiner kranken Mutter übernimmt sie gerne. Nur sein seltenes Erscheinen betrübt sie. Und dann kommt völlig unerwartet ein Brief. Ihr Verlobter tot? Gestorben bei einem Zugunglück?

Minty fällt aus Wolken. Aber wer sitzt dann wenige Wochen später in ihrer Wohnung, verfolgt sie bei der Arbeit? Ist der Geist ihres Verlobten zurückgekehrt? Können Geister sprechen? Reicht es nicht schon, dass die verstorbene Tante Minty unablässig und vor allem ungefragt schlaue Ratschläge erteilt? Vielleicht hilft es, wenn Minty mit einem Messer gegen die zudringlichen Gespenster einschreitet.

Es ist unglaublich, wie überzeugend Ruth Rendell die Wahnvorstellungen Mintys schildert, doch auch die anderen Frauen, die Jeff beglückt hat, melden sich zu Wort. Seine tatsächliche Ehefrau, eine Scheidung hat es nie gegeben, nutzt die Gunst der Stunde und heiratet einen konservativen Abgeordneten. Eine Ehe, die nur für die wachsamen Augen der Öffentlichkeit geschlossen wird, denn ihr neuer Ehemann ist homosexuell. Und dann gibt es noch Fiona, die gut betuchte Bankangestellte. Bei ihr wohnt Jeff, ihr hat er die Hochzeit versprochen und von ihr lässt er sich aushalten.

Als die Leiche von Jeff gefunden wird, wittert eine Journalistin den Skandal: Heiratsschwindel, Bigamie im Unterhaus. Die Schlagzeilen sind schon fertig. Als eine seiner früheren Geliebten hat sie mit Jeff sowieso noch eine Rechnung offen.
© manuela haselberger


Ruth Rendell - Der Liebesbetrug
Originaltitel: Adam and Eve and Pinch Me, © 2001
Übersetzt von Cornelia C. Walter

© 2002, München, Blanvalet, 480 S., 22.90 € (HC)





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Minty wusste, dass das, was da auf dem Stuhl saß, ein Geist war, denn sie hatte Angst. Wenn es nur Einbildung gewesen wäre, hätte sie keine Angst gehabt. Wie sollte man auch, wenn es doch etwas war, was man sich ausgedacht hatte. Es war früh am Abend, aber weil Winter war, war es schon recht dunkel. Sie war eben von der Arbeit nach Hause gekommen, hatte die Haustür aufgeschlossen und das Licht im Flur angemacht. Die Wohnzimmertür stand offen, und das Gespenst saß auf einem Stuhl mitten im Zimmer und hatte ihr den Rücken zugewandt. Den Stuhl hatte sie sich morgens dorthin gestellt, um eine Glühbirne auszuwechseln, und dann vergessen, ihn wieder an seinen Platz zu bringen. Beide Hände fest auf den Mund gepresst, um nicht laut aufzuschreien, ging sie einen Schritt auf die Gestalt zu. Was mach ich, wenn es sich umdreht?, dachte sie. In Geschichten sind Gespenster immer grau wie die Leute im Schwarzweiß-Fernsehen oder aber durchsichtig, doch dieses hier hatte kurzes, dunkelbraunes Haar, einen gebräunten Hals und eine schwarze Lederjacke an. Minty brauchte das Gesicht gar nicht zu sehen, um zu wissen, dass es ihr verstorbener Verlobter Jock war.

Und wenn es dort sitzen blieb und sie den Raum nicht mehr benutzen konnte? Völlig reglos war es nicht. Der Kopf bewegte sich ein wenig und dann das rechte Bein. Beide Füße schoben sich zurück, als ob es gleich aufstehen wollte. Minty kniff die Augen fest zu. Alles war still. Als eins der Kinder von gegenüber auf der Straße draußen aufkreischte, fuhr sie zusammen und schlug die Augen auf. Das Gespenst war weg. Sie machte Licht und befühlte die Sitzfläche des Stuhls. Dass sie noch warm war, überraschte sie. Man stellt sich Gespenster doch immer als kalt vor. Sie schob den Stuhl an seinen Platz am Tisch zurück. Wenn er nicht mitten im Zimmer stand, würde der Geist vielleicht nicht zurückkommen.

Sie ging nach oben und rechnete fast damit, ihn dort zu sehen. Er hätte an ihr vorbeischleichen und heraufkommen können, während sie die Augen geschlossen hatte. Weil Gespenster kein Licht mögen, schaltete sie alle Lampen an, sämtliche guten Hundert-Watt-Birnen, doch er war nirgends zu sehen. Zwar hatte sie ihn einmal geliebt, hatte sich ihm wie ehelich verbunden gefühlt, obwohl sie nicht verheiratet waren, aber seinen Geist wollte sie nicht um sich haben. Es regte sie zu sehr auf.

Nun gut, jetzt war er weg, und es war Zeit, sich ausgiebig zu waschen. Eins der Dinge, die Jock an ihr gemocht hatte -da war Minty sich sicher -, war die Tatsache, dass sie immer makellos sauber war. Bevor sie heute Morgen zu lmmacue gegangen war, hatte sie natürlich gebadet und die Haare gewaschen, nicht im Traum würde ihr einfallen, einfach so aus dem Haus zu gehen, aber das war schon acht Stunden her, und sie hatte bestimmt allen möglichen Dreck aufgeschnappt in der Harrow Road und von den Leuten, die in den Laden gekommen waren, ganz zu schweigen von den Sachen, die sie zum Reinigen gebracht hatten. Es war herrlich, ein Badezimmer ganz für sich allein zu haben. Sooft sie es betrat, sprach sie ein Dankgebet zu Tantchen, als wäre die eine Heilige (wofür Minty sie zu Lebzeiten selten gehalten hatte), weil sie es ihr ermöglicht hatte.

Liebes Tantchen, danke, dass du gestorben bist und mir ein Bad hinter-lassen hast. Ich bin dir ja so dankbar, es ist wirklich was Besonderes. Deine dich ewig liebende Nichte Araminta. Sie zog alle Sachen aus und warf sie in den Wäschekorb mit dem Deckel Es war teuer, mehr als einmal pro Tag zu baden. Sobald es sich leisten könnte, würde sie eine Dusche einbauen lassen.Eines Tages, wenn auch nicht so bald, wie sie gehofft hatte. Bis dahin wusch sie sich auf der Badematte am Becken stehend, mit dem großen Naturschwamm, den ihre Nachbarin Sonovia ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.

Wie alles im Badezimmer hatte auch die Nagelbürste Tantchen gehört. Sie war türkisblau und hatte einen Griff, damit man sie gut festhalten konnte. Minty schrubbte sich die Nägel Diese Hygienemaßnahme hatte sie zur hohen Kunst entwickelt. Es brachte nichts, mit der Bürste einfach über die Fingerkuppen zu fahren, sondern man musste die äußeren Randborsten direkt unter die Nägel schieben und dann zügig hin und her bewegen. Ihre Füße wusch sie zuletzt, wobei sie darauf achtete, reichlich Seife zwischen die Zehen zu bekommen und danach ihre Zehennägel mit der Nagelbürste zu traktieren. Tantchen hatte einmal gesagt, Seife würde zusehends aus den Geschäften verschwinden. Man könne sich darauf verlassen, bald würde man kein anständiges Stück Seife mehr finden. Dieses ganze Gelzeug und die Fläschchen mit Essenzen heutzutage, Puderkram und Waschstücke, ganz zu schweigen von Seife, die überhaupt keine Seife war, sondern irgendein Zeug voller Rosenknospen und Samen und Grasstückchen. Auf den ganzen Krempel konnte Minty verzichten. Sie schwor seit jeher auf Wright's Teerseife.

Im Bad fühlte sie sich sicher. Ein Gespenst im Badezimmer konnte man sich irgendwie nicht vorstellen, das ginge doch gar nicht. Was war mit ihrem Haar? Sollte sie es waschen? Es sah eigentlich recht sauber aus, das feine, flusige helle Haar, das wie üblich in alle Richtungen davonstob. Am besten ging sie auf Nummer sicher und hielt den Kopf kurz unter den Wasserhahn. Sie hatte vor, später mit Sonovia und Laf auszugehen und wollte keinen Anstoß erregen - es gibt doch nichts Unangenehmeres als fettiges Haar neben sich. Schließlich wusch sie es gleich richtig, konnte ja nicht schaden.

Minty trocknete sich ab und warf das benutzte Badetuch in den Wäschekorb. Sie benutzte ein Badetuch immer nur einmal und Körperlotion oder Parfum nie. Deodorant ja, und zwar auf den Fußsohlen und Handflächen sowie in den Achselhöhlen. Körperlotion machte saubere Haut doch nur schmutzig, genauso wie Make-up. Außerdem konnte sie sich den ganzen Mist gar nicht leisten. Sie war ziemlich stolz auf die Tatsache, das kein Lippenstift je ihren Mund und keine Wimperntusche je ihre blassen Wimpern besudelt hatte. Normalerweise wäre Minty - nachdem Tantchen ja das Zeitliche gesegnet hatte - nackt über den schmalen Treppenabsatz in ihr Schlafzimmer gegangen, was sie auch getan hätte, wenn der lebende Jock im Haus gewesen wäre. Mit einem Geist war es aber etwas ganz Anderes, der war tot und durfte eigentlich keine Lust verspüren, aus dem Jenseits eine nackte Frau zu betrachten. Sie holte ein sauberes Badetuch aus dem Schrank, wickelte es um sich und machte behutsam die Tür auf. Michts und niemand. In dem grellen Licht hätte kein Gespenst überleben können.

Minty zog saubere Unterwäsche an, ein sauberes Paar Baumwollhosen und einen frischen Pullover. Keine Accessoires, keinen Schmuck. Man konnte nie wissen, was für Keime sich in solchen Dingen einnisteten. Um halb acht sollte sie am Nachbarhaus klopfen. Das Kino, in das sie gehen wollten, war das Odeon am Marble Arch, und der Film fing um acht Uhr fünfzehn an. Erst etwas essen und vielleicht eine Tasse Tee.

Wieso war er in dieser Gestalt wiedergekehrt? Es hieß, Geister kämen zurück, wenn sie sich noch um unerledigte Dinge kümmern mussten. Und ob er das musste! Eine Verlobung erledigt sich erst, wenn sie in einer Ehe mündet. Weder hatte sie seine Leiche gesehen, noch war sie zur Beerdigung gebeten worden oder hatte einen Topf mit Asche gekriegt wie damals, als ihr Tantchen eingeäschert worden war. Das Einzige, was sie hatte, war dieser Brief, in dem stand, er sei in dem Unglückszug gewesen und zu Asche verbrannt. Tatsache war, dass sie allmählich darüber hinwegkam, sie hatte aufgehört zu weinen und ihr Leben wieder aufgenommen, so wie es sich offenbar gehörte, und jetzt war sein Geist erschienen und hatte alles wieder aufgewühlt. Aber vielleicht war er bloß gekommen, um ein letztes Mal Lebewohl zu sagen. Das hoffte sie.

Die Küche war blitzsauber und roch stark nach Chlorbleiche - ein Duft, den Minty mochte. Falls sie je Parfum getragen hätte, dann eines, das nach Chlorbleiche roch. Obwohl sie sich gerade gründlich gewaschen hatte, wusch sie sich erneut die Hände. Was ihre Ernährung anging, war sie sehr wählerisch. Manche Lebensmittel konnten vertrackt sein und einen schmutzig machen. Suppe zum Beispiel oder Pasta oder alles mit Sauce. Sie aß viel kaltes Hühnchen, Schinken, Salat und Brot, aber das weiße, nicht das dunkle, in dem womöglich irgendwelche ekligen Substanzen drin waren, damit es diese Farbe bekam, und Eier und frische, ungesalzene Butter. Ihre wöchentlichen Ausgaben für Papiertaschentücher, Papierservietten und Küchenkrepp waren ruinös, doch da war nichts zu machen. Auch ohne Leinenservietten nutzte sie die Waschmaschine täglich maximal aus. Nachdem sie gegessen hatte, spülte sie das ganze benutzte Geschirr ab und räumte es auf, bevor sie sich die Hände unter fließendem Wasser wusch.

Sollte sie sämtliche Lichter brennen lassen, wenn sie wegging? Tantchen hätte es üble Verschwendung genannt. Die im Obergeschoss mussten wohl eingeschaltet bleiben. Sie würde nicht hinaufgehen und die Lichter ausschalten, um dann - die totale Finsternis hinter sich - die Treppe herunterkommen zu müssen. Im Hauseingang nahm sie ihren Mantel vom Haken und zog ihn an. Mäntel waren immer ein Problem, denn man konnte sie nicht wirklich sauber halten. Minty hatte sich beholfen, so gut sie konnte, und sich auf der Nähmaschine bei Immacue rasch ein paar Baumwollfutter S. 5-9

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Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de