Åke Edwardson - In alle Ewigkeit (Buchtipp/Rezension/lesen)
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»Die Liebe siegt«, sagte Birgersson.
»Nein«, sagte Winter. »Es gibt eine Grenze, und genau dort verläuft sie.«
»Aha.«
»Hast du gesehen, welche Ausmaße dieser Fall angenommen hat?«
Birgersson nickte und sog an seinem albernen Ding.
»Er zieht immer weitere Kreise, aber je mehr passiert, desto weniger wissen wir«, sagte Winter.
»Das Gegenteil wäre besser.«
Winter lächelte. Birgersson fummelte an seinem Mundstück herum. Wie immer; wenn Winter hier war, schien die Sonne durch die Jalousien. Sie saßen da wie üblich und unterhielten sich, gingen die letzten Tragödien durch. Alles war spannend wie immer. Der Alltag eines Kommissars.

Wie würde es ausgehen? Gab es eine Lösung all der Rätsel? Würden die Fäden schließlich zusammenlaufen? Wo hatten sie ihren Anfang? Halte ich sie in der Hand? Winter sah auf das Mundstück in Birgerssons Mund, es wippte idiotisch auf und ab. Idiotisch. Er könnte woanders sein. Auf den Klippen. Elsa und er, fünf Meter weit im Wasser. Sie schnappt nach Luft. Sie gehen ans Ufer und trinken etwas. Sand in der Butter. Jemand kickt nach einem Ball. Das Leben ist mild und zärtlich. Nicht wie hier; rau und voller Schweiß und lebensgefährlich. Tote Jugendliche, fast noch Kinder. Niemand kümmert sich darum, nur die, die nach den Fäden suchen, und das sind wir; aber wir tun es nur, weil wir dafür bezahlt werden.

Hör auf. Du machst es nicht nur deswegen. »Wie geht es Halders?«, fragte Birgersson.
»Verdammt schlecht, glaub ich. «
»Alles beim Alten, mit anderen Worten. «Winter antwortete nicht.
»Kann er wirklich arbeiten?« »Ja.« »Mit Leuten reden?« »Es scheint zu funktionieren, besser denn je.« »Aha.« »Er kann sich nicht von Familie Bielke trennen.«
»Sollten wir es für ihn tun?«
»Vielleicht vorübergehend. Wir haben einen neuen Mord. «»Und bald sind die Sommerferien vorbei.«
»Was soll das heißen?« »Alles beginnt von vorn.«
»Ich schätze deinen philosophischen Ansatz«, sagte Winter.
Birgersson nahm das Mundstück aus dem Mund und legte es auf den Schreibtisch.
»Diese Kneipe oder was das nun ist. Die sollten wir doch finden, oder?«
»Wenn es sie gibt.«
»Gibt? Was ist das denn nun wieder für ein verdammt defätistisches Gerede?«
Der Umgang mit Leuten, die sich gerade entgiften, ist wirklich nicht leicht, dachte Winter.
»Nimm Bergenhem raus und setz einen anderen ein«, sagte Birgersson.
»Nein. Noch nicht.«
»Bestimmst du hier, Erik, oder ich?«
»Ich.«S. 178-179


Lesezitat nach Åke Edwardson - In alle Ewigkeit


Zu Besuch im Unglück anderer
Åke Edwardson - In alle Ewigkeit

s ist ein außergewöhnlich heißer Sommer in Göteborg. Die ganze Stadt ist voller Menschen, auch nachts. Nicht alle sind mit guten Absichten unterwegs. Als Kriminalkommissar Winter von der Vergewaltigung im Göteborg Park erfährt, erinnert er sich an einen Fall, der fünf Jahre zurückliegt. Am selben Ort wurde ebenfalls ein junges Mädchen vergewaltigt und ermordet. Bis heute ist dieses Verbrechen nicht aufgeklärt. Sollte ein Serienmörder am Werk sein? Der Verdacht erhärtet sich, als kurz darauf wieder ein junges Mädchen im Park aufgefunden wird - tot.

Die Ermittlungen führen Kommissar Winter, der viel lieber mehr Zeit mit seiner kleinen Tochter verbringen würde, auf die Spur dreier Abiturientinnen, die alle in einem Club ihr Taschengeld aufbesserten. Ihre Familien, gut situiert und wohlhabend, können nur wenig zur Aufklärung beitragen. So konstatiert Winter bitter: »Es zieht immer weitere Kreise, aber je mehr passiert, desto weniger wissen wir.«

»In alle Ewigkeit« ist bereits der vierte Krimi, der von Åke Edwardson mit seiner Hauptfigur Kommissar Winter in deutscher Sprache erscheint.

Winter ist ein kühler Kopf, nicht ganz so depressiv wie Mankells Kommissar Wallander, doch auch ihn packt hin und wieder der Blues. Dann überlegt er, mit dem Rauchen aufzuhören und sich in einen langen Erziehungsurlaub zu verkrümeln. Am besten sofort. Er hat es satt, »zu Besuch im Unglück anderer zu sein.«

In einer sehr klaren, nüchternen und dialogreichen Sprache, die den Leser sofort in Bann schlägt, erzählt Edwardson seinen ausgezeichneten Thriller. Immer weiter lüftet er die teure Kaschmir-Decke über dem oberflächlich so wohl geordneten gutbürgerlichen Familienleben hinter der Villenfassade. Fasziniert folgt ihm dabei der Leser, er kann gar nicht anders.
© manuela haselberger


Åke Edwardson - In alle Ewigkeit
Originaltitel: Låt det aldrig ta slut, © 2000
Übersetzt von Angelika Kutsch
© 2002, München, Claassen, 351 S., 22 €
© 2003, München, Claassen, 351 S., 8.95 €







Fortsetzung des Lesezitats ...

Etwas stach sie unterm rechten Fuß, unter den Zehen. Sie war vorsichtig gegangen, aber hier nützte es nicht viel. Der Grund war mit Tang bedeckt, wie mit hohem, dickem Gras, das sich in der Strömung bewegte, braun und eklig. Wie tote Blumen.

Jetzt stand sie auf einem Stück Sandboden. Sie balancierte auf einem Bein, hielt den rechten Fuß hoch und sah, dass er blutete, aber nur ein bisschen. Es war nicht das erste Mal in diesem Sommer. Es gehörte dazu.
Plötzlich müsste sie an einen engen Klassenraum denken, in dem es nach feuchter Kleidung roch. Regen an der Fensterscheibe. Fragen auf einem Blatt Papier und das Kratzen von Stiften. Antworten, die schon wieder vergessen sein würden, wenn die Arbeit abgegeben war. Jetzt war sie jedenfalls fertig. Sie würde studieren, zum Teufel, sie war gut. Und dazu dieser Sommer, der kein Ende nahm. Lass es niemaaals enden. Sie kriegte die Melodie nicht aus dem Kopf.

Heute Abend würde die Wunde nur noch ein kleiner Kratzer sein, sie würde ihn nicht mehr spüren, wohl aber noch die Wärme auf der Haut fühlen, Sonne und Salz. Nach dem Duschen. Bevor der Abend begann.

Sie schwamm und schlug mit den Beinen, das Wasser war wie eine Kaskade um sie herum. Ein Segelboot lief mit gedrosseltem Motor in die Bucht ein. Sie konnte die Passagierdampfer sehen, zählte von hier aus drei Stück. All die Leute, die auf dem Weg in die südlichen Schären waren. Sie ließ sich treiben. Das Wasser war nicht mehr zu spüren, es war ein Gefühl, als triebe sie in der Luft. Ich kann fliegen, dachte sie. Ich kann alles. Werden, was ich will. Ich kann berühmt werden. Fame. I wanna live forever.

Noch dieser Sommer und dann würde sie anfangen, Medizin zu studieren, aber bis dahin waren es noch Millionen Jahre, Millionen Wassertropfen, die nach Salz und Sand schmeckten, wenn sie tauchte.
Das Wasser war grün und trüb. Sie sah einen Schatten, vielleicht ein Fisch. Oder ein Froschmann.
Sie würde ein Jahr studieren, und dann würde sie ein Jahr Pause machen, da konnte Papa sagen, was er wollte. Er würde sagen, sie sei ja ganz gut darin, sich ihre Freiheit zu nehmen, aber was sollte aus allem anderen werden?
Sie wollte nicht mehr zu Hause wohnen.
Sie blieb so lange unter Wasser, wie sie sich traute, dann stieß sie sich vom Grund ab und glitt wieder an die Oberfläche.
Sie schwamm zurück zu den Felsen, stakste vorsichtig durch den Tang und zog sich auf einen Stein hoch, der von einem Felsen herausragte.
Die Wunde unter dem großen Zeh blutete, aber nur ein wenig. Sie kletterte zu ihrer Decke hinauf, zog das Handtuch aus dem Netz, trocknete sich die Haare und trank etwas Wasser. Dann setzte sie sich auf die Decke und blinzelte ein paar Tropfen Salzwasser aus den Augen. Sie holte Luft und noch einmal, tief Luft, die voller Sonne war, es brannte fast in den Lungen. Die Wasseroberfläche glänzte wie Fischschuppen, als ob sich dort zehntausend Fische bewegten. Sie hörte ferne Geräusche von den Schiffen, die in alle Richtungen fuhren. Einige verschwanden am Horizont, lösten sich auf. Dort war der Himmel fast weiß, aber nirgends waren Wolken zu sehen. Sie legte sich auf den Rücken. Ein Wassertropfen aus dem Haaransatz lief über ihre Wange, fast spürte sie den Geschmack auf den Lippen. Sie hatte die Augen schon geschlossen. Jetzt war alles rot und gelb in ihrem Kopf. Sie hörte Stimmenfragmente von den Leuten um sie herum, halbe Wörter, das Bruchstück eines Lachens, das aufblitzte wie die Wasseroberfläche in der Sonne.

Sie hatte keine Kraft zu lesen. Sie wollte nichts tun, nur hier liegen, so lange es ging. Nichts tun, nur für immer leben.

Die Sonne stand in Augenhöhe, als sie ihre Sachen zusammensuchte und den Berg hinaufkletterte und den kleinen Hohlweg abstieg hinunter zum Fahrradstand. ihr war ein wenig schwindlig. Auf ihren Schultern brannte es, obwohl sie sich eingecremt hatte. Auch ihre Wangen brannten, aber nicht zu sehr. Heute Abend würde sich das geben, als ob es in der Haut versunken wäre. Es würde gut aussehen im schummrigen Licht des Straßencafes. Oh, là là.

Sie fuhr am Bootshafen vorbei, schlängelte sich durch eine Gruppe Menschen, die von den Schärendampfern zu den Bussen und Straßenbahnen strömten. Tausend Radfahrer schlängelten sich so voran. Alle wollten gleichzeitig nach Hause, als ob alle immer das Gleiche täten.
Vielleicht tun wir das ja, dachte sie. Im Sommer ergibt sich das so. Alles wird einfacher. Sich sonnen, baden, duschen, feiern. Baden, sonnen, duschen, feiern. Duschen, sonnen, baden, feiern. Sie hielt an, stellte ihr Fahrrad ab und reihte sich in die Schlange vor der Eisbude ein und kaufte sich einen Becher mit zwei Kugeln: Vanille mit »himmlischem Allerlei« wie aus Großmutters Zeiten. Das Eis fing sofort an zu tropfen, aber in einer Waffel wäre es noch schlimmer gewesen. Eine Frau neben ihr sagte, es seien dreiunddreißig Grad. Abends um sechs dreiunddreißig Grad. Man soll sich nicht beklagen, sagte der Mann, der rechts von der Frau stand. Aber trotzdem, sagte die Frau, die Mitte vierzig sein mochte, oder sechzig. Der Boden ist zu trocken.
Mir doch egal, dachte sie, als sie weiterfuhr. Lass es niemals enden. Der Boden kriegt schon, was er braucht, im Herbst.

Über den Feldern an der anderen Seite der Straße, die sich zur Meeres bucht senkten, roch es nach Heu. Sie fuhr durch das kleine Villenviertel, fuhr schneller auf dem Fahrradweg, der neben der Straßenbahnlinie verlief, und war in zehn Minuten zu Hause. S. 7-9


....durch das Sonnenlicht rennen sah, eine Gestalt, die dunkler wurde, als er den Eingang der Notaufnahme erreichte. Halders war fremder und gleichzeitig vertrauter geworden. Wieder hatte Winter ein Gefühl von Unwirklichkeit, als ob er in einen Traum geraten wäre. Er konnte Halders nicht mehr und wusste nicht, was er tun sollte.

Hier war er erst vor kurzem gewesen, hatte Angelika Hansson aus dem Park in der City zu ihrer letzten Untersuchung begleitet. Jetzt war er wieder hier.

Halders stand an der Bahre. Margaretas Gesicht sah noch genauso aus, wie er es vom letzten Treffen in Erinnerung hatte.
Das war erst drei Tage her. Sonntag. Er war mit Hannes und Magda bei Burger King gewesen, und Margareta hatte ihnen mit einem Lächeln die Tür geöffnet, er hatte etwas gesagt und war dann mit hineingegangen. Diesmal. Sie waren keine Feinde. Das waren sie schon lange nicht mehr. Vor langer Zeit war er ein Idiot gewesen. Er war immer noch ein Idiot, aber damals war er es auf andere Art gewesen.
Den übrigen Körper konnte er unter all den weißen Laken nicht sehen, und er wollte ihn auch nicht sehen. Er dachte an Hannes und Magda, während er gleichzeitig an Margareta dachte. Im selben Moment fielen ihm die toten Mädchen ein, und das genügte, dass er fast zu Boden sank und das Gleichgewicht verlor. Im letzten Moment fing er sich. Er kniete sich neben die Bahre und beugte sich über Margaretas Gesicht, wollte den Augenblick festhalten, von dem er wusste, dass es der letzte war.

Jetzt ist es mir passiert, dachte er. Mir wirklich selbst passiert. Nicht mehr zu Besuch im Unglück anderer.
Dies ist mein eigenes Unglück.
Er strich Margareta über die Wange.
Es hatte einmal ein erstes Mal gegeben.
Der verdammte Gedanke.
Sie war neunzehn gewesen... ....... doch, neunzehn. Sie war wie die Mädchen gewesen, über die er und Winter vor nur einer halben Stunde gesprochen hatten.
Er war zweiundzwanzig gewesen, ein fast fertig ausgebildeter Bulle.
Er strich ihr wieder über die Wange.
Jemand sagte etwas. Er hörte nicht hin, kniete weiter neben der Bahre, wollte noch lange so knien.
Er spürte eine Hand auf der Schulter und sah zu Winter hinauf.

Es war noch taghell, als Winter am Abend nach Hause kam.
Alles da draußen erfüllte die Wohnung mit einem Leuchten. Im Flur roch es nach Essen, aber er hatte keinen Hunger mehr. Vor einigen Stunden hatte er Angela angerufen.
Er ging zu Elsa hinein und erwog, sie zu wecken, begnügte sich aber damit, an ihr zu schnuppern und ihr zu lauschen.
Angela wartete mit einem halb gefüllten Glas Wein in der Küche.
»Ich möchte lieber Whisky.« Winter ging zur Anrichte und nahm eine der Flaschen hervor und goss sich einen ordentlichen Schuss in ein größeres Glas, kein dünnes Malzwhiskyglas.
»Oh!«
»Du kannst den Rest trinken, falls ich es nicht schaffe.« »Nur weil ich gerade mit dem Stillen aufgehört habe, brauche ich ja nicht gleich Alkoholikerin zu werden.«
»Prost! « Winter trank. Angela hob ihr Weinglas.
»Hast du Hunger?«
Winter schüttelte den Kopf, spürte die Kraft des Whiskys in seinem Körper; setzte sich an den Tisch und sah Angela an, die leicht gerötete Wangen hatte. Es war warm in der Küche.
»Wie geht es Fredrik?«, fragte sie.
Winter machte eine Handbewegung. Halders ist noch ansprechbar. Er ist nicht ganz zusammengebrochen.
»Was geschieht mit den Kindern?«
»Wie meinst du, >was geschieht mit den Kindern Angela sagte nichts.
»Glaubst du, er schafft es nicht?«, fragte Winter.
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Es klang aber ein bisschen so.«
Angela antwortete nichts. Winter trank wieder.S. 52-53

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© 19.1.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de