Asfa-Wossen Asserate - Manieren (Audiobook/Rezension/Hörbuch)
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Tugenden ?
Asfa-Wossen Asserate - Manieren

er äthiopischer Prinz Asfa-Wossen Asserate lebt seit Jahrzehnten in Deutschland und hat offensichtlich wie kein anderer die Manieren der europäischen Gesellschaft und speziell der Deutschen beobachtet und studiert. Anstandsregeln und Manieren erfreuen sich seit Neuestem wieder einer gewissen Renaissance, man interessiert sich dafür, wer wann wo aufzustehen hat, wer wem die Hand zu geben hat, ob es schicklich ist ein Kompliment anzubringen, einen Handkuss anzudeuten oder in der Öffentlichkeit durch Tränen seine Gefühle zu zeigen.

Weltläufig kann sich Asserate auch über andere Nationen auslassen: Ein Amerikaner hat kein Problem einen anderen zu fragen wie viele Units (100 Mio-Dollar) er sein eigen nennt und für den anderen ist es kein Thema darauf wahrheitsgemäß zu antworten. In Deutschland ist so eine Frage eine Peinlichkeit.

Geht man nun zur Toilette oder auf´s Klo, weil der noch zu Goethes Zeiten allgemein als anständig betrachtete Begriff "Scheißhaus" ist heute etwas aus der Mode. Spricht man vielleicht besser vom "Hände waschen"? Asserate kann über all diese kleinen Feinheiten reflektieren und parlieren, und das besonders Angenehme an ihm ist, dass er zu keinem Zeitpunkt als belehrend oder bevormundend, tadelnd oder kritisierend auftritt. Sein Text kommt geschliffen und objektiv, weltmännisch und diskret, sowohl als Buch, als auch als von Gunter Schoß gelesenem Hörbuch beim Leser bzw. Hörer an.

Viele kleine Anekdoten aus Politik und Gesellschaft, aktuell und historisch, würzen seinen Vortrag genauso wie seine reichhaltige Recherche in der Literatur: Ob Augustinus, Marcel Proust oder Charles Dickens, alle helfen sie Asserate in seiner Analyse der Ausdrucksformen eines höher gebildeten Menschen. Knigge kommt darin allerdings nicht vor.

Gigantisch wie er sich über zwanghafte Formen gesellschaftlicher Äußerungen auslässt und das ohne Partei zu nehmen. "Scheiße" und "furzwarm schmeckt der Hummersud am besten", findet sich in seinem Zitatenschatz ebenso, wie die Reflexion über den Gebrauch der Worte "Mann" und "Herr". So wird die englische Aristokratie genauso wenig ausgelassen wie die 68er und die von ihnen geliebten Begriffe, Musikstile und Handlungsweisen. Allerdings kann er es sich hier nicht verkneifen, dass seiner Meinung nach der Kleiderstil der 68er der lumpigste aller Zeiten gewesen sei und trauert in einigen Nebensätzen dem daraus resultierenden Verlust der Krawatte in manchen der heute existierenden Berufsgruppen nach.

Zusammenfassend darf aber gerne festgehalten werden, dass man Asserates (Hör-)Buch nicht allzu ernst nehmen sollte. Ein erheiterndes, spritzig und eloquent vorgetragenes Werk, in welchem jener, der aufgrund des (Buch)Titels glaubt seine Manieren verbessern zu können, sicher nicht das findet, was er sich erhofft hat. Die Überheblichkeit und der Snobismus des Autors steckt wohl eher darin, dass er sich insgesamt so gewählt auszudrücken weiß, dass eine gewisse Bildung die unabdingbare Voraussetzung zum Verständnis und Genuss seines Oeuvres darstellt, andererseits mancher Journalist bei Erscheinen des Buches sich über die stilistischen Mängel eines Interviewpartners Asserate durchaus gewundert hat - wer treibt hier mit wem eine Charade, ein äthiopischer Prinz oder ein übergangener 68er ?

Die ledergebundene Ausgabe des Buches braucht man sich deswegen - so glaube ich - nicht zu leisten, dann lieber die etwas stillosere, aber in die allgemeine Strömung der knappen Zeit passende CD-Hörbuch-Ausgabe, die immerhin noch im so genannten Digipac mit Booklet daherkommt, also auch im Bücherregal eines Intellektuellen Bestand hat, verbirgt sie doch ihre vulgäre Plastikbeschaffenheit - ganz zum Stil des Textes passend: Under-statement bis ins Mark - hinter einem schlicht bedruckten Papprücken. thomas haselberger



   Asfa-Wossen Asserate -
   Manieren
    gelesen von Gunter Schoß
    © 2004, Frankfurt, Eichborn, 2 CDs., 25 € (CD)
    © 2003, Frankfurt, Eichborn, 392 S., 22.90 € (HC)
    © 2003, Frankfurt, Eichborn, 392 S., 75 € (HC-leder)
   

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© 9.3.2004
by Manuela Haselberger
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