Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann - Die Affäre Semmeling (Buchtipp/Rezension/lesen)
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1. Die letzte Küche
"Ich zahle einfach zu viel Steuern", sagte Bruno Semmeling miss-mutig. "Unterm Strich bleibt einem einfach nichts mehr übrig. Und außerdem steige ich da überhaupt nicht mehr durch. "
Fragend schaute er seinen Steuerberater Dr. Bossel an. Der saß hinter seinem riesigen Schreibtisch; an einer Wand hing das Bild seines Vaters, und vor den übrigen Wänden standen Regale voller Akten und Gesetzestexte.
Dr. Bossel nickte und seufzte mitfühlend. "Ja, ja, das sind mehr Abzüge, als Sie verdienen." Er schob Semmeling den Lohnsteuerjahresausgleich über den Tisch und fuhr fort: "Wissen Sie, das versteht keiner mehr. Nicht mal die Behörde selbst. Die Bestimmungen sind so kompliziert, dass im Grunde jeder ein schlechtes Gewissen hat, weil er denkt, er macht was falsch."

Bruno Semmeling steckte seinen Steuerbescheid in die Aktentasche.
"Aber was predige ich Ihnen seit Jahren, Herr Semmeling? Sie müssen die Lücken in unserem verlotterten Steuersystem nutzen! Lieber Vermögen schaffen, als das ganze schöne Geld dem Finanzamt in den Rachen zu schieben! "
Semmeling schaute auf. Das klang verlockend. Vermögen schaffen, ja! Aber wie? Ihm blieb doch gar kein Geld übrig, das er am Finanzamt vorbeischummeln könnte! Missmutig zuckte Semmeling mit den Achseln, stand auf, gab Dr. Bossel die Hand, nahm seine Aktentasche und ging hinaus. Dr. Bossels Sekretärin winkte schon den nächsten Klienten hinein.

Bruno fuhr in die Firma. Natürlich regnete es auch noch. Den ganzen Weg über dachte er darüber nach, wie es die Reichen wohl anstellten, immer reicher zu werden ... Wie ging der Trick, wie lautete das Geheimrezept?

Er parkte bei Lemcke & Co., schloss seinen Wagen ab und schaute auf die Uhr. Mist, er kam zu spät. Semmeling nahm seine Aktentasche, legte sich den Mantel über den Arm und ging in Richtung Hauptgebäude. Es hatte aufgehört zu regnen und nieselte nur noch leicht.

Parkwächter Neumann schlug auf seine Zeitung. Empört fragte er: "Hier, ham Sie das gelesen, Herr Semmeling? Wieder so Millionäre, die wo nie Steuern zahlen, denn sonst wären sie ja auch keine Millionäre geworden! "
Semmeling seufzte. "Kapieren Sie, wie die das machen?", fragte er.
"Wozu?", konterte der Parkwächter "Unsereins kriegt von Vater Staat ja schon alles abgezogen, bevor er was fingern kann. "
Er grinste. Die Welt war eben ungerecht.
Semmeling lächelte ebenfalls, dann ging er eilig weiter Er war sowieso schon spät dran.
Trotzdem, der Gedanke ließ ihn nicht los: Vielleicht konnte man doch was ändern, vielleicht doch!
S. 7-8


Lesezitat nach Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann - Die Affäre Semmeling


Familie Semmeling - back again
Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann - Die Affäre Semmeling

n einem Fernseh-Sechsteiler erweckt der erfolgreiche Regisseur Dieter Wedel die Familie Semmeling aus den Siebzigerjahren wieder zum Leben. Während der Film alles aufbietet, was unter den deutschen Schauspielgrößen Rang und Namen hat, von Heinz Hoenig, Robert Atzorn, Heiner Lauterbach bis zu Mario Adorf, Heike Makatsch und Maja Maranow, lässt das Buch das zeitgleich erscheint, doch einige Wünsche offen.

Die Autoren Dieter Wedel und Ulrich Hoffmann haben passend zum Film keinen Roman, sondern ein Drehbuch verfasst. Trude und Bruno Semmeling kaufen sich aus Steuerspar-Gründen eine Eigentumswohnung in Dresden. Dass dabei der Bauträger gleich zu Baubeginn Pleite geht ist ziemlich unerfreulich. Und auch Trudes Erbschaft halst den beiden Eheleuten eine Menge zusätzlicher Probleme auf.

Ihren Sohn Sigi, der eigentlich als Lehrer arbeitet, verschlägt es in die Hamburger Bürgerschaft, da er von einigen korrupten Geschäften unbeabsichtigt Wind bekommen hat. Während sich seine attraktive Frau bei den Grünen engagiert.

Die Handlung, die ganz in der Gegenwart angesiedelt ist und eine Menge alltäglicher Sorgen vieler Menschen transportiert, so dass die Identifikation sehr hoch ist, entwickelt zunehmend Tempo. Doch da im Buch die Szenen und Schauplätze ohne jede Überleitung oder Ankündigung überaus schnell wechseln, keinerlei Personenbeschreibungen vorhanden sind, sondern die Figuren durch ihre Rolle als Schauspieler vorgegeben werden, erweist sich die Lektüre eher als anstrengend. Daran ändert auch die dialogreiche Handlung nichts.

Wer nicht unbedingt Spaß am Lesen von Drehbüchern hat, der sollte den Film anschauen. Er wird sicher durch die hervorragende Schauspiel-Besetzung ein Ereignis. © manuela haselberger


Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann - Die Affäre Semmeling
25 Farbfotografien
© 2001, Reinbek, Wunderlich Verlag, 350 Seiten, 14.90 €



Fortsetzung des Lesezitats ...

"Genau."
Hennig atmete tief durch. Dann sagte er: "Such dir ein anderes Betätigungsfeld im Rathaus, Katja. Als meine Büroleiterin bist du gefeuert." Er schaute sie reglos an. Seine Gesichtszüge waren wie aus Stein gemeißelt. Katja hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren und ins Nichts zu stürzen.

Im Vorzimmer von Steuerberater Dr. Bossel saß jetzt eine andere Dame, nachdem Fräulein Emge sich selbständig gemacht hatte.
Sie geleitete Bruno Semmeling zu ihrem Chef. Aber der konnte ihm auch nicht wirklich weiterhelfen.
Semmeling klagte: "Ich schlaf schon keine Nacht mehr."
Aber Dr. Bossel behauptete nur geschäftig: "Das kriegen wir hin! Kriegen wir alles hin, Herr Semmeling. Die Beerdigungskosten von dem Onkel, die Zeit, die Sie aufgewendet haben, um das Haus in Heidelberg zu verkaufen, die Unkosten bei dem Transport der Instrumente - alles absetzbar. Zweimal absetzbar: als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommenssteuer und nochmal bei der Erbschaftssteuer." Solche Sachen waren doch zu lästig. Dieser Kleinkram hielt einen immer schrecklich auf.

"Aber verglichen mit der Gesamtforderung ...", wandte Semmeling ein.
"Kleinvieh macht auch Mist!", stellte Bossel fest.
"Mein Leben lang habe ich hart gearbeitet, und jetzt ... jetzt wird mir einfach der Stöpsel rausgezogen!", jammerte Semmeling.
Bossel wiederholte: "Kriegen wir hin. Kriegen wir alles hin."
"Aber warum haben Sie mich nicht gewarnt, was mit so einer Erbschaft alles auf einen zukommen kann?", fragte Semmeling vorwurfsvoll. "Mit keiner Silbe!"
"Aber, Herr Semmeling", wehrte Dr. Bossel empört ab, "woher sollte ich denn wissen, dass das Haus von dem Onkel über das Geschäftsvermögen gelaufen ist? Da hätten Sie mich drauf hinweisen müssen."
"Ich kann Sie nicht auf was hinweisen, was mir selbst nicht klar ist", sagte Semmeling.

"Na, sehen Sie!", sagte Dr. Bossel zufrieden. "Ich bin aber auf Information von Ihnen angewiesen. Warum, glauben Sie, wirke ich bei der Erstellung von Steuererklärungen nur mit? Da, lesen Sie mal den Vordruck" er schob seinem Mandanten den Vordruck einer Steuererklärung über den Riesenschreibtisch - ". Verantwortung kann ich keine übernehmen. Ich unterschreibe ja nicht mal!> Dann tippte er mit dem Zeigefinger auf die Zahlungsaufforderung. "Aber gottlob geht's um den Onkel Ihrer Frau. Also erst mal getrennte Veranlagung beantragen." Dann setzte er hinzu: "Und bitten Sie das Finanzamt um Stundung. Reden Sie mit Ihrer Bank! Das ist alles hinzukriegen, Herr Semmeling, alles hinzukriegen."

Er machte sich Notizen, doch die fielen, als die Sekretärin nach Semmelings Abgang Ihm die Unterschriftenmappe vorlegte, in den Papierkorb.
Als Bruno Semmeling fünf Minuten später wieder auf der Straße stand und frische Luft schnappte, wusste er immer noch nicht, wie es nun eigentlich hinzukriegen sein sollte.

Und er hatte auch nicht den Eindruck, dass Dr. Bossel es wusste. Das Einzige, was ihm jetzt als Trost noch blieb, war die Wohnung in Dresden: Wenigstens mit der sparte er kräftig Steuern. Das Geld warf er dem Finanzamt nicht auch noch in den Rachen!

Axel Ropert hatte Silke und Sigi Karten für die Opernpremiere geschickt. Er wollte Silke wiedersehen und mit Sigi reden. Charly hatte angekündigt, der hätte ihm etwas zu sagen.
Die Musiker stimmten ihre Instrumente, die Besucher suchten ihre Plätze. Als Klaus Hennig und Doris Berg kamen, standen mehrere Premierengäste auf, um dem Bürgermeister die Hand zu schütteln. Hennig nickte Walter Wegener zu, der kühl zurückgrüßte. Sigi bemerkte er nicht.

Sigi schaute vom Balkon hinunter und murmelte: "Wir hätten vielleicht doch vorher noch was essen sollen. "
Silke streichelte seinen Rücken. "Hast du Hunger? Nachher in der Pause kriegst du ein Würstchen."

Silke war gut gelaunt. Sigi verzog das Gesicht und kratzte sich am Hals. "Mein Smokinghemd muss bei der Wäsche eingegangen sein", sagte er gereizt.
" Oder du bist dicker geworden. Also doch kein Würstchen in der Pause", stichelte Silke.

Unten im Parkett entdeckte Sigi einen massigen, älteren Mann - Walter Wegener "Der Königsmacher!", sagte Sigi ehrfürchtig. "Der ist schon Senator seit... ich weiß nicht, wie lange. Ich glaube, der war schon immer Senator"

" Beton-Walter? Helga hat mir von ihm erzählt. Gnadenlos in Machtfragen, eine richtige Walze. Aber mit unerschöpflichen Möglichkeiten, seine Freunde in Lohn und Brot zu bringen. " Sie ließen ihre Blicke über die Besucher im Parkett schweifen, um weitere Größen der Stadt auszumachen.

Vicky Fleming bat den Senator Walter Wegener noch für einen Augenblick zurück ins Foyer. Dort wartete Axel Ropert auf ihn. Hennig beobachtete das besorgt. War sein schroffes Verhalten nicht ein folgenschwerer Fehler gewesen?

Das Licht wurde gedimmt, der Dirigent trat ans Pult. Die Zuschauer klatschten, der Vorhang hob sich.
"Ich schlaf bei Opern regelmäßig ein, aber Susanne besteht darauf", grinste Ropert. "Du hast eine kultivierte Frau", erwiderte Wegener. Er blieb so stehen, als wolle er gleich wieder in den Saal zurück.
"Klar. Bloß ist kultiviert verdammt anstrengend. Leb mal mit so was!" Ropert versuchte, dem Gespräch eine leichte Note zu verleihen. Doch für ihn ging es jetzt um alles oder nichts.

Die Ouvertüre begann. Die beiden Männer wussten, was zu besprechen war, und zogen sich auf eine kleine Bank zurück, die um die Ecke stand. Vicky Fleming bezog Posten im Foyer, damit niemand unbemerkt zuhören konnte. Ropert eröffnete: "Hennig hat über die Bestechungskiste Bescheid gewusst, bevor er auf Jamaika landete. "
"Na und?", fragte Walter achselzuckend. "Er hat sie nicht gebilligt."
"Er hat in der Bürgerschaft gelogen", gab Ropert zu bedenken.
"Wer will das beweisen? "
"Es gibt immer einen Informanten im Hintergrund."
"Der bereit ist, Selbstmord zu begehen? Sich zu demaskieren?", fragte Wegener höhnisch. Er hustete. Dann zog er ein Taschentuch heraus und tupfte sich die Stirn trocken.

Ropert fragte besorgt: "Gesundheitlich geht's wieder? "
"Prächtig!", behauptete Walter. "Ich hatte einen Leistenbruch. Nichts Schlimmes. Hab zu viel mit den Enkeln rumgespielt. Aber jetzt bin ich wieder voll auf dem Damm."
Ropert nickte nachdenklich. "Fein!", sagte er. Dann kam er zum eigentlichen Punkt: "Nach der Wahl wird's ohne Koalitionspartner voraussichtlich nicht gehen. Bist du sicher, dass du im nächsten Senat sitzt? Hat dir Klaus Hennig schon ein Angebot gemacht?"

Wegener schwieg einen Augenblick. Hennig hatte ihm tatsächlich noch kein Angebot gemacht. Er zog einen Zettel aus der Tasche und sagte beiläufig: "Falls Klaus das Handtuch wirft - noch ist er in Amt und Würden, und vielleicht sollten wir die Leiche nicht verscharren, solange sie noch atmet -, aber mal rein hypothetisch." Er reichte Ropert den Zettel. "Das ist eine Liste von ein paar tüchtigen Leuten, die dir nützlich wären. Neun Staatsratsanwärter, sieben Senatoren."

"Nun lass die Kirche im Dorf, Walter", wehrte Ropert ab. Aber er war durchaus beeindruckt von Wegeners Machtwillen.
"Auf meine Art oder gar nicht! " Das war eine offene Drohung. "Du brauchst Leute, die dir in der Partei den Rücken stärken. Ich bin schon lange in der Politik. Es gibt nichts Traurigeres als einen Bürgermeister mit nur einer Amtszeit. Weißt du, warum? Weil vier Jahre zu kurz sind, um irgendwas zu bewegen. Genau in dem Moment, wo du wirklich was durchziehen kannst, musst du dein Büro schon wieder für einen anderen räumen. Und alles ist dahin. "

Axel Ropert schwieg. Nach einer Weile sagte er: "Fünf Staatsräte. Vier Senatorenposten. Inklusive du selbst. Du bleibst natürlich."
"Wenn du darauf bestehst", sagte Wegener kokett.
"Das Ressort suchst du dir aus. Jedes. Außer Arbeit und Soziales. Das ist für Ullrich Jansen reserviert. "
Walter Wegener dachte einen Augenblick nach. "Vielleicht ist Klaus tatsächlich ein bisschen lang am Ruder. Vielleicht braucht die Partei frisches Blut - und Hamburg einen Wechsel. "
Ropert strahlte. Er streckte Wegener die Hand hin, der schlug ein. Die beiden Männer erhoben sich und gingen auseinander.

Als es zur Pause wieder hell wurde, kniff Sigi benommen die Augen zusammen. Er war lange nicht mehr in der Oper gewesen. Hatte er nun Kunst erlebt - oder die Verschwendung von Steuergeldern? Er war nicht sicher. Aber er war froh, die Karte nicht selbst bezahlt zu haben.

Alle trafen sich im Foyer.
Axel Ropert flüsterte seiner Frau zu: "Wir kriegen, was wir wollen."
"Du hast ihn auf deiner Seite? Wie hast du das gedeichselt?", fragte Susanne verblüfft.
Ropert trank sein Champagnerglas leer und ließ sich von Vicky Fleming ein neues reichen. "Etwas für ihn, etwas für mich", erklärte er sein Geheimrezept.
"Aber mehr für dich?", fragte Susanne. Sie kannte doch ihren Axel.
"Für Hamburg!", korrigierte der gespielt empört.
Charly begrüßte seine Freunde Silke und Sigi Semmeling. "Silke, du siehst toll aus! Warum hab ich bloß die Zeit nicht besser genutzt, die dein Mann sich auf Jamaika rumgetrieben hat? So eine attraktive Frau ganz alleine!"
"Du hast dir nur unnötige Anstrengungen erspart, Charly", gab Silke zurück. Sie lächelte dabei und hakte sich zufrieden bei Sigi ein.
"Wir hätten ein Wochenende nach Mallorca fliegen können", phantasierte Charly. "Schwimmen, Sonne tanken."
S. 127-131

Lesezitate nach Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann - Die Affäre Semmeling


Die Sendung
im


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4.01.2002
7.01.2002
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12.01.2002
14.01.2002
jeweils 20:15 Uhr
Infos im ZDF





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Dieter Wedel, Ulrich Hoffmann
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© &Date by Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de