Margit Schreiner - Haus, Frauen, Sex (Buchtipp/Rezension/lesen)
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Mane-Thérèse ist ja kein Name. Wenn schon, dann Therese. Heute nennen sie ihre Kinder ja alle Marion oder Yvonne oder Sarah. Weil sie etwas Besonderes sein wollen. Aber davon wird so ein Kind auch nichts Besonderes, daß die Mutter in der Schwangerschaft eine Fernsehserie gesehen hat, in der die Hauptdarstellerin Yvonne heißt. Im Gegenteil! So etwas hängt den Kindern doch ihr Leben lang nach. Besonders den Mädchen. Da haben sie wer weiß wie exotische Namen, und dann paßt nichts zusammen: Die Yvonne spricht den letzten Tiroler Dialekt, die Carmen ist blond und blaß, die Brunhilde heult schon los, wenn du sie nur einmal schief anschaust. Und wenn du jetzt auf Marie-Thérèse bestehst, Resi, bleibst du trotzdem Kassiererin an der Supermarktkasse oder meinetwegen Schneiderin. Marie-Thérèse! Zwanzig Jahre habe ich Resi gesagt und auf einmal sollte ich Marie-Therese sagen. Glaubst du, das ändert etwas? Glaubst du, daß du davon selbständiger wirst, wenn ich dich Marie-Thérèse nenne? Deine Vorgängerin, die Elfi, habe ich ja auch nie Elfriede genannt, obwohl das wenigstens ein normaler Name gewesen wäre. Da wollt ihr alle etwas ganz Besonderes sein, sensibel, emanzipiert, Persönlichkeitsentfaltung undsoweiter und dann wißt ihr nicht einmal, was zu tun ist, wenn der eigene Sohn eine Sonnenfinsternis beobachten will. Ohne mich hättet ihr das gigantische Schauspiel damals doch gar nicht genießen können! Auf die Idee mit dem Fernglas, dem Karton und dem großen Blatt Packpapier wärst du nie gekommen. Weil ihr kein physikalisches Vorstellungsvermögen habt. Wenn man in den Karton ein Loch schneidet und eine Seite vom Fernglas durchsteckt, und wenn man den Karton mit dem Fernglas darin dann so am Gitter des Stadtplatzbrunnens befestigt, daß die Sonne von schräg oben durch das Fernglas fällt, und wenn das Blatt Packpapier auf dem Boden im Schatten des Kartons liegt, dann muß die Sonne als leuchtender Kreis scharf umrissen auf dem Papier zu sehen sein. Das Fernglas dient natürlich zur Vergrößerung. Mein Sohn hat das Prinzip damals sofort begriffen, während du nur wieder dein Glänzen in den Augen gehabt hast, als ob das alles ein Wunder wäre und nicht von Anfang bis Ende durchdacht. Solche Ideen fallen nicht vom Himmel. Und wenn man schon keine technische Begabung hat, dann muß man beobachten, wie andere die Probleme lösen. Das tut ihr aber nicht. Ihr gebt euch keine Mühe. Schaut mit glänzenden Augen mitten hinein in die Sonne. Aber darum habe ich den Karton, das Fernglas und das Papier ja auf den Stadtplatz mitgenommen, damit ihr nicht in die Sonne schauen müßt und trotzdem seht, wie sie langsam verdeckt wird vom Mondschatten; zuerst nur ein Fleck und dann mehr und mehr, bis sie am Ende fast verdeckt ist, ein dunkler Kreis mit einem Heiligschein rundherum.. Nie direkt in die Sonne schauen, das habe ich auch meinem Sohn gesagt, schau auf den Karton, habe ich gesagt, und er hat den Stand der Sonne und wieviel schon vom Mondschatten verdeckt war eingezeichnet, und dann hat er die Uhrzeit daneben geschrieben, damit er sich später erinnert, wie die Sonne gewandert ist und wie lange es gedauert hat, bis die maximale Finsternis erreicht war. Alle, die damals auf dem Stadtplatz versammelt waren, haben durch irgendwelche verrußten Gläser geschaut oder durch Filmrollen, aber ich habe euch gleich gesagt: Das nützt nichts! Die Sonne, die hat so eine Kraft, die verbrennt euch die Netzhaut in den Augen, auch wenn ihr durch ein verrußtes Glas schaut. Das habe ich euch ersparen wollen, weil sofort merkt man ja nichts, außer, daß man vielleicht grüne Flecken sieht oder schwarze Flecken, grüne Sonnen oder schwarze. Daß die Strahlen die Netzhaut verätzen, das merkt man erst später, wenn es zu spät ist, manchmal erst Jahre später. Die meisten Menschen denken dann gar nicht mehr an den Tag, als der Fleck auf der Sonne immer größer geworden ist und der Stadtplatz sich fast unmerklich verändert hat. Zuerst waren wir ja noch fast alleine, weil die meisten Menschen haben nur die Uhrzeit der Sonnenfinsternis selbst im Kopf gehabt, die haben sich ja nicht klargemacht, daß nichts auf einmal da ist, sondern alles sich vorbereitet, nach und nach. Nichts kommt von nichts, alles geht seinen Weg, ist Gesetz und Notwendigkeit. Es gibt keine Zufälle, keine Überraschungen.
S. 7-9


Lesezitat nach Margit Schreiner - Haus, Frauen, Sex


Ein Mann rechnet ab
Margit Schreiner - Haus, Frauen, Sex

ranz versteht es einfach nicht: von einem Tag auf den anderen verlässt ihn seine Frau, zusammen mit dem gemeinsamen Sohn. Gut, da war vorher ein Brief aus der Kur und ein klärendes Gespräch im Café. Aber so richtig ernst hat er das alles nicht genommen. Selbst als er in die Scheidung einwilligte, glaubt er immer noch daran, dass Resi schon bald wieder zu ihm zurückkommt. Doch halt, Resi will seine Frau gar nicht mehr genannt werden. Ab jetzt soll er sie mit ihrem vollen Namen Marie - Thérèse ansprechen.

Dabei war sie so nett und still, als er sie geheiratet hat. Sie verdiente als Supermarkt-Kassiererin ihr Geld. Ein einfaches, schüchternes Mädchen, das kaum einmal das Wort ergriffen hat.

Und nun? Seit einiger Zeit ist Franz arbeitslos. Doch was kann er dafür, dass er mit seinen 47 Jahren keinen Job mehr bekommt? Hat er nicht für seine Familie das Haus gebaut, jeden Feierabend in seiner Werkstatt verbracht? "Ich werde die Frauen nie verstehen. Da schweigen sie zwanzig Jahre lang, und auf einmal sind sie weg. Das geht einfach nicht hinein in meinen Kopf."

Ehrlich, er hat gar nicht gemerkt, dass seine Frau nach der Ohrfeige von ihm kurz ohnmächtig war. "Du fällst ja schon mit dem Kopf gegen die Wand, wenn ich dir einfach nur eine herunterhaue. Es ist jämmerlich." In einem verbitterten, stark alkoholisierten Monolog, der in den Wahnsinn führt, rechnet Franz mit seiner Ehefrau ab.

Die Österreicherin Margit Schreiner lässt kein gutes Haar an den alltäglichen, nervenaufreibenden Streitereien. Da geht es um den Abwasch, das Putzen des Herdes, die richtige Erziehung des Kindes. Es handelt sich letztlich um die Sprachlosigkeit zwischen zwei Menschen, die in den zwanzig Jahren ihrer Ehe noch nie eine Basis für ein vernünftiges Gespräch gefunden haben. Während sich das Leben des Ehemanns durch die Arbeitslosigkeit immer perspektivloser entwickelt, gelingt seiner Frau die finanzielle Selbständigkeit und die Flucht aus einer zerstörten Ehe.

Franz bleibt zurück und er rechnet ab: gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste. "Seit ungefähr einem Jahr hast du etwas sagen wollen, das gebe ich ja zu, aber da war ich schon so gewöhnt, dass immer nur ich rede, da habe ich vielleicht das eine oder andere Mal übersehen, dass du auch etwas hättest sagen wollen." © manuela haselberger


Margit Schreiner - Haus, Frauen, Sex
© 2001, Zürich, Haffmans Verlag, 208 S., 14.82 €

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Im Grunde gehört euch endlich einmal ein Spiegel vorgehalten. Im Grunde gehört ihr gezwungen, euch einmal selbst lange genug im Spiegel anzuschauen. Die Selbstgerechtigkeit in eurem Gesicht anzuschauen, die Faulheit und Feigheit. Wenn du wenigstens sagen würdest, mit wem du mich betrügst, wer dir die Wohnung in Wirklichkeit gesucht hat und wer sie bezahlt. Aber nichts, feig, selbstgerecht und selbstbetrügerisch, tut sie so, als könnte sie mit mir nicht mehr leben, als läge es an mir, daß sie gegangen ist. Schau nur einmal in den Spiegel, schau, wie du ausschaust. Schau dir dein eigenes verlogenes, feiges Gesicht an, die falschen Augen, den schmalen, verbitterten Mund. Mein Gott, bist du häßlich geworden. Häßlich vor Feigheit, Faulheit und vor Selbstgerechtigkeit. Und dazu noch deine dauernde Hysterie, der Verfolgungswahn, als ob man dir etwas tun wollte. Verlasse sofort das Haus, hast du herumgekreischt, als ich dir einmal meine Meinung gesagt habe. Aber warum, bitte, sollte ich mein eigenes Haus verlassen? Kannst du mir das erklären? Zuerst baut man ihr ein Haus, und dann soll man es verlassen, mitten in der Nacht. Das Kind schläft, hast du gesagt, ich kann das Kind nicht mit dir alleine lassen, also mußt du gehen. Unglaublich. So eine Logik müßten wir erst einmal haben. Man kann ein Kind nicht mit uns alleine lassen! Weil wir einen Schluck getrunken haben? Man wird ja wohl noch ein Glas Bier trinken dürfen und trotzdem keine Gefahr sein für sein eigenes Kind. Und aß ich dir meine Meinung gesagt habe, das hat nichts mit dem Alkohol zu tun gehabt. Aber auch schon gar nichts. Weil meine Meinung sage ich jederzeit, ob mit oder ohne Schnaps. Ich habe noch nie einen Schnaps gebraucht, damit ich irgendwem meine Meinung sage, und damit ich dir meine Meinung sage, dazu brauche ich schon gar keinen Schnaps. Weil du bist so etwas von feig, du zuckst ja schon zusammen, wenn man einmal ein bißchen seine Stimme erhebt. Du hältst dir ja schon die Arme vor das Gesicht, wenn ich Luft hole. Du fällst ja schon mit dem Kopf gegen die Wand, wenn ich dir einfach nur eine herunterhaue. Es ist jämmerlich. Ich soll mitten in der Nacht mein eigenes Haus verlassen, weil sie zu feig ist, sich die Wahrheit über sich selbst anzuhören. Und damit treibt ihr uns immer weiter hinein. Wenn jemand zusammenzuckt, nur weil der eigene Mann ins Zimmer tritt, ja, was erwartet ihr dann? Ihr macht uns zu Monstern. Ihr beschwört die Gewalt ja direkt herauf. Und dann steht in der Zeitung: Alkoholisierter Ehemann bedroht seine Familie! Und in Wirklichkeit hat ihn seine Frau bis zur Weißglut gereizt. Aber so sind die Weiber. Die lassen sich lieber erschlagen, bevor sie einmal eine Tatsache akzeptieren. Schau sie dir doch an, der Reihe nach: den Kurt, den Rudi, den Toni, den Erwin, den Erich. Die sind doch allesamt ruiniert oder haben sich ohnehin schon zu Tode gesoffen. Und ihre Frauen? Keiner einzigen ist ein Haar gekrümmt worden. Prima leben die alle, entweder vom Unterhalt oder von der Witwenpension. Schau dich doch einmal in den Kurorten um. Wer rennt da herum, hm? Lauter Weiber ... S. 80-81

Ich werde die Frauen nie verstehen. Da schweigen sie zwanzig Jahre lang, und auf einmal sind sie weg. Das geht einfach nicht hinein in meinen Kopf. Warum hast du denn nichts gesagt? Nicht zum Schluß, da hast du ja manchmal etwas gesagt, sondern früher, als es noch nicht zu spät war. Da hast du doch nie etwas gesagt. Du hast immer nur gesagt, daß ich so einen Realitätssinn habe und daß ich so einen Überblick habe und den nie verliere, und daß du immer so leicht in Panik gerätst und dann froh bist, daß ich diese Panik nicht habe, sondern den Überblick und daß ich den nie verliere. Ich meine, du warst doch immer froh, daß ich so war, wie ich war. Und ich habe dich gesichert. Wir waren ein Idealpaar. Niemand hat in Wirklichkeit gewußt, was für eine Angst du vor allem gehabt hast, und daß du, bevor wir uns kennengelernt haben, nicht einmal eine Rindsuppe hast kochen können. Erinnerst du dich? Und gerade deine Rindsuppe haben sie nachher alle so gelobt. Und deine Vogerlsalate mit Hühnerbruststreifen. Aber das war, bevor die Hühnerbruststreifen auf Salat überall modern geworden sind, so daß man heute in bestimmten Lokalen praktisch nur mehr Salat mit Hühnerbruststreifen essen kann. Damals hat man das nicht gekannt. Und die Frauen von meinen Freunden haben sich von dir das Rezept eben lassen. Auch von deinem Tiramisu. Weil das hat damals ja auch noch kaum jemand gekannt. Und Pann cotta auch nicht. Du hast immer eine Vorliebe für das Besondere gehabt, aber ohne mich hättest du dir das Besondere nicht zugetraut. Ich habe dich immer unterstützt. Wenn jemand zu uns gekommen ist, dann habe immer ich geredet, nicht du. Natürlich haben dann alle geglaubt, ich bin ein Macho, der immer nur Monologe hält und seine Frau nicht zu Wort kommen läßt. Weil das haben die Menschen ja nicht gewußt, daß du sowieso nichts gesagt hättest. Bis vor fast einem Jahr jedenfalls nicht. Seit ungefähr einem Jahr hast du manchmal etwas sagen wollen, das gebe ich ja zu, aber da war ich schon so gewöhnt, daß immer nur ich rede, da habe ich vielleicht das eine oder andere Mal übersehen, daß du auch etwas hättest sagen wollen. Ich gebe es zu, Resi, weil ich nicht so bin wie du, daß ich nichts zugeben würde und immer alles nur zurückschieben würde auf den anderen. Wenn du mich einmal kritisiert hättest und du hättest mit deiner Kritik Recht gehabt, dann hätte ich gesagt: Ja, du hast recht, Resi. Aber du hast mich ja nie kritisiert. Du hast nur genörgelt und gejammert. Ich weiß, daß du eine Schilddrüsenunterfunktion hast, aber das ist noch lange kein Grund, mich zu erpressen. Ich kann dich nicht schonen, nur weil du es mit der Schilddrüse hast, verstehst du mich? Weil in dem Moment lasse ich mich erpressen. Und da hast du nichts davon. Weil wenn ich dir nicht sage, was ich denke, und wenn ich nicht tue, was ich für richtig halte .... S. 88-89

Lesezitate nach Margit Schreiner - Haus, Frauen, Sex




M. Schreiners Buch am

im Literarischen Quartett










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Titel von
Margit Schreiner
 Taschenbuch


Der Mann mit den Samtohren
und andere Weisheiten


© 2000


Nackte Väter

© 1999


© 16.11.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de