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ICH bin gekommen
Sarah - Ich bin gekommen

ex hat Konjunktur und das vor allem bei den französischen Autorinnen. Während Catherine Millet ihre sexuellen Erfahrungen als Frau beschreibt, kreisen die Gedanken der jungen, zwanzigjährigen Sarah in ihrem Debüt "Ich bin gekommen" um ihre ersten Erfahrungen mit Männern. "Ein junges Mädchen will ich nicht sein; das ist zu banal. Und eine Frau bin ich ja leider noch nicht. Kriegerin - das wäre nicht schlecht."

Und tatsächlich befindet sie sich auf dem Kriegspfad und jagt verzweifelt dem ihrer Meinung nach alles verändernden, absoluten Erlebnis hinterher: dem ersten Orgasmus. Ihre Erwartungen sind riesig und die Vielzahl der Männer, denen sie immer neue Chancen einräumt, scheitert. Mutig probiert Sarah alle möglichen Varianten aus. Ohne Erfolg.

Für den Leser entpuppen sich die Aufzeichnungen Sarahs spätestens nach dem dritten Mann als etwas strapaziös, denn ihre sprachlichen Möglichkeiten erweisen sich als beschränkt und auf Dauer ist ihr atemlos, hechelnder Stil zwar ihrer hartnäckigen Suche angepasst, insgesamt jedoch übertrieben.

Der große Druck und die großzügige Einteilung der Kapitel, die jeweils durch leere Seiten abgetrennt sind, nähren den Verdacht, dass hier ein Taschenbuch zum Hardcover aufgeblasen wurde.

So greift am Ende schlichte Erleichterung um sich, als endlich der ersehnte Satz fällt "Ich bin gekommen."
© manuela haselberger


Sarah - Ich bin gekommen
Originaltitel: J'ai joui, © 2002
Übersetzt von Gaby Wurster

© 2002, München, Goldmann Verlag, 191 S., 16.90 € (HC)




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Zwanzig! Bald einundzwanzig...
Die Hand, die mir diese neuartige Lust schenkte, ist dreißig Jahre älter als mein Körper. Das musste wohl so sein. Mein »Alter Lover«, wie er sich kapriziös nennt, war zu Anfang des Jahres 2001 fünfzig Jahre alt.
2001, das Jahr meines ersten Orgasmus. Daran hatte Kubrik bestimmt nicht gedacht. Ich will es verkünden, will erzählen, wie es dazu kam. Nun, da die Frauen Tag für Tag kühner werden und ihre Geheimnisse enthüllen, will ich auf dieser Welle mitschwimmen und ein für alle Mal die Vorstellungen zerschlagen, die sich die Männer von unseren Begierden und unserer Lust gemacht haben. Ich bin zwanzig Jahre alt und ich bin gekommen. Ist es blöd, stolz und glücklich darüber zu sein? In jenem Jahr zählte für mich nichts anderes, nicht einmal die Tatsache, dass ich mein Philosophiestudium mit Auszeichnung absolviert habe. S. 7-8

Im Aufzug, der mich ins Parterre brachte, arbeitete ich einen Schlachtplan zum Erringen eines Sieges aus: Ich wollte einen Höhepunkt. Das ist mir die Natur schuldig, ich bin eine Frau. Ein Orgasmus, diese nie gekannte intensive Seinserfahrung, fehlte mir. Und wie bei jedem großen Mangel wurde der Gedanke, der ihn umgibt, zur Obsession. Ich hatte das Gefühl, mich nicht zur erwachsenen Frau entwickeln zu können, wenn ich nicht diese verheißungsvolle Lust erfuhr. Ich wollte den Frust von mir laden, nicht so zu sein wie andere Frauen. Ich wollte normal sein. Und kommen. Ich wollte sagen und es tief in mir spüren: »Ich bin gekommen, ich komme, ich werde kommen«, als wollte ich damit die Liebe zum Leben beweisen, als wollte ich damit einen Pakt besiegeln zwischen dem Leben und seiner Dauer und mich vor all seinen Unwägbarkeiten schützen. Als wollte ich mich mit einem Zaubertrank stärken.

Erster Schritt: Ich werde mir keine Gelegenheit entgehen lassen. Im Lauf der Jahre habe ich gemerkt, dass die Männer mich ansehen. Ich spürte, wie sich mein Körper entfaltete und meine Verführungstechnik immer besser wurden. Frédéric hätte mir einen Orgasmus bescheren sollen, denn er hat es gewagt, mich zu überrumpeln. Diese Eingangshalle, wo ich zum ersten Mal von hinten genommen wurde, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Frédéric hat das Unmögliche gewagt. Ich habe ihn geliebt. Das störte mich. Aber was hatte ich denn so geliebt? Seinen Schwanz voller Speichel, der sich in meinen Arsch schob, oder diese gefährliche, gewagte Aktion an jenem Ort? War ich pervers? Frédéric, der Nette... Das Problem mit diesem Jungen war, dass er verzweifelt versuchte, mich mit Liebesversprechungen zu bezirzen, von denen mir ganz schwindlig wurde. Er hatte bereits von Hochzeit, Kindern, von einem gemeinsamen Leben gesprochen. Ich bin zwanzig, ich kann noch nicht auf eigenen Füßen stehen. Ich bin neugierig auf alles, habe aber ganz wenig Selbstvertrauen. Frédéric ging zu weit, er war zu schnell und zu ungeschickt. Vielleicht sollte ich mich zurückziehen und einen Strich unter diese Geschichte machen, die nichts weiter war als eine Erfahrung und eine Tollkühnheit. S. 38-39

Über die Heirat sagt Sokrates: »Heiratet auf jeden Fall. Kriegt ihr eine gute Frau, dann werdet ihr glücklich. Kriegt ihr eine schlechte Frau, werdet ihr Philosophen, und auch das ist nützlich für einen Mann.« Und die Frau? Wer denkt an die Frauen? Können sie nicht glücklich oder Philosophinnen werden?
Indem ich versuche, eine zu sein, sagte ich mir: Ich muss eine neue Rolle erfinden. Ein junges Mädchen will ich nicht sein; das ist zu banal. Und eine Frau bin ich ja leider noch nicht. Kriegerin - das wäre nicht schlecht. Dann werde ich sie zum Duell herausfordern, die überlegene Männlichkeit, werde so tun, als ließe ich mich erobern, und bekämpfe sie, diese Männer, diese angesexten Heuchler, die mit ihren lüsternen und allzu oft uneingestandenen Gedanken um unsere Körper kreisen. Man muss sich nur die Straßen der Stadt anschauen Orte des Ungesagten, der Lügen, des schönen Scheins, wo sich unzählige Begierden tummeln, Orte des Frustes über all die Zeitverschwendung. Arschlöcher! Ich werde mich ihren Gesetzen nicht unterordnen. Sollen sich mich doch wegputzen mit ihren Muskeln, mit ihrer Kraft, die uns einschränkt - uns, die Kriegerinnen, die wir klüger sind!

Ich war zu einem Rugby-Match eingeladen, wo sich junge Gockel im Rahmen von Spielregeln, die ich nicht richtig kenne, miteinander messen können. Da ich nichts von dem Spiel verstand und mich langweilte, stellte ich mir eine Horde wilder Männer vor, die mit Kampfgeschrei auf schweißnassen Pferden mit schwarzen Mähnen in dröhnendem Galopp einen Hügel meiner Stadt hinunterbrausen. Sie packen mich an den Haaren, nachdem ich gerade zwei Männer mit einem Schlachtermesser getötet habe, das ich in der Mensaküche geklaut hatte. Ein Hüne von einem Mann überrascht mich von hinten, er legt mich quer übers Pferd und presst mich zwischen seine Schenkel und den Hals des Pferdes. Dieser Drecksack! Er ist ganz erregt … S. 50-51

Ich bin die Königin der Bescheuerten! Ich-bin-verliebt!«
»Wieso die Königin der Bescheuerten?«
»Ich spüre, dass ich verliebt bin, und das ist doch bescheuert!
»Aber nein! Bist du krank? Das ist doch die schönste Sache der Welt!«

Charlotte war eben eine unverbesserliche Romantikerin. Am anderen Ende der Leitung versucht sie, mich vom Unmöglichen zu überzeugen:
dass die Liebe gut sei, dass die Liebe kostbar sei, dass es nichts Schöneres gebe... Phrasen!

»Ich finde es entwürdigend, mich zu verlieben. Es würde reichen, wenn ein Junge die gleichen Verführungstechniken anwendet und uns allen dieselben Gefühle beschert, von der gleichen Art und der gleichen Menge und dem gleichen Kribbeln. Das ist zu vorbestimmt. S. 59

Die Nacht kam, das Meer schwoll an, die Wellen brachen sich. Die Segel waren gerefft, doch in der Kabine war es laut. Ich hörte, wie die Flut gegen den Rumpf krachte, wie der Schoner stampfte und rollte, und wie Victor einen Meter von mir entfernt Claire nahm. Grausame, egoistische Liebende. Meine Koje war über der ihren, sie war ein wenig versetzt, weil der Rumpf sich nach oben verbreiterte. Im schwachen Mondlicht, das durch die Luke fiel, sah ich den kräftigen Körper des Kapitäns, der wie das Meer über die 3ojährige Frau rollte, die sich ihm hingab, hier, vor meinen Augen. Ich sah die runden Pobacken des Liebhabers, sah, wie sich die Muskeln bei jedem Stoß zusammenzogen. Immer wieder schloss ich die Augen oder ich starrte an die Wand, um nicht Lust zu bekommen, an ihrer Stelle zu sein. Doch im Lärm der Wellen und dem Gleiten des Schiffes durchs Wasser zogen die Schreie der Frau wieder meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich sah also hin, heimlich, sie sollten nicht merken, dass ich sie beobachtete. Wie erregend es war, dieses Spiel von Lust und Begierde zu verfolgen! S. 124

Lesezitate nach Sarah - Ich bin gekommen




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Schwarze Tage, weiße Nächte

von Philippe Djian
Männerfantasien




© 22.9.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de