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Waschen, schneiden, lesen
Gerhard Meir & Christine Eichel - Der Salon

er Salon spielt, auch wenn neben Christine Eichel, der Starfigaro Gerhard Meir als Co-Autor firmiert, nicht nur in den Frisiertempeln der Damenwelt, sondern auch in den angesagten Schickeria - Treffs der Highsociety.

Julian, ganz offensichtlich das Alter Ego Gerhard Meirs, ist mit seinen begnadeten Händen der Liebling der Damen. Wenn er zur Schere greift, zaubert er beispielsweise in die Lockenpracht der jungen Gräfin Alexa wahre Wunder. Er türmt auf ihren Kopf schwindelerregende Gebilde und setzt damit die edle Partygesellschaft in einen Taumel zwischen ablehnendem Schauder und hellem Entzücken, wenn er Alexa mit einer grün gefärbten Punk Kreation aufs Parkett schickt. Nicht umsonst wird Julian bei allen gesellschaftlichen Events um Rat gefragt. Besonders aufregend mit ihm: "Kampfshoppen de luxe". Sein Stil, der streng die Devise meidet "mehr Schein als Design", wird von der lockeren Münchener Bussi-Bussi-Gesellschaft ebenso geschätzt wie von den etwas strengen Hamburger Reederei - Gattinnen. Mittlerweile betreibt er sogar einen Salon im Berliner Adlon. Selbst die Hauptstadt Prominenz hört auf seine Stil-Vorgaben. Julian schwimmt ganz oben, bis ihm ein kleiner Lapsus unterläuft.

Mit etwas besseren Sprachkenntnissen in Französisch, wäre ihm die Peinlichkeit allerdings erspart geblieben, das kompromittierende Telefonat aus Frankreich an die ehrgeizige Klatsch-Kolumnistin Gabriele Himmerl zum Übersetzen weiter zu reichen. Niemand hätte so erfahren, dass bei der letzten Übernachtung in Paris in seinem Hotelzimmer ein nicht ganz unbedeutender Geldbetrag gefunden wurde. Und keiner wäre auf den Gedanken gekommen, dass Drogen im Spiel sein könnten. Doch die Story ist zu schön, um sie nicht effektvoll auszuschlachten: Julians "Fall" beginnt.

Das Duo Meir, Eichel schreibt eine bitterböse Gesellschafts-Satire auf die "Schönen und Reichen", ihre abstrusen Eitelkeiten und feinen Eifersüchteleien. Die Dialoge versprühen reichlich Galle, verpackt in wohlklingenden Höflichkeiten. Und das alles erzählt in einem munteren Tempo mit einer Unzahl von Anspielungen aus der Regenbogenpresse - hier tritt Gloria von Thurn und Taxis ebenso auf wie Thomas Gottschalk und auch ein berühmter Politiker, der unermüdlich betont, dass er stolz auf seine natürlich Haarfarbe ist, erhält von Julian eine kleine farbliche Unterstützung. Selbstverständlich streng vertraulich.

Beim nächsten Friseurbesuch können Sie getrost die BUNTE vergessen und den "Salon" aus der Tasche ziehen. Sie werden sich prächtig unterhalten. Und wenn ihr Friseur Stil hat, dann wird er das Buch schon für Sie bereit gelegt haben.
© manuela haselberger


Gerhard Meir & Christine Eichel - Der Salon

© 2002, Hamburg, Hoffmann und Campe Verlag, 319 S., 18.90 € (HC)



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Schutzlos wie nasse Welpen saßen sie da. Sie warteten. Sie hatten schon immer gewartet. Ein Leben lang. Auf die Verwandlung, auf die Erlösung, auf den magischen Moment, in dem alles anders wird. Sanft und beharrlich tropfte es aus den feuchten Strähnen.

Die Blicke, eben noch kristallhart und siegesgewiss, glitten aus auf der silbrigen Oberfläche der Spiegel. Prallten ab. Rutschten ins Leere. Nur ein unsicheres Flackern blieb übrig. Die Aschenputtel wollten so gern Prinzessinnen sein und die Prinzessinnen Schulmädchen. Und die Schulmädchen wurden von den Herren zum Formatieren hergebracht. Einmal bitte vernissagentauglich machen. Kein Problem.

Verstohlen irrlichterten die Blicke nach rechts und links. Warum nur waren nasse Haare eine besonders perfide Form der Nacktheit? Die Intimität des Boudoirs mischte sich verstörend mit der Öffentlichkeit des Salons. Hier wurde niemand übersehen. Trotz der fiebrig aufgeladenen Wärme zogen die Damen ihre Handtücher fester um den Hals, fröstelten im kalten Licht. Das Aufheulen der Föhne fegte über wattierte Klänge hinweg, über das gedämpfte Parlando hinter Säulen und Paravents und über die flockige Lautlosigkeit, mit der Haare zu Boden fielen wie Neuschnee am Heiligabend.
"Er kommt gleich."

Sie lächelten tapfer. Suchten sich erneut im Spiegel. Und warteten. Jetzt half kein Gucci-Pumps mehr und kein Einkaräter. Nackt und bloß erwarteten sie den, der ihnen Gestalt gab, der ihre Haare ordnete und ihr Leben.

Ein paar ganz Routinierte hatten Aktenordner dabei, zeichneten Briefe ab, hämmerten auf Laptops ein, gurrten Verschwörerisches ins Handy. Tändelnde Attitüden.
"Gleich, noch eine Sekunde."
Tabula rasa. Das Make-up hatte das rituelle Haarewaschen ohne größere Verwüstungen überstanden, aber der morgendliche Bürstenstrich war hinweggespült, die Disziplinierungsmaßnahmen des Haarsprays, die kleinen Handgriffe, mit denen hundertmal am Tag eine Frisur simuliert wurde, hundertmal der Versuch, das ewig Widerspenstige mit allen zehn Fingern zu zähmen, um jemand anderem ähnlich zu sein. All das war verschwunden. Seltsam anonym waren diese nassen Haare, unbewohnt und fremd.

"Jetzt geht's los."
Ein Rauschen lag plötzlich in der Luft. Als trete die unsichtbare Entourage eines Herrschers auf. Doch es war weder Fächerwind noch Robenrascheln, es war die Aura von Autorität, die sich wie schwere Seide auf Gabriele Himmerls Schultern legte.

Sie sah auf. Noch bevor sie sein Gesicht erkannte, spürte sie die geschmeidige Bewegungslogik des Profis, der so sicher dahingleitet, als habe ein Ballettmeister seinen Auftritt choreographiert.

Gabriele straffte sich. Und lächelte. Himmel hilf! Ob er es bemerken würde? Dass sie ihm - untreu geworden war?

Julian hatte sich schon einen Hocker herangerollt. Sein dunkelblauer Anzug saß perfekt. Ahnungslose hätten ihn für einen bemerkenswert attraktiven Banker halten können, der die frisch gestylte Gattin abholt. Kein Goldkettchen, keine Föhnfrisur. Das tausendfach fotografierte Jungsgesicht war konzentriert.
"Hallo Mäuserl", rief er und legte die Zigarette ab.
Gabriele lächelte nun breiter und zeigte ihre Zähne. Schließlich waren die wieder makellos weiß, seit sie sich nachts eine Bleichschiene in den Mund zwängte. Erleichtert stellte sie fest, dass Julian zurücklächelte. Vielleicht ging es ja gut, vielleicht würde er in einem traumwandlerischen Moment der Zerstreutheit nicht bemerken, dass sie auf Abwege geraten war, einmal nur, dieses eine Mal.

Sie war emotional weitgehend entkernt, doch wenn es um Julian ging, loderten alle Symptome einstiger Verliebtheiten auf wie Phantomschmerzen. Er war ihr Held und ihr Gönner. Ihre Instanz. Sein Rat, sein Urteil waren Gesetz.
Der Griff ins Haar ersetzte das Händeschütteln. Gleich darauf verschwand sein Lächeln.
"Ja sag mal, wo warst du denn?"
Backfischröte schimmerte jäh durch Gabrieles Puder hindurch, Scham und Zerknirschung erledigten den letzten Rest Haltung. Stand nicht am Anfang des Dekalogs die Forderung, es gebe nur einen Gott und keine anderen Götter neben ihm? "Das war im Urlaub, wie soll ich sagen, ich fühlte mich so grauenvoll, es regnete auf Mauritius, alles war grau, ich hatte einen unterirdischen >bad hair day<, und da habe ich, ich meine, da bin ich eben dort mal zum, äh, zum - Haareschneiden gegangen …. "
Der Rest war Flüstern.
Stumm ließ Julian seine Hände durch ihr Haar gleiten, prüfte jede Strähne, erfühlte jeden Eingriff, ertastete das ganze Ungemach eines misslungenen Schnitts. Immer wieder erlebte er, dass gerade die eingeschworensten Stammkundinnen plötzlich mit formalästhetischem Totalschaden von fremder Hand auftauchten. So, als sei seine Autorität dermaßen übermächtig, dass pubertäre Züge der Auflehnung unumgänglich wurden, auch wenn sie rasch in tiefe Reue umschlugen.

Gabriele verfolgte die inquisitorische Prozedur mit waidwundem Blick. Alles konnte sie sich leisten - den Mann der besten Freundin verführen, hochgeheime Telefonnummern weitergeben, die Meinung wechseln wie die Lippenstiftfarbe. Aber das hier, das war Hochverrat. Ergeben wartete sie auf den Urteilsspruch.

Julian ließ die Hände sinken und betrachtete gedankenverloren ihren Hinterkopf. Sie schlug die Augen nieder. Bitte, bitte, sag doch was.

"Das muss runter."
Sie nickte. Ich mache alles wieder gut. Du bist der Einzige, der Beste, der Wahre. Verfahre nach deinem Gutdünken. Schneide alles weg. Tilge alle Spuren der fremden Anmaßung. Unwillkürlich fuhr ihre Hand ins Haar, mit der gewohnten Geste, doch es war zwecklos. Dann war nichts weiter zu hören als das Geräusch der Schere, die mit der Präzision eines operativen Eingriffs geführt wurde.
Julian spürte Gabrieles Beklommenheit und beschloss, die Absolution in Gestalt des vertrauten Smalltalks noch ein wenig hinauszuzögern. Gabriele brauchte eine strenge Hand. Da sie als Klatschkolumnistin der "Society" nie vergaß, ihn auf die symbiotische Natur ihrer Beziehung hinzuweisen, verschaffte ihm die Autorität seines Handwerks eine willkommene Gelegenheit, ihren Machtansprüchen etwas entgegenzusetzen.

Schweigend warf er ihren Kopf hin und her, drehte sie auf dem Stuhl herum, befahl ihr, sich vorzubeugen. Willig ließ sie es geschehen.
Duldungsstarre, dachte er und lächelte. Sein Blick wanderte durch die unwirklich hellen Räume. Obwohl alles klinisch aufgeräumt und strahlend wirkte, erschien ihm sein Salon manchmal wie ein Alchimistenkabinett. Ich bringe die Materie durch Läuterung von einem unvollkommenen Zustand in einen vollkommenen, sagte er sich.

Es war ein Spiel, und er beherrschte es von der ersten Stunde an. Ich sehe was, was du nicht siehst. Ich sehe dich so, wie du gemeint bist.
Gabriele hatte sich der eher rüden Bearbeitung eine Weile lang ohne Widerspruch gefügt, jetzt sah sie fragend auf. Also gut, dachte Julian. Das Antiblockiersystem ist aktiviert.

"Geh, Mäuserl", rief er über die feuchten Strähnen hinweg in den Spiegel, "jetzt schaut's wieder sssuper aus!"

Erleichtert tastete Gabriele nach der Zigarettenschachtel in ihrer Kelly-Bag.
"Erzähl doch mal, was hast du für mich?", fragte sie und zündete sich eine Zigarette an. Ich sollte die Friseurkosten auf die Spesenrechnung setzen, dachte sie, während Julian die neuesten Interna ausbreitete.


******************************

"Ich sage nur - Vasari."
Etwas mitgenommen setzte sich Gabriele auf einen Barhocker und deutete stumm auf die Flasche Champagner, die in einer silbernen Schale auf zerstoßenem Eis lagerte. Sogleich wurde ihr eingeschenkt.

"Vasari?", fragte Alexa, ein Neuzugang der Partygesellschaft, eine Novizin, die sich arglos zu der luftig aufgeföhnten Kolumnistin gesellt hatte. Gönnerhaft senkte Gabriele die Stimme.
"Na, der Italiener, der …"
"Ach so, Vasari, wurde der nicht von seinem Lover in Miami erschossen?"
Gabriele seufzte und tauschte einen Blick mit ihrem neuen Spiegelbild, das sie zwischen den Flaschen der Bar anstarrte. Oha, dachte sie. Es ist leichter, sich an einen neuen Mann zu gewöhnen als an eine neue Frisur. Dennoch hatte sie längst Ersteres zugunsten des Zweiten aufgegeben.
"Schätzchen, ich spreche doch nicht von Versace!", rief sie ein wenig zu laut, denn soeben hatte sie im Spiegel Beate Budenbach entdeckt, ihre erbittertste Konkurrentin, die am Entree über einen Termin verhandelte. Auf keinen Fall sollte Beate entgehen, dass das Terrain bereits okkupiert war.

"Der ist ja auch sowieso ... " versuchte es Alexa, doch Gabriele schnitt ihr das Wort ab.
"Vergiss es. Vasari war ein kultureller Revolutionär, der Erste, der die Künstler aus dem Stand von Domestiken erhob und zu … S. 5-9

Lesezitate nach Gerhard Meir & Christine Eichel - Der Salon










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Titel von
Gerhard Meir & Christine Eichel
 Taschenbuch



Gefecht in fünf Gängen.

© 2000



Schwindel.

© 2002



Es liegt mir auf der Zunge.

Geschichten mit Geschmack.
© 2002

 Hardcover



Schwindel.

© 2000



Gefecht in fünf Gängen

Mit den Rezepten des Menüs
© 1998


© 15.05.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de