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Babysitter Blues
Emma McLaughlin, Nicola Kraus -
Die Tagebücher einer Nanny

rayer ist gerade stolze vier Jahre alt, doch für sein Kindermädchen Nanny ist er ein Fulltime-Job mit mörderischem Einsatz. Pausen kommen in ihrem Arbeitsalltag so gut wie gar nicht vor, Nerven scheint sie in unbegrenzter Menge zur Verfügung zu haben und ein nicht enden wollender Geduldsfaden ist ihre ganz besondere Spezialität.

Jeden Nachmittag erhält Grayer sein spezielles, auf ihn abgestimmtes pädagogisch ausgewogenes Förderprogramm: da wird der Knirps zu seinem persönlichen Französisch-Unterricht im Buggy geschoben, es werden intensiv erste Rechenaufgaben trainiert und gerne Lesekärtchen gezückt. Wenn es mit der Lektüre des Wall Street Journals noch nicht so klappt, dann kann man es für den Anfang auch einmal mit der Financial Times versuchen. Und das alles nur, um ihn so gut wie möglich für die Aufnahmegespräche in das begehrte Elite-College vorzubereiten. Zumindest stellt sich Grayers Mutter das so vor, wenn sie gerade nicht damit beschäftigt ist für eine ihrer Wohltätigkeitsveranstaltungen das passende Prada - Kostüm zu erstehen.

Mit dem Roman "Die Tagebücher einer Nanny" geben die beiden Autorinnen Emma McLaughlin und Nicola Kraus ihren Einstand in der Sparte der witzigen Unterhaltungsromane. Und der Vergleich zu Helen Fieldings Heldin Bridget Jones und ihren Tagebüchern, die sich zum Bestseller entwickelten, drängt sich allein schon durch den Titel auf. Doch der Humor bleibt bei den beiden Autorinnen an der Oberfläche, denn die Kälte und Lieblosigkeit, die Grayer von seinen Eltern widerfährt, ist erschreckend. Am liebsten würde man als Leser immer wieder einmal mit einem kurzen kräftigen Schütteln seine Eltern zur Vernunft bringen. Ganz zu schweigen, mit welcher Sklavenmentalität Nanny, die nun wirklich keinen Wunsch als Babysitterin offen lässt, von ihnen behandelt wird.

Der Roman ist wie geschaffen für die Leinwand und so sind die Filmrechte bereits verkauft. In der Hauptrolle ist Julia Roberts im Gespräch - darauf darf man gespannt sein.
manuela haselberger



  Emma McLaughlin, Nicola Kraus -
  Die Tagebücher einer Nanny
   Originaltitel: »The Nanny Diaries«, © 2002
   Übersetzt von Regina Rawlinson
   © 2003, München, Goldmann Verlag, 352 S., 21.90 € (HC)
   © 2003, München, Random House Audio, 4 CDs., 29.50 € (CD)
   © 2003, München, Random House Audio, 3 Cass., 29.50 € (MC)
  

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Nanny im Angebot

Sie schnaufte lange und vernehmlich aus. Offenbar war sie zu einem Entschluss gekommen. Sie sagte: »Ich nehme die Stellung an.«
»Es war gerade so«, sagte Mrs. Banks später zu ihrem Mann, »als ob sie uns einen Gefallen täte.«

Mary Poppins

»Hi, hier spricht Alexis vom Elternverband. Ich rufe wegen der neuen Richtlinien für Schuluniformen an, die wir Ihnen zugesandt haben ...« Die blonde Frau, die ehrenamtlich am Empfang die Stellung hält, bedeutet mir mit ihrer schwer beringten Hand, einen Augenblick zu warten, bis sie das Gespräch beendet hat. »Also, es geht darum, dass wir die Mädchen dieses Jahr gern in längeren Röcken sehen würden, mindestens fünfzig Zentimeter. Wir bekommen immer noch Klagen von den Müttern der Jungen, die auf die benachbarte Knabenschule gehen ... Sehr schön. Das hört man gern. Ciao.« Schwungvoll streicht sie den Namen »Spence« von den drei Punkten auf ihrer Liste.
Nun hat sie Zeit für mich. »Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten. Aber zu Schulbeginn geht es bei uns nun einmal sehr hektisch zu.« Sie malt einen großen Kreis um den zweiten Punkt auf der Liste: »Papierhandtücher«. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich finde das Schwarze Brett nicht mehr«, sage ich. »Die Anschläge für Kindermädchen.« Ich bin ein wenig verwirrt, denn ich benutze die Anschlagtafel schon seit meinem dreizehnten Geburtstag, um meine Dienste als Babysitterin und Nanny anzubieten.
»Wir mussten es abnehmen, weil das Foyer gestrichen wurde, und sind bis jetzt noch nicht dazu gekommen, es wieder aufzuhängen. Warten Sie, ich zeige es Ihnen.« Sie führt mich in den großen Saal. Die Designerschreibtische sind von Müttern umringt, die sich über die unterschiedlichen Privatschulen beraten lassen. Das gesamte Spektrum der an der Upper East Side residierenden Weiblichkeit ist vertreten: Die eine Hälfte trägt Chanel-Kostüme und Schuhe von Manolo Blahnik, die andere Outdoorjacken für 600 Dollar, in denen sie so aussehen, als würden sie im nächsten Augenblick anfangen, ein Zelt aufzubauen.
Alexis zeigt mir das Schwarze Brett. Das Gemälde von Mary Cassatt, das vorher dort hing, steht darunter, an die Wand gelehnt. »Die Organisation lässt leider noch ein wenig zu wünschen übrig«, sagt sie. Eine Frau, die neben uns ein Blumenarrangement steckt, blickt hoch. »Aber keine Sorge. Zu uns kommen so viele nette Mädchen, die eine Stelle suchen, dass Sie bestimmt die Passende finden werden.« Sie spielt mit ihrer Perlenkette. »Haben Sie nicht einen Sohn in Buckley? Sie kommen mir so bekannt vor. Ich heiße Alexis ...«
»Hi«, sage ich. »Ich bin Nan. Ich habe die Töchter der Gleasons betreut. Wenn ich mich nicht irre, wohnen Sie direkt nebenan.«
Sie mustert mich von oben bis unten. »Oh, ach ja. Nanny, jetzt weiß ich es wieder.« Beruhigt begibt sie sich wieder zur Empfangstheke.
Ohne weiter auf das eifrige, geschmeidige Geplauder der Frauen hinter mir zu achten, lese ich mir die ausgehängten Anschläge meiner Konkurrentinnen durch.
Babysitter suche Kinder
Möge Kinder sehr
Staub sauge
Ich passe auf Kinder
Viel Jahre habe Erfahrung
Anrufen Sie

Das Schwarze Brett ist so voll, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als meinen Zettel halb über einen anderen zu kleben, der über und über mit bunten Blümchen bemalt ist. Aber immerhin passe ich auf, dass ich nur die Verzierung und nicht die Information verdecke.
Ich wünschte mir, ich könnte diesen Frauen das Geheimnis der erfolgreichen Bewerbung um einen Nanny-Job verraten. Es geht nicht um herzige Zeichnungen, sondern um die korrekte Zeichensetzung. Genauer gesagt, um das Ausrufezeichen. Der Zettel, den ich aufhänge, ist noch nicht einmal mit einem einzigen Smiley verschönert, aber dafür reichlich mit Ausrufezeichen garniert. Jeder vorteilhafte Zug, mit dem ich mich anbiete, endet mit der Verheißung eines strahlenden Lächelns und einer durch nichts zu erschütternden positiven Lebenseinstellung.
Nanny frei!
Absolventin der Chapin School!
Stundenweise, wochentags!
Erstklassige Referenzen!
Pädagogikstudentin an der
Universität New York!

Das Einzige, was mir fehlt, ist ein Regenschirm. Dann könnte ich auch noch fliegen.
Noch ein letzter Blick, ob sich kein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat, dann mache ich meinen Rucksack zu, verabschiede mich von Alexis und laufe die Marmortreppe hinunter, hinaus in die drückende Hitze.
Es ist August, und die Sonne steht noch nicht allzu hoch am Himmel, was heißt, dass die Kinderwagenparade in der Park Avenue im vollen Gange ist. Die vielen kleinen Menschlein hängen schwitzend in ihren Buggys. Ihnen ist es so heiß, dass sie nicht einmal ihre normalen Reisebegleiter auf dem Schoß haben - Schmusedecken und Teddybären sind in die Gepäcknetze verbannt. Ich muss über ein Kind lachen, das mit einer matten Handbewegung ein Trinkpäckchen zurückweist, als ob es sagen will: »Saft trinken ist viel zu anstrengend.«
Während ich an einer Ampel warten muss, sehe ich zu den großen, hohen Fenstern hinauf, den Augen der Park Avenue. Wenn man von der Bevölkerungsdichte ausgeht, ist die Upper East Side für Manhattan das, was der Mittlere Westen für die USA ist, nämlich ein eher spärlich besiedeltes Territorium. Dabei gibt es Wohnraum in Hülle und Fülle. Ungenutzten Wohnraum. Badezimmer, Ankleidezimmer, Klavierzimmer und Gästezimmer. Und irgendwo dort oben - wo genau, wird nicht verraten - hat auch ein Kaninchen namens Arthur ein eigenes Zimmer, 25 Quadratmeter ganz für sich allein.
Ich überquere die 72ste Straße, tauche unter dem kühlen Schatten der blauen Markise am Polo Building hindurch und biege in den Central Park ein. Am Spielplatz, wo ein paar Kinder hartnäckig der Hitze trotzen, bleibe ich kurz stehen, um meine Wasserflasche aus dem Rucksack zu nehmen. Plötzlich stößt etwas gegen meine Beine. Ich sehe nach unten und greife zu. Ich habe einen altmodischen Holzreifen gefangen.
»Heh, das ist meiner!« Ein etwa vierjähriger Junge, der zusammen mit seinen Eltern auf einem kleinen Hügel für ein Familienfoto posiert hat, kommt auf mich zu gelaufen. Er hat es so eilig, dass ihm seine Matrosenmütze vom Kopf fliegt und im verdorrten Gras landet.
»Das ist mein Reifen«, verkündet er.
»Bist du sicher?«, frage ich. Er macht ein verdutztes Gesicht. »Ist es nicht vielleicht ein Wagenrad? Oder ein Heiligenschein?« Ich halte ihm den Reifen über seinen blonden Schopf. »Oder eine riesengroße Pizza?« Als ich ihm sein Spielzeug zurückgebe, strahlt er.
»Du machst Quatsch!« Mit dem Reifen im Schlepptau läuft er zurück zu seinem Fototermin. Unterwegs kommt ihm seine Mutter entgegen, um die Matrosenmütze zu holen.
»Entschuldigen Sie«, sagt sie zu mir und klopft den Staub von der gestreiften Krempe. »Hoffentlich hat er Sie nicht belästigt.« Sie hebt die Hand, um ihre blassblauen Augen vor der Sonne zu schützen.
»Nicht im Geringsten.«
»Oh, aber Ihr Rock ...« Der Fleck, den der Reifen auf dem Stoff hinterlassen hat, ist nicht zu übersehen.
»Nichts passiert«, sage ich lachend und klopfe mir den Staub ab. »Ich arbeite mit Kindern. Da bin ich es gewöhnt, dass es manchmal ein bisschen handfester zugeht.«
»Ach, tatsächlich?« Sie stellt sich so hin, dass sie ihrem Mann und der blonden Frau, die neben dem Fotografen wartet und dem Jungen ein Trinkpäckchen hinhält, den Rücken zukehrt. Seine Nanny, nehme ich an. »Hier in der Nachbarschaft?«
»Zurzeit nicht. Die Familie ist im Sommer nach London gezogen ...«
»Wir sind so weit!«, ruft der Vater ungeduldig.
»Komme schon!«, schallt es fröhlich zurück. Sie neigt mir ihr zart geschnittenes Gesicht zu und senkt die Stimme. »Das ist ja ein Zufall. Wir suchen nämlich gerade jemanden, der uns stundenweise aushilft.«
»Was Sie nicht sagen. Eine Teilzeitstelle wäre ideal. Ich habe nämlich dieses Semester einen sehr vollen Stundenplan.«
»Wie kann man Sie am besten erreichen?«
Ich krame Stift und Zettel aus dem Rucksack und schreibe ihr meinen Namen und meine Telefonnummer auf. »Bitte sehr.« Sie lässt das Blatt unauffällig in die Tasche ihres Hemdkleids gleiten und rückt sich den Haarreif zurecht, der ihr langes dunkles Haar ziert.
»Wunderbar.« Sie lächelt huldvoll. »Es war schön, Sie kennen zu lernen. Ich melde mich dann.« Sie geht ein paar Schritte, dann dreht sie sich noch einmal um. »Ach, jetzt hätte ich es doch beinahe vergessen. Mein Name ist X, Mrs. X.«
Ich lächle zurück, und sie gesellt sich endlich wieder zu ihrer posierenden Familie. Sonnenstrahlen sickern durch das Laub und zaubern helle Punkte auf die drei Gestalten. Der Ehemann, der einen weißen Leinenanzug trägt, steht genau in der Mitte, die Hand auf dem Kopf des Jungen. Elegant bezieht die Mutter neben den beiden Stellung.
Als die blonde Frau zu dem Jungen geht, um ihm noch einmal durch die Haare zu kämmen, winkt er mir zu. Sie folgt seinem Blick. Rasch drehe ich mich um und gehe weiter, bevor sie mich genauer ansehen kann.
Großmutter empfängt mich in einem Mao-Tse-tung-Anzug aus Leinen, zu dem sie eine Perlenkette trägt. »Darling! Komm rein. Ich bin gerade mit meinen Tai-Chi-Übungen fertig.« Sie küsst mich links, sie küsst mich rechts, und dann nimmt sie mich auch noch in den Arm. »Schätzchen, du bist ja ganz nass geschwitzt. Möchtest du duschen?« Es gibt nichts Besseres, als von Großmutter beturtelt zu werden.
»Ein kalter Waschlappen wäre nicht schlecht.«
»Ich weiß, was du brauchst.« Sie nimmt mich bei der Hand und schleppt mich in die Gästetoilette. Freundlich leuchtet der pfirsichfarbene Chintz im Licht des antiken Kristalllüsters. Diesen Effekt habe ich schon als Kind geliebt. Noch vernarrter war ich allerdings in die gerahmten französischen Anziehpuppen. Als kleines Mädchen habe ich oft unter dem Waschbecken gehockt und kleine Gesellschaften veranstaltet, zu denen Großmutter den Tee und die Gesprächsthemen beisteuerte, mit denen ich meine hinreißenden französischen Gäste unterhalten konnte.
Sie hält meine Hände unter den Hahn und lässt kaltes Wasser darüber laufen. »Akupressurpunkte, um das Feuer abzuleiten«, sagt sie. Sie setzt sich auf die Toilette und schlägt die Beine übereinander. Sie hat Recht. Es wird mir schon kühler.
»Hast du etwas gegessen?«, fragt sie.
»Zum Frühstück.«
»Und zu Mittag?«
»Es ist doch erst elf, Gran.«
»Tatsächlich? Ich bin schon seit vier Uhr auf. Gott sei Dank, dass es Europa gibt, sonst hätte ich niemanden, mit dem ich vor acht Uhr telefonieren kann.«
Ich lächle. »Wie geht es dir?«
»Ich bin vor zwei Monaten vierundsiebzig geworden, aber ansonsten geht es mir gut.« Sie streckt die Zehen wie eine Tänzerin und zieht die Hosenbeine ein Stückchen hoch. »Die Farbe heißt Sappho - ich habe es mir heute Morgen bei Arden machen lassen. Was meinst du? Zu gewagt?« Sie wackelt mit ihren korallenroten Zehen.
»Göttlich, sehr sexy. Weißt du, ich würde am liebsten den ganzen Vormittag bei dir bleiben und mir die Hände kühlen, aber ich muss meine müden Knochen in die Uni schleppen und den Verwaltungsgöttern huldigen, damit sie mir endlich die Rückmeldung gewähren.« Ich drehe den Hahn zu und schüttle mir das Wasser von den Händen, dass die Tropfen nur so fliegen.
Sie gibt mir ein Handtuch. »Komisch, aus meiner Studentenzeit kenne ich solche Probleme gar nicht.« Sie meint meinen endlosen Kleinkrieg mit der Verwaltung der NYU.
Wir gehen in die Küche. »Heute bin ich gewappnet. Heute habe ich alles dabei: Sozialversicherungsausweis, Führerschein, Pass, Fotokopie meiner Geburtsurkunde, jedes einzelne Schreiben, das ich jemals von der Uni bekommen habe, und meine Immatrikulationsbescheinigung. Diesmal können sie mich nicht abwimmeln und behaupten, ich wäre gar nicht eingeschrieben, ich hätte das Studium im letzten Semester abgebrochen oder meine Studiengebühren und den Bibliotheksbeitrag nicht bezahlt. Dass meine Ausweisnummer nicht stimmt oder meine Sozialversicherungsnummer, dass ich keinen Adressennachweis habe oder die falschen Formulare, oder auch, dass ich schlicht und einfach überhaupt nicht existiere.«
»Du großer Gott.« Sie macht den Kühlschrank auf. »Bourbon?«
»Orangensaft wäre mir lieber.«
»Die Jugend von heute«, seufzt sie. Dann zeigt sie auf die ausrangierte Klimaanlage, die auf dem Fußboden steht. »Darling, soll ich nicht doch den Portier fragen, ob er dir beim Tragen hilft?«
»Nein, Gran, das schaff' ich schon alleine.« Ich versuche, den schweren Kasten zu stemmen, aber es hat keinen Zweck. Ich muss ihn gleich wieder absetzen. »Das war wohl nichts. Okay, dann hole ich das Ding eben später ab. Ich bringe Joshua mit, der kann mir helfen.«
»Joshua?« Sie zieht fragend die Augenbrauen hoch. »Dein blauhaariger kleiner Freund? Der wiegt doch höchstens fünf Pfund, und zwar nur, wenn man ihn tropfnass aus dem Wasser zieht.«
»Mehr habe ich, was männliche Hilfe angeht, zurzeit nicht zu bieten. Es sei denn, du willst, dass Dad sich wieder den Rücken verrenkt.«
»Es wird sich schon noch der Richtige finden. Ich schließe dich jeden Tag in meine Gebete ein, Kind«, sagt sie und nimmt sich ein Glas. »Komm. Ich mach' dir schnell ein paar Eier.«
Ich werfe einen Blick auf die Designerwanduhr aus den 50er Jahren. »Wenn ich doch bloß ein bisschen mehr Zeit hätte. Aber ich muss zur Uni, bevor die Schlange vor der Verwaltung einmal um den ganzen Block reicht.«
Sie küsst mich, einmal links, einmal rechts. »Na schön, dann kommst du heute Abend mit deinem Joshua vorbei, und ich koche euch was Anständiges. Du bist ja nur noch ein Strich in der Landschaft.«

÷

Joshua wälzt sich keuchend auf den Rücken, nachdem er die Klimaanlage mit letzter Kraft vor meiner Wohnungstür deponiert hat.
»Du hast mich angelogen«, schnauft er. »Du hast gesagt, die Wohnung wäre im zweiten Stock.«
»Ach ja?« Ich lehne mich mit dem Rücken an die oberste Treppenstufe und schüttele meine Arme aus.
Mühsam hebt er den Kopf. »Nan, das waren sechs Treppen. Zwei Treppen pro Stockwerk, das sind im Grunde sechs Etagen.«
»Nun stell dich nicht so an. Als ich aus dem Studentenwohnheim ausgezogen bin, hast du mir doch auch geholfen.«
»Ja, und warum habe ich dir geholfen? Weil das Studentenwohnheim einen Fahrstuhl hat, darum.«
»Dann wird es jetzt Zeit für die gute Nachricht. Ich habe nicht vor, jemals wieder auszuziehen. Das war's. Du kannst mich noch hier oben besuchen, wenn wir alt und grau sind.« Ich wische mir den Schweiß von der Stirn.
»Das kannst du vergessen. Dann hocke ich unten auf der Treppe, zusammen mit den anderen Tattergreisen.« Er lässt den Kopf wieder sinken.
»Los, komm.« Ich ziehe mich am Geländer hoch. »Ich habe uns ein paar Fläschchen Bier kalt gestellt.« Ich sperre die drei Schlösser auf und öffne die Tür. In der Wohnung ist es so heiß wie in einem Auto, das stundenlang in der Sonne gestanden hat. Wir prallen erst einmal zurück, als die sengende Luft an uns vorbei ins Treppenhaus strömt.
»Wahrscheinlich hat Charlene heute Morgen die Fenster zugemacht, bevor sie gegangen ist«, sage ich.
»Und den Backofen angestellt«, fügt er hinzu, als er nach mir in die winzige Diele tritt, in der auch die Kochnische untergebracht ist.
»Willkommen in meinem mit allen Schikanen ausgestatteten Wohnklo. Soll ich dir einen Bagel toasten?« Ich lege meinen Schlüsselbund neben die beiden Kochplatten.
»Was zahlst du für die Bude?«
»Frag mich lieber nicht.« Stück um Stück bugsieren wir die Klimaanlage quer durch das Zimmer.
»Wo ist denn nun deine scharfe Mitbewohnerin?«, fragt er.
»Josh, nicht alle Stewardessen sind scharf. Es gibt auch den mütterlichen Typ.«
»Sag bloß, sie ist auch so eine Matrone?« Er richtet sich auf.
»Nicht schlappmachen.« Wir schieben weiter. »Nein, sie ist tatsächlich ein scharfes Geschoss - aber es stört mich einfach, dass du voreilige Schlüsse ziehst. Sie ist heute Morgen nach Frankreich geflogen. Oder nach Spanien, auf jeden Fall nach Europa«, japse ich. Endlich biegen wir um die Ecke und kommen in meinen Teil des L-förmigen Apartments.
»George!«, ruft Josh. Mein Kater, der wie erschossen auf dem warmen Fußboden liegt, hebt seinen grauen Wuschelkopf und beantwortet die überschwängliche Begrüßung meines Freundes mit einem kläglichen Miau. Josh trocknet sich mit seinem Mr.-Bubble-T-Shirt die Stirn ab. »Und wo soll das Monstrum jetzt hin?«
Ich zeige ihm das Glasregal über dem Fenster.
»Was? Du bist wohl übergeschnappt.« »Den Trick habe ich aus der Park Avenue: ›Damit die Aussicht nicht beeinträchtigt wird.‹ Wer keine eingebaute Klimaanlage hat, gibt sich die größte Mühe, dass es bloß keiner merkt.« Ich schlenkere mir die Sandalen von den Füßen.
»Was denn für eine Aussicht?«
»Wenn du dich mit dem Gesicht an die Fensterscheibe presst und nach links guckst, kannst du den Fluss sehen.«
»Mein Gott, du hast Recht.« Er dreht sich wieder zu mir um. »Aber trotzdem. Wenn du glaubst, dass dir der liebe, gute Josh jetzt dieses sauschwere Teil da oben auf die Glasplatte hievt, hast du dich geschnitten, Nan. Ich hol' mir erst mal ein Bier. Komm mit, George.«


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© 24.2.2003

by Manuela Haselberger
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