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Nichts als Fiktionen
Siri Hustvedt - Was ich liebte

chwer zu sagen, was das Besondere an Siri Hustvedts neuem Roman ausmacht - ausgefeilte Charaktere, eine geschliffene Sprache, die Bohème - Szene SoHos - gewiss ist jedoch, dass der amerikanischen Schriftstellerin ein ganz großer Wurf mit "Was ich liebte" gelungen ist. Die Zeiten, in denen sie immer in einem Atemzug mit ihrem erfolgreichen Ehemann, dem Autor Paul Auster genannt wurde, gehören endgültig der Vergangenheit an.

Schauplatz der Geschichte ist das Intellektuellen - Milieu New Yorks. Leo, der Erzähler seiner Erinnerungen, der am Ende seines Lebens ganz langsam erblindet, ist Professor für Kunstgeschichte. Seine Frau Erica, sensibel und nervös, von Migräne-Anfällen geplagt, arbeitet als Anglistin. Zusammen mit dem Ehepaar Bill und Lucille, verbindet die beiden eine wunderbare, lebenslange Freundschaft. Leo lernt Bill 1975 kennen, als er ein Bild von ihm in einer Kunstgalerie erwirbt und zwischen den Paaren beginnt ein lebhafter Austausch über philosophische und künstlerische Fragen. Das Glück scheint perfekt, als beide Frauen schwanger sind und fast zur selben Zeit ihre Söhne zur Welt bringen. Später wachsen die beiden Jungs gemeinsam auf.

Als sich Bill jedoch endgültig von Lucille trennt und mit seinem ehemaligen Model, der lebenslustigen Violet, zusammen zieht, sind für Mark, seinen Sohn, die ersten Risse in der heilen Fassade nicht mehr zu kitten. Und dann geschieht der Unfall: Leos Sohn Matt stirbt bei einer Kanufahrt in den Sommerferien. Ein Unglücksfall, der auch das Aus für seine Ehe bedeutet, denn Leo und Erica sind nicht in der Lage, sich gegenseitig zu trösten. Beide versinken in ihrer Trauer in eine tiefe Einsamkeit.

"Wir hatten durchaus Sehnsucht nach anderen Menschen. Aber nicht nach neuen, sondern nach alten. Wir wollten uns so, wie wir gewesen waren, bevor Matthew starb, und nichts, was wir bis ans Ende unserer Tage taten, konnte diese Menschen zurückbringen."

Fast unbemerkt von den Erwachsenen läuft die Entwicklung Marks. Häufig pendelt er zwischen der Familie seiner Mutter und Bill und Violet. Bis auffällt, dass er alle mit einem Gespinst aus Lügen eingewickelt hat, sich pausenlos an fremden Brieftaschen bedient und dabei ist eine steile Drogenkarriere in der Raver-Szene einzuschlagen, ist es fast zu spät.

Siri Hustvedts Roman, der im ausgehenden 20. Jahrhundert spielt, lässt sich auf viele Arten lesen. Es ist ein Künstlerroman über die Fragen der unterschiedlichen Sichtweisen, des Erkennens und der Wahrnehmung. Ebenso findet man darin die großen Fragen der Literatur um die Liebe, das Alter und den Tod. Und dann liest man eine großartige Charakterstudie über die Entwicklung eines Jungen, der am Verständnis und der Toleranz seiner Umwelt fast zu Grunde geht. Das alles beschreibt die hervorragende Autorin sehr sensibel, in einem klaren, schnörkellosen Stil. Sie bringt auch das Kunststück fertig, ganz mühelos in die männliche Perspektive des Erzählers Leo zu schlüpfen.

Wenn man überhaupt einen Vergleich mit anderen Autoren der Gegenwart ziehen möchte, dann käme höchstens Philip Roth in Betracht - die crème de la crème der amerikanischen Literatur.

Am Ende stehen: "Nichts als Fiktionen. Aber wir alle leben in den eingebildeten Geschichten, die wir uns selbst von unserem Leben erzählen."
manuela haselberger


Siri Hustvedt - Was ich liebte
Originaltitel: »What I Loved«, © 2003
Übersetzt von Erica Fischer und Grete Osterwald
© 2003, Reinbek, Rowohlt Verlag, 476 S., 22.90 € (HC)


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