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Babygeplapper
Susanne Fröhlich - Frisch gemacht

achdem Susanne Fröhlich ihren Nachwuchs in ihrem ersten Roman "Frisch gepresst" zur Welt gebracht hat, geht es nun munter weiter. In "Frisch gemacht" schildert sie die ersten Wochen und Jahre ihrer Tochter Claudia. "Meine Tochter ist zehn Wochen alt und ich bin zehn Jahre gealtert. Wenn das in dem Tempo weitergeht, bin ich in der Seniorenwohnanlage, bevor die Kleine ihren ersten Zahn hat."

Die Mutter, Andrea Schnidt, schlägt sich tapfer mit allem herum, was sich einer Frau, die den Anspruch hat, neben der halbwegs richtigen Erziehung ihres Sprösslings auch noch berufstätig zu sein, täglich in den Weg stellt.

Sie arbeitet, wenn sie nicht gerade eher wenig erfolgreich an einem Baby-Schwimmkurs teilnimmt, beim Fernsehen als Redaktionsassistentin. Die kleinen Reibereien am Arbeitsplatz sind für sie Erholung pur. Mittags mit Claudia beginnt der Stress so richtig. Da mutieren ganz normale Frauen auf dem Spielplatz zu wahren Übermüttern, treten der Stillliga bei, chauffieren ihre Kleinen zur pädagogisch wertvollen musikalischen Früherziehung und buchen gerne auch schon den Platz an der privaten Eliteschule vor Ort. Wer weiß, vielleicht zeigt sich die Hochbegabung der Prinzen und Prinzessinnen später noch ganz eindeutig. Im Hort werden natürlich Laternen selbst gebastelt und für die erste Fremdsprache wird es wohl auch so langsam Zeit.

Susanne Fröhlich plaudert erfrischend über die großen und kleinen Missgeschicke im Mutter - Kind - Alltag. Dass sie das gerne in Sätze fasst, die sich auf ein bis zwei Worte beschränken, das sei ihr als Mutter verziehen. Das passiert. Naturgemäß spielen die Väter eine eher untergeordnete Rolle. Es sei denn, sie nehmen am Familienleben als Samstags - Entertainer oder am ersten Urlaub zu dritt aktiv teil. Hier läuft Christoph, Andreas Ehemann, zu Hochform auf, als er den Hotelpool von peinlichen Absonderungen seiner Tochter säubert.

Auf Dauer ist dieser Alltag, auch wenn er noch so humorvoll berichtet wird, etwas anstrengend. So wie im richtigen Leben eben auch. Ein wenig drängt sich auch der Vergleich mit Bestsellerautorin Hera Lind auf. Man hat diese Storys in den letzten Jahren zu häufig gelesen, als dass sie die Leserschaft vom Hocker reißen.

Allerdings, wenn Sie gerade ihre Kinderschar gut versorgt wissen, ein Schaumbad einlassen und sich bei Dialogen zum Kringeln entspannen wollen, dann ist es doch sehr schön zu lesen, dass es Tausenden von Frauen auch nicht besser geht. Trost muss sein.
manuela haselberger


Susanne Fröhlich -
Frisch gemacht

© 2003, Frankfurt, Krüger Verlag, 335 S., 18.90 € (HC)
© 08-2004, Frankfurt, Fischer Verlag, 224 S., 8.90 € (TB)
© 2003, DhV Verlag, 2 CDs, ab 15.95 € (CD)
© 2003, DhV Verlag, 2 Cass., ab 15.95 € (MC)



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Montag, 8.05 Uhr

»Ich will aber die Lackschuhe«, schreit meine Tochter. »Ohne die Lackschuhe gehe ich nicht in den Kindergarten.« Na super. Ich bin sowieso schon spät dran. Und jetzt das. Draußen regnet es, als würde unser Stadtteil geflutet, und meine Tochter will in Lackschuhen aus dem Haus. Ich probiere die pädagogisch wertvolle Variante. Schließlich habe ich Bücher gelesen. »Liebling, du siehst doch, wie es schüttet, da gehen die Lackschuhe kaputt. Und dann bist du ganz traurig. Zieh doch deine lustigen Gummistiefel an.«

Jeder Erziehungsratgeber wäre stolz auf mich. Allerdings nur für wenige Minuten. Claudia, meine Tochter, zeigt nämlich keinerlei Einsicht. Sie schreit weiter und schmeißt die Gummistiefel in die Ecke. jetzt langt es. Dann eben keine Pädagogik. Ich schnappe das Kind, die Gummistiefel, und so kommt zusammen, was nicht zusammen will. Ich habe keine Lust, mir im Kindergarten von einer schnippischen Erzieherin Vorträge über saisonal angemessenes Schuhwerk anzuhören. Morgens um acht ist meine Geduld eh nicht auf dem Höhepunkt. Sie brüllt noch im Auto weiter: »Du bist böse, die Schuhe sind böse, ich will nicht in den Kindergarten.«

Ich habe das Gefühl, dieser Montag wird mein Freund,
Kurz vor der Eingangstür des Kindergartens springt Claudia in eine Pfütze und saut sich so richtig ein. Egal. Wenn ich nicht wieder zu spät im Büro auflaufen will, dann muss das hier jetzt zackig gehen. Meine Nylons haben auch eine ordentliche Ladung abbekommen. Ich gebe das nasse Kind ab, und ehe eine der Erzieherinnen, Sonja oder Gabi, irgendeinen Kommentar abgeben kann, bin ich auch schon weg. »Ich habe es eilig, also bis heute Nachmittag.« Aus den Augenwinkeln kann ich gerade noch sehen, wie Gabi und Sonja einträchtig ihre Köpfe schütteln. Nach dem Motto: >Wer hier mal erzogen werden sollte, ist garantiert nicht das arme Kind.< Na wenn schon.

Im Auto merke ich, dass das Kindergartentäschchen, Modell Hase Felix - rot kariert, zurzeit sehr angesagt -, noch auf dem Beifahrersitz liegt. Mitsamt dem Salamibrot und den Apfelschnittchen. Wenn ich jetzt nochmal umdrehe, bin ich total zu spät. So schnell verhungern die Kleinen nicht, wird ihr schon einer was abgeben, tröste ich mich und beschließe, das Brot gleich selbst zu essen. Salami ist an sich bei meiner Dauerdiät nicht vorgesehen, aber wo sie nun mal drauf ist auf dem Brot, esse ich sie halt mit. Was kann denn die Salami dafür. Außerdem ist es Putensalami, und die ist bekanntlich ja schon fast gesund. Zum Ausgleich gehe ich heute eben mal nicht in die Kantine. Ich verspreche es mir selbst. Da bin ich ganz groß drin - in Eigenversprechungen.

Natürlich wieder Stau. Immer vor diesem miesen Autobahnkreuz. Ich wohne zwar in der Stadt, aber an der Grenze. Und fahre über die Autobahnumgehung. Ich esse auch noch die Apfelstücke. Der Körper braucht schließlich Vitamine. Gerade in aufregenden Situationen.

Mein Dienst beginnt um 8.45 Uhr. Meistens komme ich so gegen neun. Manchmal auch gegen Viertel nach neun. Früher war ich nie spät dran. ja - früher. Früher hatte ich auch keine morgendlichen Lackschuhdiskussionen, Cornflakesunfälle und »ich muss nochmal Pipi«-Unterbrechungen. Früher, das war die Zeit, in der ich noch kein Kind hatte. In der meine größte Sorge morgens war, welche Stiefeletten ich zu welchem Fummel trage.

Seit drei Jahren ist alles anders, denn ich bin Mutter.
Die Mutter von Claudia. Und die Lebensgefährtin von Christoph, einem, laut eigenen Angaben, viel versprechenden Jungjuristen in renommierter Kanzlei. Kurz nach der Geburt, im Krankenhaus, ließ sich das Muttersein noch recht viel versprechend an. Hormonberauscht und umringt von profunden Säuglingsschwestern, habe ich à la Nina Ruge gedacht: Alles wird gut. Es wurde auch gut, aber vor allem anstrengend. Ich erinnere mich genau. Andrea Schnidt, zehn Wochen nach der Geburt. Daheim mit Kind. So habe ich mich gefühlt:

Jung, sexy und zu allem bereit, wenn ich nicht zu müde gewesen wäre. Meine Tochter ist zehn Wochen alt und ich bin zehn Jahre gealtert. Wenn das in dem Tempo weitergeht, bin ich in der Seniorenwohnanlage, bevor die Kleine ihren ersten Zahn hat, habe ich gedacht.

Sie schreit schon wieder.
Würde ich den ganzen Tag so rumbrüllen, hätte ich längst keine Stimme mehr. Bei Babys scheint es diesen durchaus nützlichen Effekt der automatischen Lautstärkedrosslung nicht zu geben. Deren Ausdauer wird durch keinerlei Abnutzung geschmälert. Das Stimmchen hat sogar immer noch Steigerungsmöglichkeiten.
Unglaublich.
Ich gucke streng. Sehr streng. »Hör bitte auf zu schreien, liebe Claudia.« Man soll schon mit den Kleinsten in deutlicher Erwachsenensprache sprechen. Knappe, klare Anweisungen in freundlichem und höflichem Tonfall, eben genau wie bei Männern. Was man soll, ist meiner Tochter allerdings komplett egal. Sie schreit weiter. Vielleicht funktioniert es nur bei männlichen Babys. Jungs eben. Meine Tochter jedenfalls lässt sich nicht so einfach maßregeln. Revoluzzerbaby.
Jetzt bin ich fast noch stolz auf das Geschrei. Man kann sich wirklich alles schönreden. Oder denken. Ich sehe schon eine moderne Jeanne d'Arc in ihr. Das Kind kommt halt doch nach mir. Ich reagiere auf Anweisungen auch eher spröde. Christoph, mein Lebensgefährte, würde sagen, was heißt da spröde - gar nicht reagierst du. Ignorant kannst du sein.

Und wenn schon. Scheint ihm ja zu gefallen, oder hätte er mich sonst ausgewählt? Dass er mich ausgewählt hat, ist etwas, das ich ihm oft genug vorhalte. Dabei ist das natürlich totaler Quatsch. Aber Männer lieben dieses Gefühl, verantwortlich zu sein. Wow, er - der große Macher. Der Entscheider. Der Beutehai. Wenn man ihnen zu deutlich klarmacht, dass sie uns raffinierten Jägerinnen nur tumb in die Falle gegangen sind, wie geblendetes waidwundes Wild, reagieren sie schnell gereizt. Deshalb immer in dem Glauben lassen, man sei williges Opfer gewesen. Das nährt das Jägergefühl in ihnen und macht sie glücklich. So einfach ist das bei den Männern. Jedenfalls dieser Teil.

Claudia schreit weiter.
Ich überlege, kurz ins Arbeitszimmer zu flüchten, die Tür zuzumachen und die Anlage aufzudrehen. Was man nicht hört - ist doch auch nicht existent, oder? Ohren zu und auf ein Wunder warten. Ich schaffe es nicht. Bin doch zu gutherzig. Ein Muttertier eben. Oder ist es Frauensolidarität? Oder nur Angst, als Rabenmutter der Woche in irgendeiner Talkshow zu landen? Oder vor den Nachbarn al5 herzlose Bestie dazustehen?

Ich schultere Claudia und mache mich auf Tour. Dermaßen gründlich habe ich meine Wohnung in kinderlosem Zustand nie erforscht. Seit Tagen schon wandere ich mit meiner Tochter kreuz und quer durch unsere Vierzimmerwohnung. Camel Trophy der besonderen Art. Ich bin das Kamel. Was man auf so einer Wohnzimmertour entdecken kann, ist irre. Kaugummipapierchen einer Marke, die es seit knapp einem Jahr auf dem deutschen Markt nicht mehr gibt, lagen schräg hinter der Couchgarnitur; die auch mal wieder gründlich gesaugt werden könnte. Krümelig wie die Bezüge sind, hat man das Gefühl, Grobi aus der Sesamstraße hat seine Vorratsschränke über unserer Couch ausgekippt. Oder lümmelt heimlich, in den Sekunden, In denen ich ungestört im Bett liege, auf meinem Sofa. Auf jeden Fall. Merken. Für heute Abend. Christoph muss dringend Staub saugen! Auch das Sofa. Nicht dass Claudia noch eine Allergie kriegt. Obwohl Kinder ja Keime brauchen. Übertriebene Hygiene soll gar nicht gut für sie sein. Wie beruhigend für Hausfrauen wie mich. Obwohl: Haushalt ist im Moment Christophs Baustelle. So ein Kind ist Arbeit genug. jedenfalls für mich. Aber: Mit dem Personal.

Außerdem wird meine These von einer verlässlichen Quelle untermauert. Linda heißt die Quelle, um genau zu sein. Eine ehemalige Kommilitonin von Christoph. Linda hat mir das nach zwei Gläschen Maibowle mal verraten. Dass fette Frauen sie beglücken. Weil sie ihre Schlankheit so apart unterstreichen. Auf einer Juristenparty war das. Linda wollte schon immer Juristin werden. »Wegen der Gerechtigkeit?«, habe ich sofort beeindruckt gefragt. »Ne«, hat sie mich angestrahlt, »nee, nee, weil die schwarzen Roben so schick sind und Schwarz mich dann ja noch schlanker macht.« Juristin, sage ich nur. Na ja. Ansonsten ist Linda eigentlich nicht unnett. Und eine der wenigen Frauen, die knallhart zugibt, was die Dünnen von den Dicken halten. Wobei »dick« für Linda bei Kleidergröße 40 beginnt. 34 ist erstrebenswert, 36 ist gut, 38 noch okay und 40 asozial. Fett. Und damit widerlich. »Ich wollte so nicht leben«, hat Linda mir mit Blick auf meine Schenkel anvertraut. »Das hat so was Disziplinloses. Was von, na ja, sich nicht im Griff haben. Und das so offensichtlich. Wenn ich du wäre, könnte ich in der Öffentlichkeit keinen Bissen mehr zu mir nehmen.«

»Iss doch zu Hause, du Zicke«, habe ich gedacht, und im Stillen schon mal durchgerechnet, was so ne Frau im Leben noch an Analysekosten zahlen wird. Sie hat es an meinem Blick gesehen. »Mag sein, dass ich einen Totalknall habe«, hat sie direkt zugegeben, »aber den kann ich dafür ärmellos und bauchfrei ausleben.«
1:0 für sie.

Ärmellos und bauchfrei sind Themen, über die ich nicht mal mehr nachdenke. Themen, die von meiner Festplatte komplett gelöscht sind. Obwohl ich mir nach der Geburt so schlank wie lange nicht vorgekommen bin. Was war ich stolz, als ich im Stehen meine Füße endlich wieder sehen konnte! War leider eine Täuschung, nicht das mit den Füßen, sondern dem Schlanksein. Seitdem ich aus dem Krankenhaus raus bin, trage ich nur noch zwei Dinge. Meinen Jogginganzug und meinen Bademantel. Abwechselnd. Nicht etwa, weil ich schon eifrig am Sporttreiben bin. Nein - weil mir noch nichts anderes wirklich gut passt. Außer den Schwangerschaftsklamotten, aber die habe ich schon alle meiner Schwester vermacht. Meiner Schwester, die natürlich, kaum hatten wir den Kreißsaal verlassen, nachziehen musste. Meine Schwester Birgit hat schon eine Tochter und hätte den schwesterlichen Gleichstand, wir beide mit je einem Kind, wahrscheinlich nicht ausgehalten. Sie, als die Altere, musste schon immer mehr haben. Beim Nachtisch kann ich das ja noch verstehen. Oder bei Geschenken. Aber wenn es um Kinder geht? Nur um mich zu übertrumpfen ein Kind kriegen?

Voll bekloppt, aber die Klamotten habe ich ihr trotzdem vermacht. So bin ich eben. Großherzig. Großzügig. Hätte ich allerdings ihre Reaktion gekannt, hätte ich die Fummel lieber öffentlich verbrannt. Sie hat den Karton aufgemacht, die Sachen rausgezerrt, hochgehalten, ausgebreitet, den Gummizug auseinander gezogen, die Stirn verzogen und gesagt: »Na ja, wenn ich Drillinge kriege, dann kann ich das Zeug vielleicht brauchen«. Was übersetzt so viel heißen sollte wie: Gott, warst du ΄ne Tonne. Der Herr möge vermeiden, dass ich so ende wie meine feiste kleine Schwester. Mieses Stück, meine Schwester. Aber ihr Spruch war ein Riesenlacher.
S.7-15


Lesezitat nach Susanne Fröhlich - Frisch gemacht










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Titel von
Susanne Fröhlich
 Taschenbuch


Susanne Fröhlich

Frisch gepresst.

© 2000


Susanne Fröhlich

Jeder Fisch ist schön - wenn er an der Angel hängt

© 2002

 Hardcover


Susanne Fröhlich

Der Tag, an dem Vater das Baby fallen ließ.

© 2002


© 2.2.2003

by Manuela Haselberger
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