|
Letzte Reise "Anna Enquist - Letzte Reise"
lizabeth Cook, Frau des berühmten englischen Entdeckers und Seefahrers James Cook, wird in der Geschichtsschreibung eher übergangen. Für die niederländische Autorin Anne Enquist, die mit ihrem glänzend komponierten Roman "Das Meisterstück" international bekannt wurde, ist gerade die weibliche Perspektive interessant. Wie lebt es sich an der Seite eines Mannes, der sein halbes Leben auf See verbringt, der vom König hoch geschätzt und von den Menschen seiner Umgebung rückhaltlos bewundert wird?
Während Cook auf hoher See ist, hält Elizabeth das Haus in Ordnung, versorgt den Garten und organisiert den Alltag. Als ihr kleiner Sohn kurz nach der Geburt stirbt und bald darauf ihre vier Jahre alte Tochter verunglückt, steht sie in ihrer Trauer ganz alleine da. Was wird James dazu sagen, wenn er wieder zurück kommt? "Bei seiner Rückkehr würden sie mehr als zwölf Jahre verheiratet sein, doch sie hatten noch nie ein ganzes Jahr am Stück zusammen im selben Haus verbracht."
Eigentlich führt jeder von ihnen zwei Leben, die kaum Berührungspunkte haben, auch wenn Elizabeth voller Eifer seine Aufzeichnungen ordnet, redigiert und mit ihm über seine Erlebnisse auf See ausführlich diskutiert. Sehr wichtig ist die grundsätzliche Frage, wie beispielsweise eine gesunde Ernährung der Männer auf dem Schiff über lange Zeit sichergestellt werden kann. "James hat sie wie eine Ebenbürtige in seine Pläne einbezogen, die schon bald zu ihren gemeinsamen Plänen wurden." Am liebsten wäre ihr jedoch, wenn er endlich an ihrer Seite bliebe und nicht mehr zur See fahren würde.
Die Harmonie des Zusammenlebens ist äußerst fragil. James nimmt ganz selbstverständlich an, dass sein Sohn Nathaniel, ebenso wie der Älteste Jamie, seine Laufbahn auf See kopieren werden. Elizabeth weiß, dass Nathaniel viel lieber für seine Musik und das Geigenspiel leben würde, doch dafür fehlt James jedes Verständnis. Er verschwendet noch nicht einmal einen Gedanken daran.
Sehr sensibel beschreibt Anna Enquist die unterschiedlichen männlichen und weiblichen Blickwinkel auf das gemeinsame Leben. Am Ende hat Elizabeth nicht nur ihren Mann begraben, der 1779 auf Hawaii stirbt, sondern auch alle sechs Kinder.
"Letzte Reise" ist ein grandioses Buch, das sich nur schwer einordnen lässt, zum einen kann es als historischer Roman über das vorviktorianische England gelesen werden, zum anderen ist es eine fein gezeichnete Charakterstudie einer Ehe. Wer darin eine Abenteuergeschichte sucht, kommt ebenso auf seine Kosten. Und natürlich spielt die Liebe eine Rolle. Kurz, es ist für jeden etwas dabei.
|
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||
© 23.12.2006 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |