|
Frostschäden der Seele Per Olov Enquist - Das Buch von Blanche und Marie
enn es diese beiden Frauen nicht gegeben hätte, man hätte sie für die Literatur erfinden müssen. Da ist zum einen Marie Curie, die zweifache Nobelpreisträgerin in Physik und Chemie, die in Frankreich zusammen mit ihrem Mann an der Erforschung des Radiums arbeitet, zum anderen ihre Assistentin Blanche Wittmann, die "Königin der Hysterikerinnen." Blanche war zuvor viele Jahre in der Salpêtrière die Vorzeige - Patientin von Professor Charcot.
In diesen wenigen Sätzen ließe sich der Inhalt von "Das Buch von Blanche und Marie" beschreiben. Doch Autor ist der schwedische Schriftsteller Per Olov Enquist und er ist dafür bekannt, dass er in seinen Büchern historische Fakten mit eigener Fiktion zu einem ausgezeichneten Roman vermischt.
Blanche, die am Ende ihres Lebens zu einem Rumpf geschrumpft sein wird, - es werden ihr ein Bein und ein Arm amputiert -, schreibt in verschiedenen Notizbüchern, sie nennt sie "Fragebücher", die Geschichte ihrer unglücklichen Liebe zu dem verheirateten Arzt Charcot auf. Zusätzlich notiert sie die Einsamkeit in der Ehe der Curies sowie den unglücklichen Tod von Maries Ehemann.
Jahre später verliebt sich Marie in den verheirateten Kollegen Paul Langevin. Diese Affäre kostet sie um ein Haar den Nobelpreis. Nachdem Briefe von ihr an Paul gestohlen und in der französischen Presse veröffentlicht werden, wendet sich die öffentliche Meinung gegen sie. Der Skandal ist perfekt.
Sensibel spürt Enquist diesen beiden Frauen und ihrer unglücklichen Liebe nach. Die historischen Fakten zeigen den Umbruch einer Zeit, in der alle Antworten von den Naturwissenschaften erwartet werden und die Psychiatrie noch in den Kinderschuhen steckt.
Neben Charcot taucht sein Assistent, ein junger Österreicher namens Sigmund Freud auf, Einstein plaudert mit Marie Curie und Rutherford ist noch völlig unbekannt.
Per Olov Enquist macht es seinen Lesern nicht leicht und lässt sie einen einfachen historischen Roman konsumieren. Er schwelgt in Assoziationen, Bezügen und um in den vollen Genuss seiner Anspielungen zu kommen, lohnt eine zweite Lektüre.
Wer gerne wieder einmal einen exzellenten historischen Roman lesen möchte, kombiniert mit intelligenter Unterhaltung und philosophischen Exkursen zum Wesen der Liebe, dem sei "Das Buch von Blanche und Marie" ans Herz gelegt. Und nicht zu vergessen die feine Sprache - der schönste Satz: "Wer kann die Liebe erklären? Doch wer wären wir, wenn wir es nicht versuchten?"
|
|
|||||||||||||||||||
© 13.3.2005 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |